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Albert, Peter P.; Beyerle, Konrad [Hrsg.]
Die Kultur der Abtei Reichenau: Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters 724-1924 (1. Halbband) — München: Verlag der Muenchner Drucke, 1925

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Beyerle, Konrad: Vorwort
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https://doi.org/10.11588/diglit.61010#0018
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VIII

V orwort

Insel Reichenau zieht Jahr um Jahr naturfrohe
und kulturdürstende Menschenkinder in ihren Zau-
berbann und entläßt sie beglückt im Herzen und
erhoben im Geiste. Ihnen allen möchte dieses
Erinnerungswerk Führer sein zu vertieftem Ge-
nuß einer einzigartigen, auf engem Raum des
köstlichen Bodenseeilandes sich drängenden Ver-
mählung von Natur, von Geschichte und Kunst.
Aber nicht nur ein Heimatbuch sollte es wer-
den. D as Wort Reichenau hat einen hellen Klang
überall, wo man der Pflanzstätten der christ-
lichen Kultur und der Anfänge der Kunst in
Deutschland innerhalb und außerhalb der deutschen
Gaue gedenkt. Ja, der Glanz des Namens Rei-
chenau hat in den letzten Jahrzehnten durch epo-
chemachende Monumentalfunde und Forschungs-
ergebnisse an Leuchtkraft zugenommen. Und doch
fehlte bisher eines: die Synthese, welche aus
allen Entdeckungen und Einzeluntersuchungen em
Gesamtbild dessen darbietet, was Kultur der
Abtei Reichenau genannt werden darf.
Statt einer Gelegenheitsschrift ist em Dokument
von bleibendem Charakter geschaffen worden.
Ein besonderer Anlaß diente der Förderung all-
gemeiner Erkenntnis. Das Fehlen einer Geschichte
des Klosters Reichenau und seines Kulturerbes
wird seit langem als Lücke schmerzlich emp-
funden. Die Fülle der alterarbeiteten und der
neuerschlossenen Zusammenhänge, die auf den
Blättern dieses Werkes vereinigt sind, zeigt zur
Genüge, wie tief diese Lücke klaffte.
„Eine Geschichte der Reichenau ist em gutes
Stück der deutschen Kultur-, Literatur- und
Kunstgeschichte. Ihre Darstellung würde unfrag-
lich das glänzendste Bild aus dem geistigen Leben
des Mittelalters am Oberrhein liefern.“ Mit die-
sem kulturgeschichtlichen Werturteil ging die
Badische Historische Kommission im Jahre 1883
an ihre Arbeit. Die Reichenauforschung konnte
schon damals auf weite Wegstrecken zurück-
blicken. Zunächst hatte die literarische Hinter-

lassenschaft der Abtei die Gelehrten angezogen.
Das Zeitalter der Renaissance empfand die Dich-
tungen Walahfrid Strabos als Ausflüsse eines
kongenialen Geistes. Humanisten beider Kon-
fessionen haben sich mit ihm beschäftigt; hier
Vadian, dort Trithemius, später der jün-
gere Canisius und der Calvinist Basnage.
Die Weltchronik Hermann d. L. interessierten
Sichardt, Goldast und andere schwäbi-
sche Historiker, wie B u z e 1 i n und W e g e 1 i n.
Mit dem Reichenauer Prior Lazarus Lipp und
seinem Nachfolger Johannes Egon begann im
Konvent der Reichenau selbst im 17. Jht. eine
rege, wenn auch nicht sehr kritische Forscher-
tätigkeit, die sich über em Jahrhundert fortsetzte
und in das Annalenwerk von P. J. Stahel und
in die Streitschriften aus dem Selbständigkeits-
kampfe der Reichenauer Mönche gegen das Fürst-
bistum Konstanz ausmündete. Der Melker Bib-
liothekar P. B. Pez gab in seinem Thesaurus
anecdotorum Egons Schrift über die berühmten
Männer der Reichenau heraus, brachte aber auch
alte Reichenauer Quellen darin zum Abdruck.
Die Handschriftenschätze des Klosters lockten
die Bahnbrecher auf dem Gebiete der Ordens-
geschichte, der Hagiographie und der Liturgie
an, so den großen Franzosen J. Mabillon und
später den gelehrten Abt G erber t von St. Bla-
sien, der auf seinem Iter Alemanmcum die Rei-
chenau besuchte und die Handschriften katalogi-
sierte. Abt Gerbert hat zuerst die Bedeutung der
Reichenau für Liturgie und Musik erkannt. Der
Rheinauer Benediktiner P. M. Hohenbaum
van der Meer, hat schon im 18. Jht. einige
Blätter des Reichenauer Verbrüderungsbuches im
Faksimile bekannt gegeben, der Sanktblasianer
P. Trudp ert N e u g a r t in seine Geschichte des
Bistums Konstanz eine erste Schilderung der
Bibliothek und Schule der Reichenau und ihrer
Männer verflochten.
Das 19. Jht. zerstörte zunächst mehr, als daß es
 
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