312
DER SÜDWESTEN
mögliche Weiterwirkung des Burkarder Werkes wäre vielleicht die Madonna von Höchberg (B.A. Würzburg,
Fig. 45). Hier ist die Schlingerung noch wilder geworden, die Figur freier gestreckt und herausgeblättert. Eine
noch etwas weiter entwickelte Verwandte in der Sulzfelder Pfarrkirche (Königshofen, Fig. 117. Dem schwäbischen
Typus Heggbach-Grüningen zu vergleichen). Die Würzburger Maria bezeugt sich gegenüber diesen tatsächlich
späteren Werken ganz anders als echtes Spätwerk doch noch der dunklen Zeit selber. Schließlich ist in ihr immer
noch der Block, wie ihn Kaschauer empfand, für sich mit Bewegung übergossen, jedoch noch nicht aufgeschlitzt
(wie dies der Kunst um 1480 typisch eigen ist). Der letzteren nähert sich chronologisch auch die Madonna von
Theilheim (B.A. Würzburg, Fig. 107; auf Mondsichel mit untergreifenden Engeln). Doch darf man diese als eine
Konsequenz im Mittel aus S. Burkard und Burgreppach ansehen. Es ist bezeichnend, daß bei Unterfranken die
,,barocke“ Abwandlung wesentlich nur durch hypothetische Rückschlüsse beleuchtet werden mußte. Das viel-
leicht vornehmste mainfränkische Werk der 60er Jahre eine Mater Dolorosa der Münchener kleinen Galerie.
(Wilm, Die got. Holzfigur, Taf. 100/101 „um 1510“; in Wahrheit aus der Zeit der Hohenburger Schmerzens-
mutter.)
Übrigens ist auch in der Steinplastik jenseits des Grabmals der Übergang von unserer Epoche zur nächsten
durch ein merkwürdig vereinzeltes Werk bezeichnet: es ist der Marientod des Würzburger Domes (Dehio-Bezold,
Denkm. d. d. Bildh.-K-, 15. Jahrh., Taf. 17). Eine gewisse Ähnlichkeit der allgemeinsten Komposition zeigt
freilich das Relief gleichen Themas in Gaukönigshofen (Ochsenfurt, Fig. 75). Doch könnte es womöglich eher
den Eindruck der vollrund gearbeiteten Würzburger Gruppe in schwacher und flacher Übersetzung (Rücküber-
setzung) wiedergeben. Mit der eigentümlich tektonischen Grabmalkunst „Strohmaiers“ hat dieses Werk gar nichts
zu tun. Die hart vor undurchdringlichem Kerne absplitternden Faltenprismen des Grumbach-Denkmals hat ein
ganz anderer Geist geformt. Der des Marientodes könnte rheinisch sein. Aus dem Stil des Frankfurter Maria-
Schlaf-Altares könnten sich diese eigentümlich weich-überschlingerten Gestalten herausverwandelt haben. Es
sind noch manche Einzelzüge, besonders in den Köpfen, die wie von dorther hinübergerettet erscheinen. Es ist
wie eine Erinnerung an „Burgundisches“ darin, etwas sehr Westliches jedenfalls. Der Konstanzer „Schnegg“
wird Gelegenheit geben, in den wahrscheinlichen Zusammenhang hineinzuleuchten. Nur der Johannes wirkt wie
eine Vorahnung Riemenschneiders — er könnte dem späteren Meister großen Eindruck gemacht haben. Sonst
in den terrakottahaft empfundenen, weich zusammengebackenen Köpfen noch vieles, das aus der Lebendigkeit
des weichen Stiles herüberzukommen scheint. Auf der Linie dieser Kunst scheint es keine protestlerische Re-
duktion gegeben zu haben — gerade dieses wirkt sogar nicht ganz deutsch, jedenfalls nicht innerdeutsch. In
Belgien würde dieser Stil kaum Verwunderung erregen. Das Ganze von einer unerhört reichen und sehr differen-
zierten Beseeltheit. (Wohl noch vor 1470.)
c) Der Südwesten.
Wir haben uns dem Rheine genähert. Das Aschaffenburger Gebiet ist bereits echter Mittel-
rhein. Hier am Mittelrhein spielt sich die Entwicklung fast dramatisch ab. Man blicke noch einmal
zur Bauplastik.
Die Stufe, die für Nürnberg die Figuren in S. Lorenz bedeuten, vertritt hier der Laurentius von Miltenberg
(Inv. Miltenberg, Fig. 192). Es ist „Johann-Brunn-Stil“, aber noch vereinfacht und massiver geworden. Die
innere Trübheit des Manierismus im steil thronenden Kopfe, in den schweren Vertikalrohren des Gewandblockes,
den Knickungen der Stauung mit dumpfer Massivität verbunden. Das Jahr 1456 wird vom Inventare nur ver-
mutet — nicht zwingend. Ein knieender König aus einer Anbetung der Aschaffenburger Stiftskirche, jetzt im
Lapidarium des Germ. Mus., ist nahe verwandt. Offenbar 40er Jahre. Durch Datum (1446) für diese gesichert
der hl. Amor von Amorsbrunn (Miltenberg, Fig. 71), ein Werk, das für den Heutigen unfreiwillige Komik besitzt.
Ländlich ebenfalls die Sitzmadonna von Neukirchen (ebda, Fig. 250). Daneben hat die Tonplastik versucht,
einen Teil ihrer alten Reize in den neuen Ernst zu retten. Der Ölberg des Mainzer Domes (Kautzsch, Der Mainzer
Dom I, 84) ein gutes Beispiel. Noch Erinnerungen an Lorch, aber doch Brechung und Längung. Ca. 1450.
Noch holder und sanfter das Verkündigungsaltärchen des Kölner Diöcesanmuseums. Blockhafter und manieristi-
scher zwei Stifterfiguren bei Schnitzler-Köln. Aber, was hier nur mühsam gestammelt wird oder schüchtern an-
gedeutet, offenbart sich als imposante Stilkraft in der Madonna von Kälberau (Alzenau, Fig. 60). Sie darf dadurch
schon besondere Bedeutung beanspruchen, daß sie offensichtlich eng mit einer neuerdings sehr in den Vordergrund
getretenen Figur zusammenhängt, die aus der Galerie Zerner in das Hamburger Museum gelangt ist: der Madonna
DER SÜDWESTEN
mögliche Weiterwirkung des Burkarder Werkes wäre vielleicht die Madonna von Höchberg (B.A. Würzburg,
Fig. 45). Hier ist die Schlingerung noch wilder geworden, die Figur freier gestreckt und herausgeblättert. Eine
noch etwas weiter entwickelte Verwandte in der Sulzfelder Pfarrkirche (Königshofen, Fig. 117. Dem schwäbischen
Typus Heggbach-Grüningen zu vergleichen). Die Würzburger Maria bezeugt sich gegenüber diesen tatsächlich
späteren Werken ganz anders als echtes Spätwerk doch noch der dunklen Zeit selber. Schließlich ist in ihr immer
noch der Block, wie ihn Kaschauer empfand, für sich mit Bewegung übergossen, jedoch noch nicht aufgeschlitzt
(wie dies der Kunst um 1480 typisch eigen ist). Der letzteren nähert sich chronologisch auch die Madonna von
Theilheim (B.A. Würzburg, Fig. 107; auf Mondsichel mit untergreifenden Engeln). Doch darf man diese als eine
Konsequenz im Mittel aus S. Burkard und Burgreppach ansehen. Es ist bezeichnend, daß bei Unterfranken die
,,barocke“ Abwandlung wesentlich nur durch hypothetische Rückschlüsse beleuchtet werden mußte. Das viel-
leicht vornehmste mainfränkische Werk der 60er Jahre eine Mater Dolorosa der Münchener kleinen Galerie.
(Wilm, Die got. Holzfigur, Taf. 100/101 „um 1510“; in Wahrheit aus der Zeit der Hohenburger Schmerzens-
mutter.)
Übrigens ist auch in der Steinplastik jenseits des Grabmals der Übergang von unserer Epoche zur nächsten
durch ein merkwürdig vereinzeltes Werk bezeichnet: es ist der Marientod des Würzburger Domes (Dehio-Bezold,
Denkm. d. d. Bildh.-K-, 15. Jahrh., Taf. 17). Eine gewisse Ähnlichkeit der allgemeinsten Komposition zeigt
freilich das Relief gleichen Themas in Gaukönigshofen (Ochsenfurt, Fig. 75). Doch könnte es womöglich eher
den Eindruck der vollrund gearbeiteten Würzburger Gruppe in schwacher und flacher Übersetzung (Rücküber-
setzung) wiedergeben. Mit der eigentümlich tektonischen Grabmalkunst „Strohmaiers“ hat dieses Werk gar nichts
zu tun. Die hart vor undurchdringlichem Kerne absplitternden Faltenprismen des Grumbach-Denkmals hat ein
ganz anderer Geist geformt. Der des Marientodes könnte rheinisch sein. Aus dem Stil des Frankfurter Maria-
Schlaf-Altares könnten sich diese eigentümlich weich-überschlingerten Gestalten herausverwandelt haben. Es
sind noch manche Einzelzüge, besonders in den Köpfen, die wie von dorther hinübergerettet erscheinen. Es ist
wie eine Erinnerung an „Burgundisches“ darin, etwas sehr Westliches jedenfalls. Der Konstanzer „Schnegg“
wird Gelegenheit geben, in den wahrscheinlichen Zusammenhang hineinzuleuchten. Nur der Johannes wirkt wie
eine Vorahnung Riemenschneiders — er könnte dem späteren Meister großen Eindruck gemacht haben. Sonst
in den terrakottahaft empfundenen, weich zusammengebackenen Köpfen noch vieles, das aus der Lebendigkeit
des weichen Stiles herüberzukommen scheint. Auf der Linie dieser Kunst scheint es keine protestlerische Re-
duktion gegeben zu haben — gerade dieses wirkt sogar nicht ganz deutsch, jedenfalls nicht innerdeutsch. In
Belgien würde dieser Stil kaum Verwunderung erregen. Das Ganze von einer unerhört reichen und sehr differen-
zierten Beseeltheit. (Wohl noch vor 1470.)
c) Der Südwesten.
Wir haben uns dem Rheine genähert. Das Aschaffenburger Gebiet ist bereits echter Mittel-
rhein. Hier am Mittelrhein spielt sich die Entwicklung fast dramatisch ab. Man blicke noch einmal
zur Bauplastik.
Die Stufe, die für Nürnberg die Figuren in S. Lorenz bedeuten, vertritt hier der Laurentius von Miltenberg
(Inv. Miltenberg, Fig. 192). Es ist „Johann-Brunn-Stil“, aber noch vereinfacht und massiver geworden. Die
innere Trübheit des Manierismus im steil thronenden Kopfe, in den schweren Vertikalrohren des Gewandblockes,
den Knickungen der Stauung mit dumpfer Massivität verbunden. Das Jahr 1456 wird vom Inventare nur ver-
mutet — nicht zwingend. Ein knieender König aus einer Anbetung der Aschaffenburger Stiftskirche, jetzt im
Lapidarium des Germ. Mus., ist nahe verwandt. Offenbar 40er Jahre. Durch Datum (1446) für diese gesichert
der hl. Amor von Amorsbrunn (Miltenberg, Fig. 71), ein Werk, das für den Heutigen unfreiwillige Komik besitzt.
Ländlich ebenfalls die Sitzmadonna von Neukirchen (ebda, Fig. 250). Daneben hat die Tonplastik versucht,
einen Teil ihrer alten Reize in den neuen Ernst zu retten. Der Ölberg des Mainzer Domes (Kautzsch, Der Mainzer
Dom I, 84) ein gutes Beispiel. Noch Erinnerungen an Lorch, aber doch Brechung und Längung. Ca. 1450.
Noch holder und sanfter das Verkündigungsaltärchen des Kölner Diöcesanmuseums. Blockhafter und manieristi-
scher zwei Stifterfiguren bei Schnitzler-Köln. Aber, was hier nur mühsam gestammelt wird oder schüchtern an-
gedeutet, offenbart sich als imposante Stilkraft in der Madonna von Kälberau (Alzenau, Fig. 60). Sie darf dadurch
schon besondere Bedeutung beanspruchen, daß sie offensichtlich eng mit einer neuerdings sehr in den Vordergrund
getretenen Figur zusammenhängt, die aus der Galerie Zerner in das Hamburger Museum gelangt ist: der Madonna