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K. Brandi
künde und den sonstigen älteren Geschichtsquellen
besteht nur in bezug auf die maßgebenden aleman-
nischen Großen. Der Name des Sintleoz ist über-
all nur in der Inselbezeichnung enthalten; die
älteste Überlieferung kennt keine Beteiligung dieses
Mannes an der Klostergründung. Dagegen er-
scheint überall, bei Hermann dem Lahmen, m
dem Leben Meginhards wie in unserer Urkunde
der Graf Bertold. Er entstammte einer auch sonst
genugsam bekannten ausgesprochen kirchlichen
Familie in der Bertoldsbaar an der oberen Donau;
den Namen hat unveränderte Dankbarkeit auch
im Reichenauer Verbrüderungsbuch verewigt.
Anders steht es um den Herzog Lantfrid, er
starb 730, wie sein Vater Gotfrid 710. Wir ken-
nen ihn als den gewaltigen Herzog der Ale-
mannen, unter dem das alemannische Gesetz seine
letzte einheitliche Redaktion erhielt. Wir kennen
ihn auch als Gegner Karl Martells, — einmal
unterworfen und dann doch wieder empört. Im
Reichenauer Verbrüderungsbuch steht er an her-
vorragender Stelle. Der Reihe der Hausmeier,
Könige und Königinnen aus karolingischem Ge-
schlecht folgt als erster Lantfrid; nochmals
eröffnet er als Lantfndus dux eine neue Reihe
von hohen Wohltätern mit Herzog Tassilo, Hil-
trud und anderen, denen in gemessenem Abstand
Grafen wie Pepo, Petto, Chanchur und Nebi fol-
gen. Der Name Lantfrid wird also gerade von
der ältesten und insofern besten Überlieferung
getragen. Karl Martell konnte ihn zu wirksamer
Unterstützung des Bischofs Pirmmius gar nicht
umgehen; so steht er in unserer Urkunde auch an
erster Stelle. Die jüngere Reichenauer Überliefe-
rung hat ihn vergessen oder vergessen wollen. Sem
Haus war den Karolingern schließlich doch wie-
der tief feindselig und ist in diesem Gegensatz
untergegangen. Die bei Hermann dem Lahmen
erhaltenen alten Annalen haben ihn unterdrückt;
nichts also, was unsere Urkunde so sehr stützte,
wie dieser Tatbestand.
Aber wen hat die jüngere Überlieferung an seine
Stelle gesetzt? Nebi, jenen Zeitgenossen Pir-
mins, der umgekehrt nicht nur nicht zu den Gegnern,
sondern geradezu zu den Ahnen der späteren
Karolinger gehörte. Thegan, der Biograph Lud-
wigs des Frommen, bewahrt die Vorfahren von
Ludwigs Mutter Hildegard: ,Herzog Gotfrid von
Alemanmen zeugte den Huochmg, Huoching zeugte
Nebi, Nebi zeugte Imma, Imma aber Hiltigard,
die in Gott ruhende Königin/ Von diesem Nebi
wissen auch die Wundergeschichten des hl. Gallus
zu berichten, daß er die Brüder von St. Gallen an
Karl Martell gewiesen habe. So kann sein Name
in die ohnehin sicher irgendwo durch sankt-
gallische Hände hindurchgegangene Reichenauer
Überlieferung Hermanns des Lahmen hmeinge-
kommen sein.
Damit schließt und rundet sich alles aufs beste
zusammen. Unter den geistigen Vätern des Schwa-
benlandes, besonders der Lande um den See,
bleibt also einer der bestbekannten jener Pilger
und Prediger Pirmmius, dessen organisatorische
Begabung in mehrfachen Klostergründungen und
Beziehungen zu den fränkischen Herrschern zum
Ausdruck kommt, dessen geistliche Richtung wir
aus seiner Predigt kennen, während eben jener
fränkisch-alemannische Gegensatz gerade auf der
Reichenau seiner Wirksamkeit nach knapp drei
Jahren ein frühes Ziel setzte. Aber so kräftig war
doch seine Pflanzung, daß sie nicht nur die Jahr-
hunderte überdauerte, sondern schon in den näch-
sten Menschenaltern trotz der offenbaren Schwie-
rigkeiten eine frühe staunenswerte Blüte erreichte.
LITERATUR:
K. Brandi: Die Reichenauer Urkundenfälschungen (Quellen und
Forschungen zur Geschichte der Abtei Reichenau, I), Heidelberg
1890, bes. Exkurs I über den Stiftungsbrief (Zustimmung von Julien
Havet, Bibi, de 1 ecole des chartes 51, 690 f. W. Wattenbach, Deutsche
Lit.-Ztg. 1891, 502. P. Kehr, Hist. Zeitschr. 1892, 537. P.
Joachimsen, Hist. Jahrb. 1893, 854 ff.). Außerdem die Dieta abbatis
Pirminii, herausgeg. v. C. P. Caspari: Kirchenhistorische Anec-
dota (1883). E. Egli: Theol. Zeitschrift aus der Schweiz, IX
(1892), 1, 133, 153 f.
K. Brandi
künde und den sonstigen älteren Geschichtsquellen
besteht nur in bezug auf die maßgebenden aleman-
nischen Großen. Der Name des Sintleoz ist über-
all nur in der Inselbezeichnung enthalten; die
älteste Überlieferung kennt keine Beteiligung dieses
Mannes an der Klostergründung. Dagegen er-
scheint überall, bei Hermann dem Lahmen, m
dem Leben Meginhards wie in unserer Urkunde
der Graf Bertold. Er entstammte einer auch sonst
genugsam bekannten ausgesprochen kirchlichen
Familie in der Bertoldsbaar an der oberen Donau;
den Namen hat unveränderte Dankbarkeit auch
im Reichenauer Verbrüderungsbuch verewigt.
Anders steht es um den Herzog Lantfrid, er
starb 730, wie sein Vater Gotfrid 710. Wir ken-
nen ihn als den gewaltigen Herzog der Ale-
mannen, unter dem das alemannische Gesetz seine
letzte einheitliche Redaktion erhielt. Wir kennen
ihn auch als Gegner Karl Martells, — einmal
unterworfen und dann doch wieder empört. Im
Reichenauer Verbrüderungsbuch steht er an her-
vorragender Stelle. Der Reihe der Hausmeier,
Könige und Königinnen aus karolingischem Ge-
schlecht folgt als erster Lantfrid; nochmals
eröffnet er als Lantfndus dux eine neue Reihe
von hohen Wohltätern mit Herzog Tassilo, Hil-
trud und anderen, denen in gemessenem Abstand
Grafen wie Pepo, Petto, Chanchur und Nebi fol-
gen. Der Name Lantfrid wird also gerade von
der ältesten und insofern besten Überlieferung
getragen. Karl Martell konnte ihn zu wirksamer
Unterstützung des Bischofs Pirmmius gar nicht
umgehen; so steht er in unserer Urkunde auch an
erster Stelle. Die jüngere Reichenauer Überliefe-
rung hat ihn vergessen oder vergessen wollen. Sem
Haus war den Karolingern schließlich doch wie-
der tief feindselig und ist in diesem Gegensatz
untergegangen. Die bei Hermann dem Lahmen
erhaltenen alten Annalen haben ihn unterdrückt;
nichts also, was unsere Urkunde so sehr stützte,
wie dieser Tatbestand.
Aber wen hat die jüngere Überlieferung an seine
Stelle gesetzt? Nebi, jenen Zeitgenossen Pir-
mins, der umgekehrt nicht nur nicht zu den Gegnern,
sondern geradezu zu den Ahnen der späteren
Karolinger gehörte. Thegan, der Biograph Lud-
wigs des Frommen, bewahrt die Vorfahren von
Ludwigs Mutter Hildegard: ,Herzog Gotfrid von
Alemanmen zeugte den Huochmg, Huoching zeugte
Nebi, Nebi zeugte Imma, Imma aber Hiltigard,
die in Gott ruhende Königin/ Von diesem Nebi
wissen auch die Wundergeschichten des hl. Gallus
zu berichten, daß er die Brüder von St. Gallen an
Karl Martell gewiesen habe. So kann sein Name
in die ohnehin sicher irgendwo durch sankt-
gallische Hände hindurchgegangene Reichenauer
Überlieferung Hermanns des Lahmen hmeinge-
kommen sein.
Damit schließt und rundet sich alles aufs beste
zusammen. Unter den geistigen Vätern des Schwa-
benlandes, besonders der Lande um den See,
bleibt also einer der bestbekannten jener Pilger
und Prediger Pirmmius, dessen organisatorische
Begabung in mehrfachen Klostergründungen und
Beziehungen zu den fränkischen Herrschern zum
Ausdruck kommt, dessen geistliche Richtung wir
aus seiner Predigt kennen, während eben jener
fränkisch-alemannische Gegensatz gerade auf der
Reichenau seiner Wirksamkeit nach knapp drei
Jahren ein frühes Ziel setzte. Aber so kräftig war
doch seine Pflanzung, daß sie nicht nur die Jahr-
hunderte überdauerte, sondern schon in den näch-
sten Menschenaltern trotz der offenbaren Schwie-
rigkeiten eine frühe staunenswerte Blüte erreichte.
LITERATUR:
K. Brandi: Die Reichenauer Urkundenfälschungen (Quellen und
Forschungen zur Geschichte der Abtei Reichenau, I), Heidelberg
1890, bes. Exkurs I über den Stiftungsbrief (Zustimmung von Julien
Havet, Bibi, de 1 ecole des chartes 51, 690 f. W. Wattenbach, Deutsche
Lit.-Ztg. 1891, 502. P. Kehr, Hist. Zeitschr. 1892, 537. P.
Joachimsen, Hist. Jahrb. 1893, 854 ff.). Außerdem die Dieta abbatis
Pirminii, herausgeg. v. C. P. Caspari: Kirchenhistorische Anec-
dota (1883). E. Egli: Theol. Zeitschrift aus der Schweiz, IX
(1892), 1, 133, 153 f.