DIE HALBERSTÄTDER BAUPLASTIK
263
228. Paulus im Halberstadter
Dome.
229. Petrus im Halberstädter
Dome.
230. Sixtus im Halberstädter
Dome.
derartige Ornamentalisierung, daß man von bewußtem Archaismus reden möchte (Abb. 228). Selbst die Bart-
formen des 14. Jahrhunderts gehen nicht so weit. Schon hier möchte der Verfasser aber an das Vorkommen
westfälischer Parallelerscheinungen erinnern. Dem Nordosten — man denke an Konrad von Einbeck —
liegt damals zuweilen eine „götzenhafte“, schreckhafte Heraldisierung. Ein Apostel im Pfarrhause von Roxel
(Kreis Münster-Land), zwei Reliquienköpfe im Paderborner Altertumsverein, ein Johanneskopf der Dortmunder
Propsteikirche — alles Werke der frühen „dunklen Zeit“ — zeigen in Stimmung und Form Verwandteres, als
sonst irgendwo zu finden scheint (Inventar Kreis Münster-Land, Taf. 97, 1, auch 3, Kr. Paderborn, Taf. 100,
Kr. Dortmund-Stadt, Taf. 34). Freilich nur für diesen beschränkten Formenumkreis des Kopfes und vor allem
des Bartes. Das Ganze ist in Halberstadt weit lebendiger, und es steigert sich in dem Petrus als Papst zu
einer wirklich monumentalen Größe (Abb. 229). Hier spielt die im weichen Stile beliebte Horizontalzone mit
dem Motive der Hängefalten als Pendelgewichten noch einmal eine große Rolle. Aber wie der Oberkörper mit
dem eigen-schmalen Kopfe sich darüber hinausreckt, verrät er einen neuen Willen. Der Bartholomäus, ca. 1440
ansetzbar, stößt die Horizontalzone aus. Er beschränkt sie auf eine schmälste Gürtelzone. Die Erstarrung
geht weiter, zumal auch im Haar, das man mit dem starren Stil des späteren Dreizehnten (Regensburger Ver-
kündigung!) vergleichen möge. Schwächere Werke sind dann Simon und Thaddäus. Hier wird wieder der
Zusammenhang mit der Annen-Kapelle von Braunschweig fühlbar, zugleich aber der mit dem Grabmal des
Semeca in Halberstadt selbst, dessen leere Formenfestigkeit verschieden gedeutet wurde, durch Marchands
Untersuchungen aber endgültig für unsere Periode gesichert ist. Die Trauernden an der Tumba gehören in
die Reihe der mitteldeutschen Klagefiguren, die sich von Arnstadt und Querfurt über Schulpforta und Meißen
aus dem 14. Jahrhundert bis in unsere Epoche verfolgen lassen. Sie sind weit lebensvoller als die Grabfigur,
aber ihre Stimmung ist typisch „dunkel“; sie ist jedoch positiv betont, während die Gestalt des Dompropstes
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228. Paulus im Halberstadter
Dome.
229. Petrus im Halberstädter
Dome.
230. Sixtus im Halberstädter
Dome.
derartige Ornamentalisierung, daß man von bewußtem Archaismus reden möchte (Abb. 228). Selbst die Bart-
formen des 14. Jahrhunderts gehen nicht so weit. Schon hier möchte der Verfasser aber an das Vorkommen
westfälischer Parallelerscheinungen erinnern. Dem Nordosten — man denke an Konrad von Einbeck —
liegt damals zuweilen eine „götzenhafte“, schreckhafte Heraldisierung. Ein Apostel im Pfarrhause von Roxel
(Kreis Münster-Land), zwei Reliquienköpfe im Paderborner Altertumsverein, ein Johanneskopf der Dortmunder
Propsteikirche — alles Werke der frühen „dunklen Zeit“ — zeigen in Stimmung und Form Verwandteres, als
sonst irgendwo zu finden scheint (Inventar Kreis Münster-Land, Taf. 97, 1, auch 3, Kr. Paderborn, Taf. 100,
Kr. Dortmund-Stadt, Taf. 34). Freilich nur für diesen beschränkten Formenumkreis des Kopfes und vor allem
des Bartes. Das Ganze ist in Halberstadt weit lebendiger, und es steigert sich in dem Petrus als Papst zu
einer wirklich monumentalen Größe (Abb. 229). Hier spielt die im weichen Stile beliebte Horizontalzone mit
dem Motive der Hängefalten als Pendelgewichten noch einmal eine große Rolle. Aber wie der Oberkörper mit
dem eigen-schmalen Kopfe sich darüber hinausreckt, verrät er einen neuen Willen. Der Bartholomäus, ca. 1440
ansetzbar, stößt die Horizontalzone aus. Er beschränkt sie auf eine schmälste Gürtelzone. Die Erstarrung
geht weiter, zumal auch im Haar, das man mit dem starren Stil des späteren Dreizehnten (Regensburger Ver-
kündigung!) vergleichen möge. Schwächere Werke sind dann Simon und Thaddäus. Hier wird wieder der
Zusammenhang mit der Annen-Kapelle von Braunschweig fühlbar, zugleich aber der mit dem Grabmal des
Semeca in Halberstadt selbst, dessen leere Formenfestigkeit verschieden gedeutet wurde, durch Marchands
Untersuchungen aber endgültig für unsere Periode gesichert ist. Die Trauernden an der Tumba gehören in
die Reihe der mitteldeutschen Klagefiguren, die sich von Arnstadt und Querfurt über Schulpforta und Meißen
aus dem 14. Jahrhundert bis in unsere Epoche verfolgen lassen. Sie sind weit lebensvoller als die Grabfigur,
aber ihre Stimmung ist typisch „dunkel“; sie ist jedoch positiv betont, während die Gestalt des Dompropstes