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A. Schulte
nur aufrollen und bewältigen durch die geduldige
Bearbeitung einer großen Zahl von kirchlichen
Institutionen. Heute gilt es zu dem Anfangs-
punkte der Forschungen zurückzukehren und diese
dabei als Hilfsstützen zu verwerten.
Das älteste eben erwähnte Reichenauer Zeugnis
für dieselbe Tatsache ist aber zweifelhaft, denn
wenn eine Bulle Johanns XXII. von 1325 be-
sagt, daß in dem Kloster ,immer waren und sind
Söhne von erlauchten und edlen Vätern“, so
schließt das nicht unzweifelhaft Mönche anderer
Herkunft aus. Wohl aber ist das der Fall in
einer Bulle Papst Benedikts XII. von 1339.
Einst hätten — heißt es —• 60 oder 70 Mönche
dort das Ordenskleid getragen, dann aber habe
sich seit langen Zeiten die üble Gewohnheit ein-
geschhchen, ,daß keine andern als Mönche an-
genommen würden, sie seien denn edelfrei und
von beiden Eltern her durchlaucht (lllustres), so
daß kaum zehn oder acht im Kloster seien“. Der
um die Reform des Benediktinerordens eifrig
bemühte Papst, der aus dem Zisterzienserorden
hervorgegangen war, wollte das bei Weltgeist-
hchen nicht dulden, und noch weniger in Klö-
stern, und gebot dem Abte, da ihm die Aufnahme
zustehe, alle freien und geeigneten Personen zu-
zulassen, auch wenn sie nicht von edlen und er-
lauchten Eltern abstammten, weil das auch der
Herr getan habe, wie die Heilige Schrift be-
zeuge. Dann werde, bei einer größeren Zahl, der
Gottesdienst wieder aufleben. Die Absicht des
Papstes ging, wie wir sehen werden, nicht in Er-
füllung, und ob seine geschichtliche Auffassung
richtig ist, bleibt eine uns beschäftigende Frage.
Schon 1347 unter dem nächsten Pontifikate (Cle-
mens VI.) behauptete der Konvent in einer an
den Papst gerichteten Supplik, daß von des Klo-
sters Gründung an nur Söhne von Grafen und
Freiherrn gewohnheitsgemäß sich dem Dienste
Gottes weihten. Wer hat geschichtlich recht?
Von 1339 in ältere Zeiten vorzudrmgen, bietet
sich eine Möglichkeit in der Untersuchung des Ge-
burtsstandes der ihrem Geschlechtsnamen nach
bekannten Mönche. Eine gleichzeitige Liste der
Professe gibt es nicht, das einzig erhaltene, bis
ins 13. Jahrhundert geführte Totenbuch enthält
nur wenige Familiennamen. So müssen die Ur-
kunden aushelfen, die zwar nicht alle Mönche
nennen werden, doch gelegentlich vollständige
Listen des Konventes liefern.
In der Abtsreihe steht allerdings einer, der nicht
dem hohen Adel angehörte, und em anderer aus
dem niederen Adel war zwar nicht Abt, aber Ver-
walter des Klosters. Wie sie in ihr Amt kamen,
werden wir später sehen.
Die Familien der vor dem Jahre 1429 nach-
weisbaren Klosterherren will ich, nachdem ich
sie in meiner Abhandlung ,Über freiherrliche
Klöster m Baden“ einst (1896) in zeitlicher
Reihe verfolgt habe, dieses Mal nach ihrer Hei-
mat geordnet aufzählen. Das Gebiet, das nörd-
lich des Bodensees die Reichenau umgibt, umfaßt
den Hegau und den Linzgau. Von den dort
mächtigen Grafengeschlechtern ist das der Grafen
von Heiligenberg und ihrer Nachfolger, der Gra-
fen von Werdenberg (seit 1298) auf der Rei-
chenau nicht nachzuweisen, wohl aber die der
von Nellenburg und von Pfullendorf.
Jenes 1105 ausgestorbene Geschlecht lieferte den
ältesten Mönch und Abt, den wir nach seinem
Geschlechte nennen, den Abt Eckehard (1071
bis 1088), das folgende Geschlecht (Nellenburg-
Veringen) ist unvertreten. Von den Pfullendor-
fern (nach 1180 ausgestorben) stammte der Abt
Ludwig (1131—1135).
Der Linzgau ist durch vier Glieder des Frei-
herrngeschlechtes von Deggenhausen, das
auch den Namen Sonnenkalb führte, ver-
treten: es sind Berthold (1211) und sein Bruder-
sohn Konrad (1211—1226), Friedrich (1260
und 1275) und ein anderer Friedrich (1314
cameranus), der der Letzte seines Stammes ge-
A. Schulte
nur aufrollen und bewältigen durch die geduldige
Bearbeitung einer großen Zahl von kirchlichen
Institutionen. Heute gilt es zu dem Anfangs-
punkte der Forschungen zurückzukehren und diese
dabei als Hilfsstützen zu verwerten.
Das älteste eben erwähnte Reichenauer Zeugnis
für dieselbe Tatsache ist aber zweifelhaft, denn
wenn eine Bulle Johanns XXII. von 1325 be-
sagt, daß in dem Kloster ,immer waren und sind
Söhne von erlauchten und edlen Vätern“, so
schließt das nicht unzweifelhaft Mönche anderer
Herkunft aus. Wohl aber ist das der Fall in
einer Bulle Papst Benedikts XII. von 1339.
Einst hätten — heißt es —• 60 oder 70 Mönche
dort das Ordenskleid getragen, dann aber habe
sich seit langen Zeiten die üble Gewohnheit ein-
geschhchen, ,daß keine andern als Mönche an-
genommen würden, sie seien denn edelfrei und
von beiden Eltern her durchlaucht (lllustres), so
daß kaum zehn oder acht im Kloster seien“. Der
um die Reform des Benediktinerordens eifrig
bemühte Papst, der aus dem Zisterzienserorden
hervorgegangen war, wollte das bei Weltgeist-
hchen nicht dulden, und noch weniger in Klö-
stern, und gebot dem Abte, da ihm die Aufnahme
zustehe, alle freien und geeigneten Personen zu-
zulassen, auch wenn sie nicht von edlen und er-
lauchten Eltern abstammten, weil das auch der
Herr getan habe, wie die Heilige Schrift be-
zeuge. Dann werde, bei einer größeren Zahl, der
Gottesdienst wieder aufleben. Die Absicht des
Papstes ging, wie wir sehen werden, nicht in Er-
füllung, und ob seine geschichtliche Auffassung
richtig ist, bleibt eine uns beschäftigende Frage.
Schon 1347 unter dem nächsten Pontifikate (Cle-
mens VI.) behauptete der Konvent in einer an
den Papst gerichteten Supplik, daß von des Klo-
sters Gründung an nur Söhne von Grafen und
Freiherrn gewohnheitsgemäß sich dem Dienste
Gottes weihten. Wer hat geschichtlich recht?
Von 1339 in ältere Zeiten vorzudrmgen, bietet
sich eine Möglichkeit in der Untersuchung des Ge-
burtsstandes der ihrem Geschlechtsnamen nach
bekannten Mönche. Eine gleichzeitige Liste der
Professe gibt es nicht, das einzig erhaltene, bis
ins 13. Jahrhundert geführte Totenbuch enthält
nur wenige Familiennamen. So müssen die Ur-
kunden aushelfen, die zwar nicht alle Mönche
nennen werden, doch gelegentlich vollständige
Listen des Konventes liefern.
In der Abtsreihe steht allerdings einer, der nicht
dem hohen Adel angehörte, und em anderer aus
dem niederen Adel war zwar nicht Abt, aber Ver-
walter des Klosters. Wie sie in ihr Amt kamen,
werden wir später sehen.
Die Familien der vor dem Jahre 1429 nach-
weisbaren Klosterherren will ich, nachdem ich
sie in meiner Abhandlung ,Über freiherrliche
Klöster m Baden“ einst (1896) in zeitlicher
Reihe verfolgt habe, dieses Mal nach ihrer Hei-
mat geordnet aufzählen. Das Gebiet, das nörd-
lich des Bodensees die Reichenau umgibt, umfaßt
den Hegau und den Linzgau. Von den dort
mächtigen Grafengeschlechtern ist das der Grafen
von Heiligenberg und ihrer Nachfolger, der Gra-
fen von Werdenberg (seit 1298) auf der Rei-
chenau nicht nachzuweisen, wohl aber die der
von Nellenburg und von Pfullendorf.
Jenes 1105 ausgestorbene Geschlecht lieferte den
ältesten Mönch und Abt, den wir nach seinem
Geschlechte nennen, den Abt Eckehard (1071
bis 1088), das folgende Geschlecht (Nellenburg-
Veringen) ist unvertreten. Von den Pfullendor-
fern (nach 1180 ausgestorben) stammte der Abt
Ludwig (1131—1135).
Der Linzgau ist durch vier Glieder des Frei-
herrngeschlechtes von Deggenhausen, das
auch den Namen Sonnenkalb führte, ver-
treten: es sind Berthold (1211) und sein Bruder-
sohn Konrad (1211—1226), Friedrich (1260
und 1275) und ein anderer Friedrich (1314
cameranus), der der Letzte seines Stammes ge-