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Pinder, Wilhelm
Die deutsche Plastik: vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende der Renaissance (Band [2] (Pind,2,2)): Die deutsche Plastik der Hochrenaissance — Wildpark-Potsdam: Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.55160#0109
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DER NORDWESTEN. KÖLNER PLASTIK DER DUNKLEN ZEIT

339

d) Der Nordwesten.
Auch der deutsche
Norden hat seine Angren-
zung an den Westen.
Köln besonders besitzt
wundervolle Dokumente
der dunklen Zeit, die west-
liche Lebendigkeit unter
den Bedingungen der all-
gemeinen Krisis bezeugen.
Die Frühzeit des Jahr-
hunderts hatte in dem
Saarwerdenmeister und
seinem Kreise einige der
feinsten Leistungen in
ganz Deutschland hervor-
gebracht (I. Teil S. 137).
Wie tief dieser Stil ging,
wie er zugleich mit öst-
lichen, spätparlerischen
Formen sich berührte,
das ist inzwischen auf der
Jahrtausendausstellung
klar geworden, wo zum
ersten Male die ganze
Archivoltenplastik desPe-
trusportales vom Kölner
Dome in guten Abgüssen
zu sehen war. Daß er eben-


318. Altar aus Rieden.

so aber stetig in das Neue sich fortsetzen ließ, ist durch neue, schöne Entdeckungen festgestellt.

Das Kunstgewerbemuseum hat den Torso einer Madonna und eine Engelkonsole aus dem Karthäuserkloster
als Leihgaben bekommen können — trotz der Zerstörung wundervoll sprechende Dokumente. Schäfer (Ber.
a. d. Kunstsammlungen d. Stadt Köln I, 1924) erkennt die Verbindung mit dem Saarwerdenmeister. E. B. Dietrich
von Moers, der das Grabmal desVorgängers zu setzen hatte, ist auch der Stifter der Marienkapelle an der Karthäuser-
kirche (um 1425). (Er ist überhaupt der Kölner Kirchenfürst der „dunklen Zeit“ und wird uns noch weiterhin
entgegentreten.) Ein Zusammenhang der Karthäuser-Plastik (auch an Ort und Stelle sind noch Konsolfiguren
erhalten) mit dem Saarwerden-Stile scheint allerdings unabweislich. Dabei ist zugleich unverkennbar, daß eine
leichte Verschärfung eingetreten ist, eine leichte Vorbereitung auf Konsonanz sparsamerer Hauptlinien. Das
Material ist ein feiner Kalkstein („Baumberger?“), ähnlich wie bei den besten Lübecker Arbeiten, an die man
überhaupt erinnert wird. Nur ist in dem Engel zugleich eine wunderbare Fülle, besonders der verflochtenen
Lockengänge, die einen jedem Manierismus abholden, sehr westlichen Geschmack für das „Lebendige“ anzeigt.
Er findet sich ebenso in dem wohl gleichzeitigen Relief von der Ratskapelle im gleichen Kunstgewerbemuseum.
Und — an der Konsole der Maria in S. Kunibert. In dieser Kirche stehen vor dem Chore an zwei Pfeilern lebens-
große Figuren der Verkündigung einander gegenüber (Abb. 319/320). Wir kennen das Datum: Hermann von Arcken,
als Adorierender ganz klein unter der Madonna dargestellt, hat 1439 die Gruppe gestiftet. Keine Abbildung
vermag — ebenso wie bei dem Sebalder Christophorus in Nürnberg — die gewaltige Fülle des Volumens anzudeuten.
Namentlich die Madonna kommt in den bekannten Aufnahmen viel zu kurz. Es ist das großartige Gefühl für
W. Pinder, Die deutsche Plastik. 23
 
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