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Karlheinz Müller
Sommer und Herbst 1866, der bürokratische Vollzug erstreckte sich über viele
Monate des Jahres 1867.
Die Quellen zur Geschichte des Regierungsbezirks Wiesbaden fließen reich-
lich. Da sind die großen unversehrten und gut geordneten Bestände des Haupt-
staatsarchivs Wiesbaden, des Staatsarchivs Marburg — soweit die Akten des
Oberpräsidenten in Kassel in Frage kommen — und des Stadtarchivs Frank-
furt. Auch das ehemalige Preußische Geheime Staatsarchiv, jetzt in Berlin-
Dahlem, das Bundesarchiv in Koblenz und das bischöfliche Archiv in Limburg
geben einiges her. Leider sind die Bestände des Wiesbadener Archivs für die
Zeit ab Ende der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts lückenhaft, weil viele
wichtige Akten noch in der Hand der Behörde geblieben waren, die bei der
Besetzung des Behördengebäudes in Wiesbaden im März 1945 verloren gingen.
Die für die Behördengeschichte wichtigen Personalakten wurden ohnehin zen-
tral in Berlin geführt und sind bis auf einige wenige nicht zugänglich. Von den
Personalakten der Regierungspräsidenten ist nur die des Regierungspräsi-
denten Viktor von Tepper-Laski (1890—97) für den westdeutschen Bearbeiter
in Berlin-Dahlem erreichbar. Ergänzt werden diese Erkenntnisse durch litera-
rische Quellen. Hier sind die interessante Selbstbiographie des Regierungs-
präsidenten von Diest (1867—69) — „Aus dem Leben eines Glücklichen, Er-
innerungen eines alten Beamten", Berlin 1904 —, die biographische Darstel-
lung der zweiten Gattin des Regierungspräsidenten Dr. von Meister (1905—
19) — Leila von Meister, „Gathered Yesterdays", London 1963 — und die
zahlreichen Veröffentlichungen des Regierungspräsidenten Dr. Konrad Hae-
nisch (1923—25) zu nennen. Darüber hinaus gibt es umfangreiche Handakten
des Regierungspräsidenten Dr. von Meister, die von seiner Familie verwaltet
werden, und zahlreiche bemerkenswerte Unterlagen im Nachlaß des Regierungs-
präsidenten Nischalke (1945—48). Auch die Landesbibliothek in Wiesbaden
mit ihrem ausgezeichneten Zeitungsarchiv ist, vor allem für die Zeit bis etwa
zum Jahre 1925, von nicht geringer Bedeutung; desgleichen manche Überlie-
ferungen bei den Landkreisen des Regierungsbezirks.
An der Geschichte des Wiesbadener Regierungsbezirks seit 1866 ist bei-
spielhaft abzulesen, wie eine deutsche Provinz an der innerpolitischen Ent-
wicklung teilhatte. In diesen hundert Jahren entwickelte sich Deutschland vom
Agrarland zu einer der ersten Industrienationen der Welt. Während das Her-
zogtum Nassau fast rein agrarisch strukturiert war, war die Stadt Frankfurt
einer der größten Handels- und Bankenplätze Europas. Von Frankfurt war
wenige Jahre vor der Annexion durcli Preußen der amerikanische Sezessions-
krieg finanziert worden. Frankfurt brachte das vielfache der Steuern auf, die
das Herzogtum Nassau einnahm. An Bodenschätzen wies der Regierungsbezirk
außer Erzen, Steinen und Erden des Lahn/Dillgebietes kaum etwas auf. Um
Frankfurt, an den Unterläufen des Maines und der Lahn regten sich die ersten
industriellen Ansätze. So war die wirtschaftliche Ausgangsposition des Wies-
badener Bezirks beschaffen. Heute umfaßt der Regierungsbezirk das mit am
stärksten industrialisierte Ballungsgebiet Deutschlands.
Ein Rückblick auf hundert Jahre Wiesbadener Regierung ist auch eine Er-
innerung an die Persönlichkeiten, die die Regierung maßgeblich beeinflußt
haben: in erster Linie die Präsidenten selbst, die ihrer Behörde das Gepräge
gegeben haben *). Als „politische Beamte" verkörpern sie die herrschende
Macht in sichtbarster Weise, sind ihre eigentlichen Repräsentanten und des-
halb vom besonderen Vertrauen der Staatsregierung getragen und abhängig.
Daß sie in königlicher Zeit überzeugte Monarchisten waren, versteht sich von
selbst. Doch auch hier gab es gewichtige Nuancen.
*) Am Ende dieser Darstellung ist eine Übersicht über die dienstlichen Lebensabläufe der Re-
gierungspräsidenten und ihrer Stellvertreter gegeben (S. 2991—302).
Karlheinz Müller
Sommer und Herbst 1866, der bürokratische Vollzug erstreckte sich über viele
Monate des Jahres 1867.
Die Quellen zur Geschichte des Regierungsbezirks Wiesbaden fließen reich-
lich. Da sind die großen unversehrten und gut geordneten Bestände des Haupt-
staatsarchivs Wiesbaden, des Staatsarchivs Marburg — soweit die Akten des
Oberpräsidenten in Kassel in Frage kommen — und des Stadtarchivs Frank-
furt. Auch das ehemalige Preußische Geheime Staatsarchiv, jetzt in Berlin-
Dahlem, das Bundesarchiv in Koblenz und das bischöfliche Archiv in Limburg
geben einiges her. Leider sind die Bestände des Wiesbadener Archivs für die
Zeit ab Ende der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts lückenhaft, weil viele
wichtige Akten noch in der Hand der Behörde geblieben waren, die bei der
Besetzung des Behördengebäudes in Wiesbaden im März 1945 verloren gingen.
Die für die Behördengeschichte wichtigen Personalakten wurden ohnehin zen-
tral in Berlin geführt und sind bis auf einige wenige nicht zugänglich. Von den
Personalakten der Regierungspräsidenten ist nur die des Regierungspräsi-
denten Viktor von Tepper-Laski (1890—97) für den westdeutschen Bearbeiter
in Berlin-Dahlem erreichbar. Ergänzt werden diese Erkenntnisse durch litera-
rische Quellen. Hier sind die interessante Selbstbiographie des Regierungs-
präsidenten von Diest (1867—69) — „Aus dem Leben eines Glücklichen, Er-
innerungen eines alten Beamten", Berlin 1904 —, die biographische Darstel-
lung der zweiten Gattin des Regierungspräsidenten Dr. von Meister (1905—
19) — Leila von Meister, „Gathered Yesterdays", London 1963 — und die
zahlreichen Veröffentlichungen des Regierungspräsidenten Dr. Konrad Hae-
nisch (1923—25) zu nennen. Darüber hinaus gibt es umfangreiche Handakten
des Regierungspräsidenten Dr. von Meister, die von seiner Familie verwaltet
werden, und zahlreiche bemerkenswerte Unterlagen im Nachlaß des Regierungs-
präsidenten Nischalke (1945—48). Auch die Landesbibliothek in Wiesbaden
mit ihrem ausgezeichneten Zeitungsarchiv ist, vor allem für die Zeit bis etwa
zum Jahre 1925, von nicht geringer Bedeutung; desgleichen manche Überlie-
ferungen bei den Landkreisen des Regierungsbezirks.
An der Geschichte des Wiesbadener Regierungsbezirks seit 1866 ist bei-
spielhaft abzulesen, wie eine deutsche Provinz an der innerpolitischen Ent-
wicklung teilhatte. In diesen hundert Jahren entwickelte sich Deutschland vom
Agrarland zu einer der ersten Industrienationen der Welt. Während das Her-
zogtum Nassau fast rein agrarisch strukturiert war, war die Stadt Frankfurt
einer der größten Handels- und Bankenplätze Europas. Von Frankfurt war
wenige Jahre vor der Annexion durcli Preußen der amerikanische Sezessions-
krieg finanziert worden. Frankfurt brachte das vielfache der Steuern auf, die
das Herzogtum Nassau einnahm. An Bodenschätzen wies der Regierungsbezirk
außer Erzen, Steinen und Erden des Lahn/Dillgebietes kaum etwas auf. Um
Frankfurt, an den Unterläufen des Maines und der Lahn regten sich die ersten
industriellen Ansätze. So war die wirtschaftliche Ausgangsposition des Wies-
badener Bezirks beschaffen. Heute umfaßt der Regierungsbezirk das mit am
stärksten industrialisierte Ballungsgebiet Deutschlands.
Ein Rückblick auf hundert Jahre Wiesbadener Regierung ist auch eine Er-
innerung an die Persönlichkeiten, die die Regierung maßgeblich beeinflußt
haben: in erster Linie die Präsidenten selbst, die ihrer Behörde das Gepräge
gegeben haben *). Als „politische Beamte" verkörpern sie die herrschende
Macht in sichtbarster Weise, sind ihre eigentlichen Repräsentanten und des-
halb vom besonderen Vertrauen der Staatsregierung getragen und abhängig.
Daß sie in königlicher Zeit überzeugte Monarchisten waren, versteht sich von
selbst. Doch auch hier gab es gewichtige Nuancen.
*) Am Ende dieser Darstellung ist eine Übersicht über die dienstlichen Lebensabläufe der Re-
gierungspräsidenten und ihrer Stellvertreter gegeben (S. 2991—302).