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Muzeum Narodowe <Breslau> [Hrsg.]; Muzeum Śla̜skie <Breslau> [Hrsg.]
Roczniki Sztuki Śląskiej — 15.1991

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Łukaszewicz, Piotr: In memoriam Bernhard Stephan
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https://doi.org/10.11588/diglit.13735#0017

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IN MEMORIAM BERNHARD STEPHAN

Fast ein halbes Jahrhundert lebte er in Zimpel (heute
Sępolno), jener vorbildlichen Breslauer Siedlung, die in den
zwanziger Jahren gemaB der Idee einer Gartenstadt entstand,
und der in vorliegendem Band ein umfangreiches Studium
gewidmet ist. Die bescheidene Wohnung in einer RandstraBe an
den Oderwallen (die fruher DamaschkestraBe hieB und nach
dem Krieg „ulica Monte Cassino" genannt wurde) machte
einen unheimlichen Eindruck, ais ich sie sah, leider schon nach
dem Tod Bernhard Stephans. Es gab dort nur wenige einfache
Hausgerate und ein Klavier, sonst waren die Raume mit
Buchern (vor allem zu Kunst und Literatur) und StoBen Papier
(darin vergilbte Blatter der Breslauer Tagespresse von einst)
gefullt; an den Wanden hingen Bilder der Breslauer Avantgar-
dekiinstler vom Ende der zwanziger und Anfang der dreiBiger
Jahre; die Aktenmappen aus Pappe und Tuben verbargen ihre
Graphiken und Zeichnungcn. Ware nicht der Staub da, jene
ubcrall zu merkende Spur der verflossenen Zeit, konnte man
glaubcn, es sci die Zeit Heims und Kempters, die dieses Haus
errichtet hatten. Ein ungewóhnlicher und erschiitternder Ein-
druck in einer Stadt, wo die Kontinuitat der Tradition so radikal
gebrochen wurde, nicht nur wegen der Kriegszerstórungen, son-
dern vor allem durch fast restlosen Austausch ihrer Einwohncr.

Eine besondere Vorliebe fur diese Traditioncn, Liebe zur
Stadt und der ganzen schlesischen Provinz mit ihrer Kunst und
Kultur machten den Lebensinhalt Bernhard Stephans aus. Sie
wurde ihm auch wohl zur Hauptmotivierung bei schwierigem
EntschluB, nach der Zwangsaussiedlung der deutschen Be-
volkcrung in Breslau zu bleiben. Die Tatsache, daB die Familie
seines Vaters aus Langenbriick bei Neustadt in Oberschlesien
(Moszczanka) stammte, wie auch diese, daB seinc ferne Verwand-
ten in Warschau lebten, hatten es ihm móglich gemacht, trotz
der Unkenntnis der polnischen Sprache den Status eines
„Autochthoncn" zu erlangen. In den ersten Nachkriegsjahren
wurde er bei der Inventarisierung der in Breslau nach Kriegs-
auslagerungen erhaltenen Musealgiiter angestellt. Aus dieser
Zeit stammen sog. Verzeichnisse Stephans, die heute noch den
Mitarbeitern des Nationalmuseums gut dienen, wenn die Pro-
venienz mancher Kunstdenkmaler festgelegt werden soli.
Spater, ais sich die neue totalitare Ordnung festigte, wurde das'
MiBtrauen der umgcbenden Menschen cinem Deutschen gege-
niiber entscheidend; trotz der noch 1956 unternommenen
Vcrsuche, eine entsprechende Arbeitsstelle an Ort zu bekom-
men, blieben die Tore der Kultureinrichtungen in Breslau vor
dem Breslauer Kunsthistoriker verschlossen. Ganz zufallig
konnte er in dem entfernten Lublin angestellt werden, und zwar
bczeichnendcrweisc nicht in einer staatlichen Einrichtung, son-
dern an der Katholischen Universitat. Zehn Jahre lang, von
1951 bis seiner Pensionierung, fuhr Bernhard Stephan regel-
maBig nach Lublin, wo er die Germanistik leitete. Dort auch
crhiclt er eine Profcssorenstelle. Fur den klcinen Kreis seiner
Breslauer Bekannten war der „Professor" vor allem Germanist,
Deutschlehrer und eine Autoritiit in Musikfragen. Die Leiden-

schaft seines Lebens, Kunstgeschichte, war gleichsam vergessen;
ganz bestimmt wurden scine Kompetenzen in diesem Bereich
nicht gebuhrend in Anspruch genommen — ein zweifelloser
Verlust fur die Kunstgeschichte im nachkrieglichen Wrocław.

Bernhard Stephan wurde am 2. August 1890 in Frankenstein
geboren. Sein Vater, der den gleichen Vornamen fiihrte, war
Buchhandler und stammte aus Oberschlesien. Seine Mutter
Gertrudę, geb. Hebich, kam aus der nahen Umgegend — aus
Laubnitz bei Kamenz. 1909 legte er die Reifcprufung im
Frankensteiner Gymnasium ab und begann in Breslau zu
studieren. Sein Studium dauerte lange, denn bis 1920, und
umfaBte weite humanistische Gebiete: germanische Philologie,
indoeuropaische Sprachwissenschaft, Kunstgeschichte und Mu-
sikwissenschaft. Seine Lehrer waren: Eugen Kuhnemann (Phi-
losoph und Literaturhistoriker), Otto Schrader und Theodor
Siebs (Sprachwissenschaftler), Franz Landsberger, Rudolf
Kautsch und Bernhard Patzak (Kunsthistoriker) und Emil
Bohn und Kinheldey (Musikwissenschaftler). Schwere materiel-
le Verhaltnisse verursachten es, daB er ab 1915 sein Studium
mit Brotarbeit ais Lehrer und Beamter verbinden muBte. Wohl
dieselbe Ursache hatte ihn daran gehindert, die Doktorwiirde
zu erlangen, was seine spiitere Berufskarriere deutlich einsch-
riinkte (1932 bewarb er sich z. B. erfolglos um die Stelle des
Provinzialkonservators). Nach dem Studium befaBte er sich
hauptsiichlich mit der Popularisierung der Kunst. 1920 wurde
er standiger Mitarbeiter der Breslauer Volkshochschule. Die
Bewegung der Volkshochschulen, dereń Idee nach der Mitte
des 19. Jh. in Danemark entstand, fand in Deutschland nach
dem Ersten Weltkrieg neue Entfaltungsmóglichkeiten. Die
Breslauer Bildungsstatte war gerade ein Jahr alt, ais Stephan
dort zu arbeiten begann. Er hielt zyklische Vortrage zu Asthetik
und Kunsttheorie, zu allgemeiner Kunstgeschichte; er las auch
uber die modernę und iiber die schlesische Kunst. Jahrelang
war er ein enger Mitarbeiter der Breslauer Volksbuhne, einer
von den Sozialdemokraten gefórderten Anstalt, und dereń
Presseorgan „Kunst und Volk". Schon auf Grund der bestehen-
den Dokumentation zu Stephans Tatigkeit, die bei weitem nicht
komplett ist, kann ein umfangreiches Verzeichnis seiner Vor-
triige, Aufsatze, gedruckter Notizen und Rezensionen zusam-
mengestellt werden. Eine vollstandige Auflistung ware iiuBerst
schwer, denn die Zahl der Organisationen, mit denen er
zusammenarbeitete, wie auch der Zeitschriften, fur die er
schrieb (von der sozialdemokratischen Tageszeitung „Die
Volkswacht" bis zum Presseorgan des Breslauer Bistums), ist
imponierend groB. Zu seinen bekanntesten Abhandlungen
gehórt der historische AbriB der Stadtentwicklung in Richard
Konwiarz' Fuhrer Die Baukunst Breslaus (1926), zu seinen
wertvollsten kunstgeschichtlichen Arbeiten — ein Aufsatz iiber
das Kloster in Heinrichau (1935 ais Kunstfuhrer veróffentlicht).
Ein anderes weites Gebiet, auf dem Stephan aktiv war, machte
die Runstdenkmalpflege in Schlesien aus. Seit 1925 wirkte er
intensiv im Schlesischen Bund fur Heimatschutz, in den drei-
 
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