Zur Verkehrspolitik des Herzogtums Nassau
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weil diesem infolge des Eisenbahnbaues nur mehr sekundäre Bedeutung zu-
kam. Und seitdem von der Mitte der 30er Jahre an das Interesse um die Eisen-
bahnen kreiste, mithin vom Beginn der ernstzunehmenden Industrialisierungs-
epoche in Deutschland an, erlangten die Straßen des Herzogtums während
dessen Existenz keine Erstrangigkeit.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß die Verkehrspolitik des Herzog-
tums Nassau während der Jahre zwischen 1815 und 1866 in erster Linie von
den Sonderinteressen dieses Kleinstaates bestimmt wurde. Im Zusammenhang
damit ergaben sich zwei besonders hervorstechende Tatsachen: Zunächst die
aus dem Kapitalmangel des Herzogtums erwachsenden Verzögerungen hinsicht-
licli einer Verwaltungs-Modernisierung für bestehende Verkehrsstraßen wie der
des Rhein, d. h. man erklärte sich mit der Schaffung eines ans Mitgliedern der
Anrainerstaaten gebildeten Verwaltungsgremiums einverstanden, was wiederum
mit dem Verzicht, zumindest aber der Bereitschaft zu einer Senkung der ver-
kehrsbeeinträchtigenden Zölle Hand in Hand ging. Und nachdem das Gremium
dann doch gebildet wurde, hat Nassau seine Mitgliedschaft stets dazu benutzt,
die vom Partikularismus des Mittelalters und der Neuzeit her bestimmte Form
der Stromverwaltung so weit wie möglich zu erhalten, insbesondere aber die
aus dem Partikularismus heraus entstandenen Zölle 21). Nicht viel anders war
das Verhalten der nass. Regierung im Zusammenhang mit dem Ausbau des
Lahnflusses. — Sodann wurde die nassauische Verkehrspolitik durch die Geg-
nerschaft zu Preußen entscheidend beeinflußt. Aus dem Wissen um die Unter-
legenheit gegenüber Preußen, aber auch um die beiderseitige Abhängigkeit in
Verkehrsfragen, war das Herzogtum bei sämtlichen beide Staaten berührenden
Fragen hinsichtlich des Verkehrs vor allem darauf bedacht, nicht an Prestige
zu verlieren, d. h. man wollte keineswegs den Eindruck erwecken, nicht ein
gleichwertiger Partner Preußens zu sein. — Insbesondere wegen dieser beiden
Tatsachen wurde die Entwicklung eines modernen Verkehrsnetzes in einem für
die deutsche Volkswirtschaft bedeutsamen Raum nicht allein verzögert, woraus
dieser nachteilige Folgen erwuchsen, sondern, wie im Falle der Lahnkanalisie-
rung, sogar verhindert. So war mit dem Herzogtum Nassau durch den Wiener
Kongreß ein Staat geschaffen worden, dessen Existenz unabsehbare Konse-
quenzen für den volkswirtschaftlichen Bereich bewirkte.
21) Vgl. hierzu Th. SOMMERLAD, Die Rheinzölle im Mittelalter (1894) und GOTHEIN (s. Anin. 3)
S. 220 ff.
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weil diesem infolge des Eisenbahnbaues nur mehr sekundäre Bedeutung zu-
kam. Und seitdem von der Mitte der 30er Jahre an das Interesse um die Eisen-
bahnen kreiste, mithin vom Beginn der ernstzunehmenden Industrialisierungs-
epoche in Deutschland an, erlangten die Straßen des Herzogtums während
dessen Existenz keine Erstrangigkeit.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß die Verkehrspolitik des Herzog-
tums Nassau während der Jahre zwischen 1815 und 1866 in erster Linie von
den Sonderinteressen dieses Kleinstaates bestimmt wurde. Im Zusammenhang
damit ergaben sich zwei besonders hervorstechende Tatsachen: Zunächst die
aus dem Kapitalmangel des Herzogtums erwachsenden Verzögerungen hinsicht-
licli einer Verwaltungs-Modernisierung für bestehende Verkehrsstraßen wie der
des Rhein, d. h. man erklärte sich mit der Schaffung eines ans Mitgliedern der
Anrainerstaaten gebildeten Verwaltungsgremiums einverstanden, was wiederum
mit dem Verzicht, zumindest aber der Bereitschaft zu einer Senkung der ver-
kehrsbeeinträchtigenden Zölle Hand in Hand ging. Und nachdem das Gremium
dann doch gebildet wurde, hat Nassau seine Mitgliedschaft stets dazu benutzt,
die vom Partikularismus des Mittelalters und der Neuzeit her bestimmte Form
der Stromverwaltung so weit wie möglich zu erhalten, insbesondere aber die
aus dem Partikularismus heraus entstandenen Zölle 21). Nicht viel anders war
das Verhalten der nass. Regierung im Zusammenhang mit dem Ausbau des
Lahnflusses. — Sodann wurde die nassauische Verkehrspolitik durch die Geg-
nerschaft zu Preußen entscheidend beeinflußt. Aus dem Wissen um die Unter-
legenheit gegenüber Preußen, aber auch um die beiderseitige Abhängigkeit in
Verkehrsfragen, war das Herzogtum bei sämtlichen beide Staaten berührenden
Fragen hinsichtlich des Verkehrs vor allem darauf bedacht, nicht an Prestige
zu verlieren, d. h. man wollte keineswegs den Eindruck erwecken, nicht ein
gleichwertiger Partner Preußens zu sein. — Insbesondere wegen dieser beiden
Tatsachen wurde die Entwicklung eines modernen Verkehrsnetzes in einem für
die deutsche Volkswirtschaft bedeutsamen Raum nicht allein verzögert, woraus
dieser nachteilige Folgen erwuchsen, sondern, wie im Falle der Lahnkanalisie-
rung, sogar verhindert. So war mit dem Herzogtum Nassau durch den Wiener
Kongreß ein Staat geschaffen worden, dessen Existenz unabsehbare Konse-
quenzen für den volkswirtschaftlichen Bereich bewirkte.
21) Vgl. hierzu Th. SOMMERLAD, Die Rheinzölle im Mittelalter (1894) und GOTHEIN (s. Anin. 3)
S. 220 ff.