Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Albert, Peter P.; Beyerle, Konrad [Editor]
Die Kultur der Abtei Reichenau: Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters 724-1924 (1. Halbband) — München: Verlag der Muenchner Drucke, 1925

DOI chapter:
Vorgeschichte und Klostergründung
DOI article:
Schmidle, Wilhelm: Geologie und Vorgeschichte
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61010#0034
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
4

W. Schmidle

gesprochen ein junges Gebilde und nicht älter als
der letzte Gletscher, der ihren Boden erzeugte.
Und alle Formen der glazialen Aufschüttung
finden wir. Die drei rebenbedeckten Hügel, welche
zwischen Ober- und Mittelzell den Kern der Insel
bilden, und von welchen die Hohwart am stolze-
sten hervorragt, bestehen aus Moräne. Es ist em
unreiner Lehm, der regellos mit vielen großen und
kleinen Gesteinen der Alpen untermischt ist, dar-
unter viele mit Gletscherschrammen. Sie wurden
ernst am Grunde des Rheingletschers in den brei-
igen Schlamm emgeknetet, der den Gletscher-
boden bedeckte. Und zuletzt wurde das Ganze,
als die Masse trockener war, von dem weiter vor-
rückenden Gletscher, vielleicht sogar erst von einem
späteren, zu den drei rebenbedeckten Hügeln auf-
gestaucht und abgeschliffen. Drumlin nennt
sie der Geologe, nach einem irischen Wort, das
Hügel bedeutet. Denn sie befinden sich überall
im Gebiete der großen, eiszeitlichen Gletscher, m
Irland und Nordamerika ebensogut als am Boden-
see. Stets sind sie in der Richtung der Gletscher-
bewegung m die Länge gezogen und liegen in
großer Zahl regellos beieinander. Drüben am
Bodanrücken finden wir ihre Kameraden.
Und wie dort liegen auch hier zwischen den Hügeln
über der Drumlinmoräne wohlgeschichtete
Kiese. Alle höheren Lagen mit ihren Fruchtfel-
dern, Obstgärten und Reben bestehen daraus. Sie
wurden ernst von einem Flusse hergeführt; in kräf-
tiger Strömung brachte er schweres Geröll, in
trägem Laufe feine Sande. Ja selbst die Fluß-
richtung kann man aus der Lagerung der Gesteine
und der Neigung der Schichten noch erkennen. Er
floß aus dem Steiner Seetal heraus, dort, wo sich
jetzt der Untersee in schmalem Arme bis zum
alten Städtchen Stein erstreckt, und baute sein
Delta in einen alten See hinaus, dessen Spiegel
etwa 40 m über dem heutigen Untersee lag.
Ganz anders muß also die Gegend ausgesehen
haben. Und immer weiter schob sich das Delta m

den See vor, so daß zuletzt der ganze See von
unserem Flusse und von anderen, die in ihn mün-
deten, zugeschüttet wurde. Eine weite Kiesebene
dehnte sich dann im Gebiete des heutigen Unter-
sees aus.
Über ihren Kiesen liegt nun an vielen Stellen,
namentlich in den höheren Lagen, eine zweite
Moräne. Sie erreicht nie die Dicke der Drumlin-
moräne, fehlt häufig und ist dann durch große
Findlinge ersetzt, welche die Reichenauer gern
an den Wegen ihrer Insel als Zeichen einstiger
Gletscherbedeckung zur Schau stellen. Mit ihr
endet die Reihe der eiszeitlichen Ablagerungen,
und die Verwitterung der heutigen Zeit setzt ein.
Em tiefer Brunnenschacht, welcher vor vielen
Jahren beim Schlosse Königsacker gegraben wurde,
zeigt ihre Aufeinanderfolge aufs beste. Man
durchgrub dort:
1. verwitterten Boden 2 m,
2. gelbe Moräne mit großen Blöcken 3 m,
3. Kiese mit starker Wasserführung 20 m,
4. blaue und gelbe Moräne mit viel Kies.
Was sagt nun diese Folge? Wenn wir bedenken,
daß stets die jüngere Ablagerung auf der älteren
ruhen muß, so lesen wir folgende Ereignisse ab:
Zuerst war em Gletscher an der Stelle unseres
lieblichen Eilandes, dann em See, der von alten,
heute verschwundenen Flüssen verschüttet wurde;
über die entstandene Aufschüttungsebene wälzte
sich nochmals das Eis, es schmolz ab, dann
setzte in den höheren Teilen der Insel die
Verwitterung em, die noch heute andauert.
Kein neuer Gletscher hat also die hiesige
Gegend wieder erreicht. Die oberste Mo-
räne muß deshalb der letzten der vier Gletscher-
bedeckungen zugerechnet werden, die Penck und
Brückner für das Alpengebiet feststellten, dem
sog. ,Würmgletscher'; sein Eis reichte bis
Schaffhausen, Engen und Pfullendorf. Die vor-
ausgehende eisfreie Zeit, in welcher der See ent-
stand und wieder verschüttet wurde, gehört somit
 
Annotationen