Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Muzeum Narodowe <Breslau> [Hrsg.]; Muzeum Śla̜skie <Breslau> [Hrsg.]
Roczniki Sztuki Śląskiej — 15.1991

DOI Artikel:
Łukaszewicz, Piotr: In memoriam Bernhard Stephan
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13735#0018

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
12

Biger Jahren war er sein Geschaftsfuhrer und gab das Periodi-
kum „Schlesischc Heimat" heraus.

Stcphan hat sich nicht nur mit der alten Kunst leidcnschaft-
lich bcfaBt; cbcnfalls dic modernę Kunst, einschlicBlich ihrer
avantgardistischen Stromungen, die in den biirgerlichcn Krei-
sen meist sog. heiliger Entriistung und spóttelnder Aufnahme
ausgesetzt waren, war Gegenstand sciner nicht minder wich-
tigen Beschaftigung. Seine Frau Gertrudę, geb. Ullmann. die er
am 31. Marz 1921 heiratete, und die aus einer protestantischen
Familie aus der Umgegend von Neumarkt in Schlesien stam-
mte, teilte dieses sein Interesse. Stephan war nicht nur ein
aufmerksamcr Bcobachter neuer Erscheinungen in der Kunst
und ihr scharfsinniger Kritiker, sondern auch Freund junger
Kiinstlcr und ein tatkraftiger Mitgestaltcr des Kunstlcrlcbens.
Er hatte eine erstaunliche Initiative auf diesem Gebiet gezeigt,
insbesondere in den friihen zwanziger Jahren. Er grundete
damals zwei Organisationen, die der Popularisierung neuer
Werkc der bildenden Kunst, Literatur und Musik zu dienen
hatten: Die Bastion — Bund fur zeitgenóssische Kunst, wie
auch die Kunstgemeinsehaft Der Anfang — Freie Vcreinigung
fur dic Kunst der Gegenwart. Ais feste Spur der Tatigkeit der
ersteren dieser Organisationen blieben fiinf veróffentlichtc Flug-
bliitter mit Originalgraphiken und literarischen Texten. Eine
Basis fur dic Bastion bildetc dic cbenfalls von Stcphan gegriin-
dete Galerie („aus dem Nichts entstanden", wie er selbst
schrieb), sog. Volkskunststatte an der Buchhandlung der
„Volkswacht". Er war auch mit der Kiinstlergruppc eng ver-
bunden, die sich 1922 — im Rahmen der gróBeren Organisa-
tion, des Kiinstlerbundcs Schlesien — konstituicrtc (sog. Grup-
pe 1922); Stephan veranlaBtc das Erscheinen ihres herrlichen
Holzschnittalmanachs Erste Herbstausstellung 1922. Die Freund-
schaft mit einem Mitglied dieser Gruppe, dem Malcr und
Graphikcr Georg Ncrlich, iiberdauerte den Krieg und dic
Trcnnung (Ncrlich licB sich in Dresdcn nieder), wic dics die
erhaltcnen Briefe des Kiinstlers bezeugen. Stephan war Rcdak-
teur und z.T. Mitautor der drei Bandę Kunstler Schlesiens, die
vom Kiinstlerbund 1925—1929 herausgegebcn wurden und
Darstellungen zeitgenóssischer schlesischer Kunstler brachten.
Es ist eine unschatzbarc Ouelle zu der Kunst Schlesiens im 20.
Jahrhundert. Gegen Ende der zwanziger Jahre hatte er die
Breslauer Ortsgruppe der Deutschen Kunstgemeinsehaft or-
ganisiert.

Obwohl er in seinem Interesse fur die neue Kunst weit iiber
dic schlcsischcn Fragen hinausging (1930 veranstaltctc cr z.B.
eine Ausstellung der modernen europaischen Malerei, haupt-
sachlich Ecole de Paris, aus der Dr.-Littmann-Sammlung),
schenkte er den einheimischen Kiinstlern besondere Beachtung.
Mit Vorliebe analysierte er die Dialektik der universalen und
der lokalen Merkmale in ihrer Kunst, indem cr sic poetisch
„den Wassern unserer Ebenen [...], deren Spiegel sich anders
farbt von den Wolken, die weit hergeweht, daruber hinziehen
und die leuchtend werden von dem Glanze, der sie traf
verglich.

In den spaten dreiBiger Jahren, móglicherwcise nicht ganz
ohne Opportunismus, betrat er dic Positioncn des eng verstan-

denen Regionalismus, der von der eigentumlichen Blut-
-und-Bodcn-Mystik nicht frei war. Zwei scine Essays iiber die
zeitgenóssische schlesische Malerei, der eine 1924, der andere
1938 geschrieben, kónnten in dieser Hinsicht lehrreich sein.
Von dem Nationalsozialismus hatte er sich jedoch ausdriicklich
distanziert. Eine Stutze war ihm dabei die Treue dem Ka-
tholizismus, den er aus seinem Elternhaus mit ins Lebeh nahm.
1935 wurde er aus der Volkshochschule entlassen, ais er die
Methode seiner Vortrage nicht aufgeben wollte, 1939 hórte er
auf. Geschaftsfuhrer des schlcsischcn Hcimatbundes zu sein,
blieb aber Herausgeber der „Schlesischen Heimat". Zu seinem
fiinfzigsten Geburtstag, 1940, wurde er offiziell iiberhaupt nicht
geehrl. Doch ein nicht formaler Kreis aus dem Breslauer
Wissenschafts- und Kunstmilieu hatte ihm eine fcierliche Urkun-
de iiberreicht (u. a. die Professoren Siebs und Aubin,
Dr. Rudolf Stein, Muscumsdircktor Julius Muller-Hofstede,
Architckten: Effcnberger, Kempter und Heim, Malcr: Wcbsky,
Nerlich, Drobck und Buchwald, Graphikcr: Zimmcrmann und
Bantau, Bildhauer: Gosen, Bcdnorz und Schulz).

Die freunschaftlichen Kontakte Stephans zu den Kunstschaf-
fenden trugen zur Entstehung sciner Sammlung von Gemalden,
Zeichnungcn und Graphikcn Breslauer Kiinstlcr bci. Zahlcn
wir an dieser Stelle diejenigen auf, von denen es bekannt ist,
daB sie solche Kontakte pflegten. Die Listę ist lang, obgleich sic
sicher nicht komplctt ist: Kurt Arendt, Isidor Aschheim, Paul
Dobers, Paula Griinfeld, Giinther Hirschel-Protsch, Arno Hen-
schel, Franz Hoffmann, Alexander Bernhard Hoffmann, Otto
Kalina, Kurt Koger, Hans Lcistikow, Thomas Myrtek, Max
Odoy, Alfred und Konrad Scheu, Grete Schmedes, Bruno
Schmialek, Kurt Seifert, Heinrich Tischler, Alfred Vocke, Hans
Zimbal, Bodo Zimmcrmann. Eine besondere Stelle nimmt
Georg Nerlich ein, der von vielcn seiner Arbciten vcrtreten ist.
Die Sammlung wurde — z.T. noch zu Lebzeiten Stephans,
gróBtcnteils aber nach seinem Todc — zwischen Pmvatper-
sonen, Bibliothek der Katholischen Universitiit in Lublin und
das Nationalmuseum in Wrocław vertcilt. Der uberwiegende
Sammlungsteil wurde dem letztgenannten Museum iiberwiesen
und legte den Grundstein fur die Forschung zu schlesischer
Kunst der ersten Halfte des 20. Jahrhundcrts. Stephans wert-
volle Bibliothek (er war doch auch ein groBer Buchliebhaber)
wurde, laut seinem letzten Willen, zum Eigentum der Hoch-
schule, mit der er nach dem Kriege sein Leben verband.

Bernhard Stephan ist am 3. Juni 1979 in Wrocław (Breslau)
gestorben. Seine Frau hat ihn nur um cinige Monatc iibcrlebt.
Beide ruhen auf dem Zimpelner Friedhof. Die edle Person des
beschcidencn, fur Schlesien so hochvcrdienten Mannes, eines
Humanisten, der die besten Traditionen der deutschen Kultur
pflegte, eines loyalen polnischen Staatsbiirgers, der seine Mut-
tersprache an einer polnischen Universitiit lehrte, verkórpert
das immer noch nicht vollendete Werk deutsch-polnischcr
Vers6hnung. Dem Andenkcn Bernhard Stephans, zu seinem
100. Geburtstag, widmen wir diesen Band, der die ihm so
naheliegende Thematik der schlesischen Kunst des 19. und des
Anfags des 20. Jahrhundcrts bchandelt.

Piotr Łukaszewicz
 
Annotationen