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Breternitz, Patrick; Universität zu Köln [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 12): Königtum und Recht nach dem Dynastiewechsel: das Königskapitular Pippins des Jüngeren — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.74404#0086
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3.2 Zölle im Königskapitular

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Et de peregrinos similiter constituimus qui propter Deum ad Romam vel
alicubi vadunt, ut ipsos per nullam occasionem ad pontes vel ad exclusas aut
navigio non deteneatis, nee propter scrippa sua ullo peregrino calumpniam
faciatis, nee ullum theloneum eis tollatis.
Et si aliquis hoc fecerit, qualiscumque homo hoc comprobaverit, de EX solidis
triginta illi concedimus, et illi alii in sacello regis veniant. 145
Die drei Sätze behandeln nicht das Thema Zölle an sich. Vielmehr geht es um das
Verbot der Zollerhebung unter bestimmten Voraussetzungen und die Sanktio-
nierung von Zuwiderhandlungen. In den Kapitularien Pippins tauchen die Zölle
noch an einer anderen Stelle auf. Neben dem Königskapitular finden sie auch in
Pippins Bestätigung des Konzils von Ver 755 Erwähnung.146 Auch in Kapitula-
rien anderer Herrscher werden Zölle behandelt.147
Das fragmentarische und undeutliche Hintergrundwissen über die Zölle im
8. Jahrhundert erschwert das Verständnis der Zollregelungen im Königskapi-
tular ungemein. So verwundert es kaum, dass ihre Auslegung in der Forschung
umstritten ist. Nicht nur Details werden kontrovers interpretiert, auch der Ge-
samtaufbau des Kapitels wird diskutiert. Strittig ist vor allem die Frage, ob das
Zollkapitel vor der Sanktionierung eine oder zwei Regelungen anordnet. Die
Interpretation des Kapitels erfordert also zunächst einige Vorüberlegungen zum
Textverständnis.
3.2.1 Keine Zölle auf Waren ohne Handelsabsicht
Das Verständnis des ersten Satzes wird vor allem dadurch bedingt, ob der zweite
Satz als Spezifizierung des ersten Satzes verstanden wird oder ob beide Sätze als
zwei selbstständige Regelungen aufgefasst werden. Harald Siems stellte die
These auf, dass Pilger die typischen Reisenden im Mittelalter gewesen seien und
sie im zweiten Satz direkt erwähnt worden seien, weil sie die geläufige Er-
scheinung des ohne Waren Reisenden gewesen seien.148 Zwei Argumente spre-
chen jedoch gegen Siems' Überlegungen. Erstens waren Pilger mitnichten die
einzigen Reisenden ohne Handelsabsicht im Mittelalter. Mit Missionaren,
Amtsträgern und Kriegern ließe sich die Liste leicht fortsetzen. Zweitens spre-
chen das Wort similiter und mit constituimus ein erneutes Verb des Anordnens
dafür, dass hier eine zweite Regelung neben die erste gestellt werden soll.149 Es
handelt sich also um zwei nebeneinander stehende Regelungen, das heißt die
erste Regelung behandelt keine Pilger.
Textkritisch ist im ersten Satz allein das Wort carralia interessant, das in nur
einer Handschrift überliefert ist, während die anderen Handschriften carnalia

145 Pippini regis capitulare c. 4, in: MGH Capit. 1, Nr. 13, S. 32 Z. 5-11.

146 Vgl. unten Kap. 3.3.

147 Vgl. die Übersicht bei Mischke, Kapitularienrecht, S. 100-116.

148 Vgl. Siems, Handel, S. 456f.

149 Dass es sich bei dem et um ein sogenanntes et explicativum handelt, ist also auszuschließen.
 
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