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Pinder, Wilhelm
Die deutsche Plastik: vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende der Renaissance (Band [2] (Pind,2,2)): Die deutsche Plastik der Hochrenaissance — Wildpark-Potsdam: Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.55160#0122
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352

NORDOSTDEUTSCHE PLASTIK DUNKLER ZEIT. LÜBECK


336. Bischof aus Freiberg, Dresden.

des Schles. Mus., besser als Peter und Paul (Wiese, Abb. 125), scheint Süd-
östliches, Passauer und Österreichische Art, vorauszusetzen. Der Hierony-
mus von der Westvorhalle des Breslauer Domes (ebda 102) eher 1440 als
1400 anzusetzen. Der große Christophorus an der Breslauer Christophori-
Kirche außen trägt das erneuerte Datum 1462, das wohl richtig sein kann.
Die Einzelformen noch immer weicher Stil, aber im ganzen doch eine
neue, gotischere Proportion und ein Kopf von nicht unbedeutender Kraft.
f) Der Nordosten
Für Lübeck fehlt es weder an Namen noch an Werken. Struck (Ma-
terialien z. Lüb. Kunstgesch. 1926) führte, im Anschluß an Meinander, den
Hans von dem Hagen neu ein. 1445 ließ Hinrick Havemann (Lübeck) von
jenem den Altar für Nudendahle (Finnland) arbeiten, auch einen für den
Dom von Abo. Der erstere offenbar erhalten (Struck, Abb. 57). Es folgen
Hans Hesse und Johann Stenrat. Sie lieferten 1459 den Brigittenschrein
für Vadstena in Schweden. Das Verdienst der archivalischen Aufdeckung
gebührt Cornill, das der ersten Veröffentlichung Lindblom (vgl. Struck,
ferner Heise, Lüb. PL, Abb. 37, 38). Lehrreich der Vergleich der Brigitte in
diesem Schreine mit der älteren (Abb. 218). Der individuationsfeindliche
Charakter der dunklen Zeit hat auch das großartig Visionäre ausgetrieben.
Eine still repräsentative, länglich gestreckte Gestalt. Die Parallelen ge-
häuft, also manieristischere Züge. Stenrat ist auch 1471 am Altar von
Balinge bezeugt, der erhalten ist (Heise, Abb. 39, Struck, Abb. 71—74).
Hier scheint nun doch ein nicht geringes Niveau an Feinheit erreicht,
eine Kombination langer Linie und eines feinen, wieder gotischen Ethos
mit den Faltenkachelungen, den blitzhaft abspellenden Brüchen, wie sie
die Romer-Grabmäler in Würzburg zeigten. Wie meist, so auch hier nicht
völlig sicher, daß Stenrat überhaupt Plastiker war. Aber der Name muß
zunächst auch die Plastik der von ihm gelieferten Altäre decken. Der hl.
Olaf des Lüb. Mus. (vielleicht vom Giebel des Bergenfahrerhauses, 1471)
Stenrat immerhin nahe. Der Widerspruch von Paatz steht und fällt mit
der Frage, ob ein 1489, nach Stenrats Tode also, datierter Kruzifixus der
Lüb. Katharinen-K. (Heise, Abb. 41) wirklich vom Olaf-Meister ist. Mehr
als allgemeine Stil-, vielleicht also Schulverwandtschaft bisher kaum ge-
sichert. Der wichtigste Meister der späten dunklen Zeit ist zweifellos
jener „der lübischen Stein-Madonnen“ (Paatz, Jahrb. d. Pr. K.-Slg. 1926,
S. 168ff.). Paatz bestätigt, was auch der Verf. längst gesehen hatte; die
Stein-Madonna des Lübecker nördlichen Domquerschiffes (Abb. 333) ist
noch dunkle Zeit, nicht „um 1500“! Der Verf. glaubt immer noch, daß sie
über Rheine mit Westfalen zuammenhängt. Das widerspräche nicht völlig

der letzten Ableitung des Stiles aus den Niederlanden, die Paatz versucht hat. Es hat die ganze Verkennung
unserer wichtigen Epoche dazu gehört, die richtige Datierung so lange fernzuhalten. Etwa zwischen Kaschauer
und Nikolaus Gerhart! Paatz fand eine zweite Stein-Madonna in der Hamburger Petri-Kirche (Paatz,
Abb. 8). Auch das von Albert Bischop gestiftete Retabulum des Lübecker Domes (Paatz, Abb. 3), schon 1459
erwähnt, gehört unserem Meister, der schon durch sein Material eine Sonderstellung einnimmt. Den Antonius
der Marienkirche, bei dem Paatz besonders an Tournay, damit schließlich an Rogher van der Weiden erinnert
wird (Paatz, Abb. 2, 1), möchte man wenigstens der Werkstatt lassen. Daß ähnlicher Stil 1452 an den Bronze-
beischlägen des Lübecker Rathauses deutlich vorkommt, gibt einen Anhalt für die Datierung. Sehr proble-
matisch aber ist das Verhältnis zu der „schönen Maria von 1509“ im Lübecker Dome. Nach Paatz ein spätestes
Altarswerk, erscheint sie dem Verf. mehr als ein Nachklang in fremdem, schwächerem Geiste. Schon im Reseschen
Triptychon von 1499 (dem „Imperialissima-Meister“ nahestehend) ist übrigens die Grundform dieser zehn Jahre
späteren Madonna als bekannt vorausgesetzt! Die wunderschöne Maria von Vadstena, deren niederrheinisch-
niederländische Grundform fast ganz aus Lübeck fortweist, scheint dem Verf. nicht leicht einzuordnen, gilt
aber bei den Spezialisten als nicht schwedisch und sicher norddeutsch, wahrscheinlich lübisch. — Bei V. C.
 
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