Die Gründung der Abtei Reichenau
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künde zusammen, so lautete der verlorene Brief,
die Geburtsurkunde der Abtei Rei-
chenau:
,Da die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur
das Lebensende zu fürchten hat, das in jäher
Wendung eintreten kann, so ist es nötig, daß
man nicht unvorbereitet, nicht ohne den Rück-
halt guter Werke aus dieser Zeitlichkeit scheide,
vielmehr bei Zeit und Macht sich den Weg
des Heils bereite, durch den man zur ewigen
Glückseligkeit gelangen möchte.
Darum Ich, der Hausmeier Karl [Pippins
Sohn], erlauchter Herr, an den Herzog
Lantfrid und an den Grafen Bertoald:
Wisse Eure Größe und Dienstwilligkeit, daß
der ehrwürdige Bischof P1 r m i n 1 u s mit seinen
wandernden Mönchen im Namen des Herrn
aus Gallien nach Alemanmen gekommen ist,
den wir freudigen Herzens in unsere Munt-
schaft genommen haben und den wir zum Woh-
nen die Sindleozesau genannte Insel ge-
schenkt haben und dazu aus dem Besitz unseres
Fiskus fünf Orte: Marcholfingas, Ala-
holf e spach, Caltaprunno, Uualamo-
tingas und Alahmontescurt mit allem
Zubehör, sowie am andern Rhemufer Ermo-
tingas, ebenso mit Zubehör, nebst 24 Leuten
im Thurgau, nämlich Radbert, Godwm, Leu-
dold, Nappo, Petto, Chuno, Uuicfrid, Justmus,
Uuitald, Baldger, Lantbert, Airfrid, Uuolf-
hart, Theoterich, Theotpret, Alfrid, Raduuin,
Ailidulf, Ermanold, Paldfnd, Etirich, Amal-
fnd, Landuuin, Uualdar, und ihre Nachkom-
men, samt ihren Abgaben, — damit er dort
ein Kloster zu Eh ren der Gottes-
mutter und der Apostel Petrus und
Paulus baue und die Benediktinerregel lehre.
Die Abgaben der Freien in jenen Orten, die
bis dahin unserem Fiskus zugefallen sind, so-
wohl an Friedensgeldern wie an Bannbußen
und sonst, sollen fortan von keiner richterlichen
Gewalt in Anspruch genommen werden, son-
dern ausschließlich zu Almosen für die Armen
und zum Lebensunterhalt der dort dienenden
Mönche auf alle Zeit verwandt werden.
Wir gebieten Euch, als unsere Diener, .den
ehrwürdigen Mann Pirmimus auf die genannte
Insel zu geleiten und ihm die genannten Orte
und Leute zu übereignen, damit dort, durch
uns und andere Fromme gefördert, das klöster-
liche Leben gedeihe.
Handzeichen des erlauchten Herrn Karl,
Major domus; Handzeichen des erlauchten
Herrn Karlmann, seines Sohnes; des er-
lauchten Herrn Pippin, seines Sohnes, und
des Pfalzgrafen Hucbert.
Ich, der Kanzler Caldedram, habe dies auf Be-
fehl des Herrn Karl geschrieben.
Geschehen in der Villa Joppilla,
am 25. April [724]/
Es bedarf keiner erneuten Feststellung, daß die
so aus formaler Kritik gewonnenen urkundlichen
Nachrichten auf das Beste passen zu dem, was
wir vorher aus anderen einwandfreien Nachrich-
ten erfahren haben. Das gefälschte Stück aber,
dem wir sie entnommen, findet der Leser hier im
Faksimile zu eigener Prüfung vor.
Zu einer Zeit, wo aufrichtiger oder nur erzwunge-
ner Friede herrschte zwischen dem karolingischen
Hausmeier und den Großen Alemanmens, ist im
Zusammenwirken beider der fränkischen Mission
und des herrschenden Hauses em neuer Stütz-
punkt auf der geschützten Insel des Untersees ge-
schaffen und das beginnende klösterliche Leben
durch eine bescheidene Ausstattung mit den Ort-
schaften, die zwischen Untersee und Überlinger-
see liegen, sowie mit dem der Reichenau gegen-
überliegenden Ermatingen geboten worden. Die
Namen sind zum Teil äußerst altertümlich; ebenso
die Formeln, mit denen die Urkunde ausgefertigt ist.
Em Zwiespalt zwischen den Angaben dieser Ur-
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künde zusammen, so lautete der verlorene Brief,
die Geburtsurkunde der Abtei Rei-
chenau:
,Da die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur
das Lebensende zu fürchten hat, das in jäher
Wendung eintreten kann, so ist es nötig, daß
man nicht unvorbereitet, nicht ohne den Rück-
halt guter Werke aus dieser Zeitlichkeit scheide,
vielmehr bei Zeit und Macht sich den Weg
des Heils bereite, durch den man zur ewigen
Glückseligkeit gelangen möchte.
Darum Ich, der Hausmeier Karl [Pippins
Sohn], erlauchter Herr, an den Herzog
Lantfrid und an den Grafen Bertoald:
Wisse Eure Größe und Dienstwilligkeit, daß
der ehrwürdige Bischof P1 r m i n 1 u s mit seinen
wandernden Mönchen im Namen des Herrn
aus Gallien nach Alemanmen gekommen ist,
den wir freudigen Herzens in unsere Munt-
schaft genommen haben und den wir zum Woh-
nen die Sindleozesau genannte Insel ge-
schenkt haben und dazu aus dem Besitz unseres
Fiskus fünf Orte: Marcholfingas, Ala-
holf e spach, Caltaprunno, Uualamo-
tingas und Alahmontescurt mit allem
Zubehör, sowie am andern Rhemufer Ermo-
tingas, ebenso mit Zubehör, nebst 24 Leuten
im Thurgau, nämlich Radbert, Godwm, Leu-
dold, Nappo, Petto, Chuno, Uuicfrid, Justmus,
Uuitald, Baldger, Lantbert, Airfrid, Uuolf-
hart, Theoterich, Theotpret, Alfrid, Raduuin,
Ailidulf, Ermanold, Paldfnd, Etirich, Amal-
fnd, Landuuin, Uualdar, und ihre Nachkom-
men, samt ihren Abgaben, — damit er dort
ein Kloster zu Eh ren der Gottes-
mutter und der Apostel Petrus und
Paulus baue und die Benediktinerregel lehre.
Die Abgaben der Freien in jenen Orten, die
bis dahin unserem Fiskus zugefallen sind, so-
wohl an Friedensgeldern wie an Bannbußen
und sonst, sollen fortan von keiner richterlichen
Gewalt in Anspruch genommen werden, son-
dern ausschließlich zu Almosen für die Armen
und zum Lebensunterhalt der dort dienenden
Mönche auf alle Zeit verwandt werden.
Wir gebieten Euch, als unsere Diener, .den
ehrwürdigen Mann Pirmimus auf die genannte
Insel zu geleiten und ihm die genannten Orte
und Leute zu übereignen, damit dort, durch
uns und andere Fromme gefördert, das klöster-
liche Leben gedeihe.
Handzeichen des erlauchten Herrn Karl,
Major domus; Handzeichen des erlauchten
Herrn Karlmann, seines Sohnes; des er-
lauchten Herrn Pippin, seines Sohnes, und
des Pfalzgrafen Hucbert.
Ich, der Kanzler Caldedram, habe dies auf Be-
fehl des Herrn Karl geschrieben.
Geschehen in der Villa Joppilla,
am 25. April [724]/
Es bedarf keiner erneuten Feststellung, daß die
so aus formaler Kritik gewonnenen urkundlichen
Nachrichten auf das Beste passen zu dem, was
wir vorher aus anderen einwandfreien Nachrich-
ten erfahren haben. Das gefälschte Stück aber,
dem wir sie entnommen, findet der Leser hier im
Faksimile zu eigener Prüfung vor.
Zu einer Zeit, wo aufrichtiger oder nur erzwunge-
ner Friede herrschte zwischen dem karolingischen
Hausmeier und den Großen Alemanmens, ist im
Zusammenwirken beider der fränkischen Mission
und des herrschenden Hauses em neuer Stütz-
punkt auf der geschützten Insel des Untersees ge-
schaffen und das beginnende klösterliche Leben
durch eine bescheidene Ausstattung mit den Ort-
schaften, die zwischen Untersee und Überlinger-
see liegen, sowie mit dem der Reichenau gegen-
überliegenden Ermatingen geboten worden. Die
Namen sind zum Teil äußerst altertümlich; ebenso
die Formeln, mit denen die Urkunde ausgefertigt ist.
Em Zwiespalt zwischen den Angaben dieser Ur-