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Henning Oppermann Vorm. Rudolf Geering <Basel> [Hrsg.]
Illustrierte Bücher des 18. und 19. Jahrhunderts ..., deutsche und Schweizer Literatur - Erstausgaben von Goethe, Schiller und den Romantikern, Helvetica, Reisen in der Schweiz: Ansichten und Trachtenwerke - Almanache, Autographen, Incunabeln, Medizin, Kräuterbücher ; Bibliothek Dr. Theodor Engelmann, Basel ; 26. April bis 28. April 1932 im Hotel "Drei Könige", Blumenrain 8 (Katalog Nr. 425) — Basel, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.8669#0009
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VORWORT

Dr. Theodor Engelmann gehörte zu jenen Sammlern, die ihr Gebiet selbst ent-
decken, es selbst umgrenzen und den einmal abgesteckten Raum in geistig vertiefter Sammel-
tätigkeit und in jahrelanger unermüdlicher Arbeit auszufüllen suchen, sich selbst und anderen
zur Freude und Bereicherung. So entstand seine Ludwig Richter-Sammlung, die berühmt
geworden ist, und seine Büchersammlung, von der die folgenden Blätter berichten sollen, darf
vielleicht Anspruch auf die gleiche Beachtung machen.

In dieser Bibliothek nimmt das illustrierte Buch und ganz besonders das Schweizer
illustrierte Buch des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts einen breiten Raum
ein. Zu einer Zeit, wo eine wissenschaftlich orientierte Bibliophilie kaum in Umrissen sichtbar
war, wo das Schweizer illustrierte Buch in seiner besonderen Eigenart als für sich bestehender
Kunstkomplex noch nicht erkannt war, wo ferner noch nichts von den heutigen Schweizer
bibliographischen Einzelforschungen vorlag, da hat Dr. Th. Engelmann mit selten sicherem
Instinkt den Weg zu dieser einzigartigen, bodenständigen und liebenswürdigen Kunst gefunden,
hat sie in ihrer Einheit und nicht nur im Einzelstück erschaut und ist so Vielen ein Anreger
und Förderer geworden.

Seit langem kennt man das französische Buch der letzten beiden Jahrhunderte, man
kennt auch das deutsche Buch des 18. Jahrhunderts und nennt vielleicht die Namen Chodowiecki
und Meil, auch S. Freudenberger ist bekannt, B. A. Dunker, J. R. Schellenberg, Fr. Hegi,
F. N. König und Lory und man erinnert sich, einige ihrer Bücher einmal gesehen zu haben.
Um sich aber der ganzen Besonderheit dieser Schweizer Illustrationskunst bewusst zu werden,
dazu bedarf es eines grösseren Überblicks, und für viele wird die Ausstellung, die das Basler Ge-
werbemuseum veranstaltete, in dieser Hinsicht eine Überraschung gewesen sein. In der Tat
ist es erstaunlich, was für einen Reichtum von heiterer und unbeschwerter Laune diese Schweizer
Kleinmeister über das Papier der alten Klassikerausgaben, der Almanache. der Neujahrsblätter
oder auch ihrer eigenen Werke streuten, in so verschwenderischer Fülle und in so froher Bunt-
heit, wie es nicht noch einmal zu finden ist. Und hierbei waren sie eigenschöpferisch, conventions-
los, eigentlich auf keiner Tradition fussend, freigebend, wie der Augenblick sich bot. Wir wollen
hier keine Werturteile fällen, aber es muss einmal ganz eindeutig gesagt werden —für viele wird
es neu sein —, dass die Schweiz in ihren illustrierten Büchern einen wirklichen Schatz von ganz
seltener Schönheit und besonderer Eigenart besitzt. Noch ist dieser Schatz, der immer mehr in
die Vergangenheit und in das Vergessen zurückweicht, nicht gesichert und gehoben. Wohl existieren
die verdienstvollen Arbeiten von H. Appenzeller, C. von Mandach, P. Leemann-van Eick, F. C.
Lonchamp, H. Herzog, R. Nicolas u. a. m. Es gibt wertvolle bibliographische Arbeiten von
A. Fluri, Karl J. Lüthi, M. Rychner usw., die besonders hinweisen auf die Drucker und Verleger.
Eine zusammenfassende Darstellung dieser Art aber, die u. a. auch vor allem das Typische
dieser Schweizer Kunst heraushebt — wie unabhängig entwickelt sich z. B. Dunker in der
freien Berner Luft und im Anblick der grossen Natur! —, steht u.W. noch aus. Noch fehlt
eine erschöpfende Darstellung der Tätigkeit von Orell, Gessner, Füssli & Co., von denen Goethe
sagt, dass sie allein durch ihre vortrefflichen Bücher bisher der wahren Literatur mehr Dienste
getan hätten als das halbe Deutschland zusammen. Auch Beat Ludwig Waithard in Bern hat
noch keinen Bearbeiter gefunden, und was wissen wir über Heinrich Steiner & Co. in Winter-
thur, bei dem eines der schönsten Werke des 18. Jahrhunderts, Lavaters Physiognomische
Fragmente, und vieles andere Wertvolle erschien? Die archivalischen Quellen sind noch nicht
alle erforscht. Ein weites Gebiet steht noch offen. Mit Spannung erwartet man das Werk von
Frau Gräfin Lanckoronska und Professor Oehler in Frankfurt a. M. über die Buchillustration
des 18. Jahrhunderts in den deutschsprechenden Ländern, das auch für die Schweiz neue
Anregungen geben wird.

In diesem Zusammenhang wird die Bibliothek Th. Engelmann für die Schweiz stets ihre
ganz besondere Bedeutung behalten. Die Eingeweihten wissen, wie viel Impulse im Laufe der
Jahre von ihr ausgingen und dass ihr Besitzer nicht nur die Bücher anhäufte, sondern auch
den Anfang machte mit der gründlichen Durchforschung seines Materials, getreu dem Goethe'
sehen Spruch „was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen". Öffentliche
Bibliotheken können meistens ein Gebiet wie das hier angedeutete nicht pflegen, da sie anderer.
 
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