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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 77.1966

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Horstmann, Hans: Siegel- und Wappenstudien: das Mainzer Rad - ein Wappenbild des heiligen Martin?
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https://doi.org/10.11588/diglit.70353#0341

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Siegel- und Wappenstudien
Das Mainzer Rad - ein Wappenbild des heiligen Martin?
Mit 6 Abbildungen (auf Tafel XVI)
Von Hans Horstmann
Über das Mainzer Rad und seine Bedeutung ist schon so viel geschrieben worden,
daß es fast als eine Vermessenheit erscheint, die Frage nochmals anzuschneiden und
sogar noch mit einem neuen Deutungsversuch hervorzutreten. Wenn es hier trotzdem
geschieht, so deshalb, weil merkwürdigerweise in allen bisherigen Untersuchungen
ein Gesichtspunkt völlig außer Betracht geblieben ist. Man hat — um nur die wich-
tigsten neueren Theorien zu nennen — das Rad als das Monogramm Christi '), als
redendes Wappen für die erzbischöfliche Burg Aschaffenburg 2) und endlich als Sinn-
bild des Wagens Gottes und der Kirche gedeutet 3). Aber noch niemals ist die Frage
geprüft worden, ob sich das Rad auf den Patron des Mainzer Erzbistums, den hl. Mar-
tin, beziehen, ob es etwa sein Wappenbild sein könne. Dabei liegt diese Frage durch-
aus nah. Denn auch die beiden anderen deutschen Erzbistümer Trier und Köln haben,
bevor sie in der 2. Hälfte des 13. Jhs. das Kreuzwappen annahmen, das Symbol ihres
Patrons, die Schlüssel des hl. Petrus, teils als Münz-, teils als Siegelbild benutzt 4).
Nun liegen allerdings die Verhältnisse für Mainz etwas schwieriger. Denn fast in
dem gesamten deutschen Schrifttum herrscht Einstimmigkeit darüber, daß es für den
hl. Martin ein Heiligenwappen nicht gegeben habe. Als seine Attribute gelten ledig-
lich der geteilte Mantel, die Gans, ein Pokal oder auch ein Kirchenmodell 5). Eine
Ausnahme findet sich nur bei H. J. V. Brockhusen. In seiner Arbeit über „Die Balken
von Mainz und das Rad von Aschaffenburg" 2) vertritt er die Ansicht, daß der mehr-
fach von Weiß und Rot geteilte Balkenschild, der als Wappen des Mainzer Domka-
pitels seit dem Beginn des 15. Jhs. bezeugt ist, schon seit dem Anfang des 13. Jhs. 6)
das Wappen des Erzbistums gewesen ist. v. Brockhusen sieht in ihm ein redendes
Wappen 7) und erwähnt beiläufig in einer Anmerkung: „Oft wird die Szene Martins
mit dem Bettler nur von dem Balkenschild begleitet, der augenscheinlich als Wappen
Martins schlechthin verstanden wurde." 8) Danach wäre also der Balkenschild des Erz-
bistums das Primäre gewesen, und erst sekundär wäre er im Laufe der Zeit dem
hl. Martin als dem Patron des Erzbistums zugeteilt worden.

9 K. H. Schäfer, Das Mainzer Rad und Konstantins Reichsstandarte (Der Herold 2, 1941 S.
57 ff.) und Ders., Das Rätsel des Mainzer Rades (Mainzer Ztschr. 36, 1941 S. 41 ff.).

2) H. J. V. BROCKHUSEN, Die Balken von Mainz und das Rad von Aschaffenburg (Nass. Ann.
63, 1952 S. 267 ff.).

3) G. Braun von Stumm, Das Rad, Symbol von Evangelium und Kirche, auf oberrheinischen
Münzen des 12. und 13. Jhs. (Mainzer Ztschr. 46/47, 1951/52 S. 36 ff.). — Braun von Stumm
ist übrigens nicht der erste, der diese Theorie aufgestellt hat. Bereits in OETTERs Wappen-
belustigungen, Augsburg 1764, § 15—19 wird vermutet, daß das Mainzer Rad auf die Stelle
Ezechiel 1 Vers 15 u. 16 zurückzuführen sei. Vgl. Carl Friedrich V. Posern-Klett, Sachsens
Münzen im Mittelalter, I. Teil, Münzstätten und Münzen der Städte und geistlichen Stifter
Sachsens im Mittelalter, Leipzig 1846, S. 61, und HEIDER in: Mitt. d. K. K. Central-Commission
4, 1859 S. 115 Anm. 3.

4) Für Trier: Hans Horstmann, Der Ursprung der Bistumswappen von Köln, Trier und Ut-
recht (Vierteljahrsblätter der Trierer Ges. f. nützl. Forschungen 4, 1958 S. 46 f.). Für Köln
steht eine entsprechende Untersuchung noch aus.

5) Joseph Braun, Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst, Stuttgart 1943,
S. 510 ff.; Karl KÜNSTLE, Ikonographie der christlichen Kunst, II. Band, Freiburg 1926, S. 438 ff.

6) Diese Datierung in leichter Abweichung von v. Brockhusen bei Karl E. Demandt in: Hessi-
sches Ortswappenbuch, Glücksburg 1956, S. 144 unter Nr. 538.

7) V. Brockhusen S. 273. Die Balken stehen nach seiner Ansicht redend für „magen" (Kraft)
im Hinblick auf den Ortsnamen „Magenze" (Mainz).

8) v. Brockhusen S. 278 Anm. 82.

Nass. Ann. Bd. 77

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