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Muzeum Narodowe <Breslau> [Editor]; Muzeum Śla̜skie <Breslau> [Editor]
Roczniki Sztuki Śląskiej — 15.1991

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Recenzje i omówienia
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Sachs, Rainer: Der "neue Thieme-Becker" - Chancen und Gefahren. Allgemeines Künstlerlexikon. Die bildenden Künstler aller Völker und Zeiten. Hrsg. Günter Meißner, Bd. 1, Aa-Alexander, Leipzig 1983. Bd. 2, Alexander-Andrea di Zanetto, Leipzig 1986
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https://doi.org/10.11588/diglit.13735#0282

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Recenzje i omówienia

Ein Beispiel fur die (trotz allem berechtigte) Aufnahme
kunstlcrisch nicht kreativer Handwerker sind die Kartenma-
cher. Boi der handwerklichen Spielkartenproduktion entsp-
richt die Rolle des ais „Kartcnmacher" bczeichneten Handwcr-
kers nahezu ideał der des Verlegers im Buchhandel. Er or-
ganisiert die Produktion und dereń Verkauf, bcstcllt (soweit er
nicht, wie es oft geschah, nur die Vorbilder der Konkurrenz
kopiert) bei einem Zeichner oder Malcr ihm zusagende Karten-
projekte, nach denen ein Vcrlrcter des graphischen Gcwerbes
(Holzschncider oder Kupferstechcr) die Druckstocke anfertigt.
Bestcnfalls werden diesc dann vom „Kartcnmacher" persónlich
auf Kartcnkarton aufgcdruckt, denn schon die endgultige
farblichc Gestaltung (Koloricrung) der Karten geschah meist
durch Fraucn in Hcimarbcit. Auch bei der Miinzproduktion
sind die Munzmeister, von wenigen Ausnahmen, bei denen
dieses Amt auch ais Stempclschneidern (also „kunstlcrisch
krcativ") tiitigcn Handwcrkern anvcrtraut wurde, nur dic „kauf-
mannischen" Leiter. Die dic Uhren der vorindustrieellen Zeit
signicrenden Uhrmachcr schufen in den scltendstcn Fallen die
fur das kiinstlerischc Nivcau ihrer Produktion weitgehend
ausschlaggcbcndcn Gchausc, sondern nur die Uhrcnmcchanis-
men, dereń Umkleidung mit zcitcntsprcchenden Kunsformen
Goldschmiede, Bronze- und MessinggieBer, Giirtler, bei groBen
Zimmcr- (Stand-) Uhren Kunsttischler iibernahmen, deren Na-
men in den wenigsten Fallen uberliefert worden. Der kiinstleris-
chc Wcrt, das „krcalive Moment" der Erzeugnissc der Schwert-
feger geht seltcn iiber uberkommene, nahezu vollstandig funk-
tional bedingtc Gestaltungsformcn hinaus — trotzdem finden
sie im AKL weitgehend Bcachtung. Hinzugcfiigt werden muB in
diesem Fali noch, daB sich ihre Produktion eigcnllich nur in
den GróBendimensioncn, nicht aber im kiinstlerischcn Nivcau
von der der Messcrschmiedc unterscheidet, denen die Aufnah-
me ins AKL versagt blieb.

Diese ohnehin schon langc Listę lieBe sich beispielsweise
noch um dic Topfer und GlockengieBer vermehren, deren
wichtigste „kunstbildende" Zierelemente oftmals nicht von
ihnen selbst gefcrtigt worden. Wanderung von Formcn fur die
in der Rcnaissance und dcm Barock haufig auf dic GcfiiBc
aufgebrachten Zierauflagen iiber hunderte von Kilometern, z.
B. von Nurnberg in das schlcsische Stiidtchen Bricg, die
weitgehende Verwendung von fur die jeweilige Werkstatt typis-
chen Zierhólzcrn und fremden Schmuckclementcn (im Mittelal-
ter beispielsweise Siegelabdriicken und Pilgcrabzcichcn) besch-
riinkcn dic „kunstlerischc Krcativitiit" der Vertreter dieser
Bcrufe hochgradig und lasscn ihnen eigentlich nur die (beim
RotguB oftmals noch durch die Wiinschc des Bestellcrs, bei der
Topfcrci durch dic Wcrkstattradition eingeschrankte) Ents-
cheidung iiber die Zahl und dic riiumliche Anordnung dieser
„prafabrizierten", nicht von ihnen konzipierten Verzierungen.

Trotz aller dieser dcm ausschlicBlich „krcalivitatsabhangi-
gen" Auswahlkriterien widersprechenden Sachverhalte werden
Schwcrtfcgcr, Munzmeister, Kartcnmalcr etc. in der Regel dcm
Kunsthandwerk zugeziihlt und in den einschlagigen Lexika
crfaBt — ein zu Recht angewandtes Vcrfahren, welches nicht
dieses Vorgehen, sondern vielmehr die ausschlicBlich „krealivis-
tischen" Auswahlprinzipien in Frage stellt. In allen Fallen
haben wir es namlich mit Bcrufsgruppcn zu tun, durch deren
Tatigkcit Kulturproduktc entstchen, die dank ihrer Signatur
durch den nicht kiinstlerisch „kreativen" Hauptorganisator des
Produktionsprozcsscs zeitlich und geographisch fest umrissen
werden konnen und aufgrund ihrer Spczifik wichtige Aussagcn,
z. B. iiber den kiinstlerischcn Gcschmack ihrer Konsumcnten
ermoglichen. Fiir dic zukiinftigc Arbeit des AKL-Kollektivs
waren daher folgende Vorschlage zu machen: Schwertfcger,
Uhrmachcr, Kartcnmacher und RotgicBcr der vorindustriellcn

Zeit sind generell aufzunehmen, Munzmeister nur, soweit
gleichzeitig eine Tatigkeit ais Miinzschneider nachgewiesen ist.
Fiir die Baretl- und Strumpfstricker sollte der Nachweis des
Fehlcns kunsllcrischer Tatigkeit Eliminierungs-, fiir die Weber
der Nachweis des Existenz einer solchen Tatigkeit Aufhahme-
kriterium sein, die Zimmerlcute sind, soweit nicht cin konkreter
Nachweis von kiinstlerischer Tatigkeit vorliegt (z. B. die Errich-
tung von Holzkirchen) fiir das Kunstgewerbe irrelevant.

Andere kunsthandwerkliche Berufsgruppen sind in Ab-
hiingigkeit von der lokalen Tradition flexibel zu behandeln.
Hierzu sind u. a. die Kupferschmicde und Tischler zu zahlen, an
deren Beispiclen dieses Prinzip crliiutert werden soli. Bei dieser
Vorgchcnsweisc kommt den Erkcnntnisscn der Kunstwissens-
chaft iiber rcgionales Niveau und Brauchlum des untersuchten
Handwerkszweiges eine Schliisselstellung zu. Fiir die Kupfers-
chmicde der groBen Handwerkszentren Siiddcutschlands (z. B.
Nurnberg, Augsburg) war dic Signicrung ihrer Erzeugnissc
Pflicht, ein Brauch, der beispielsweise im dem ebenso bedeuten-
den schlesischcn Breslau nicht geiibt wurde. Fiir die kunsthis-
torische Praxis bedeutet dics, daB im ersten Fali samtliche in
den Quellen genannten Kupferschmiede des siegnierenden
Zeitraums crfaBt werden miissen, um auch die Entzifferung der
bisher unbcstimmten Punzen zu ermoglichen. Im zweiten
Bercich scheint nur dic Aufnahme von Kupferschmieden mit
quellenmaBig nachweisbarem kunstlcrischcn Werk sinnvoll,
da ja aufgrund der schon bekannten regionalen Zunftbrauche
eine Identifizicrung des Schaffens der nur mit Namen
iibcrliefertcn Handwerker ausgeschlossen ist.

Ahnliches gilt auch fiir den Tischlerberuf. Jiingste Forschun-
gen erwiesen, daB die Zunftvorschriften der Breslauer Tisch-
lerzunft ais Meisterstiick den Bau von detailliert in Form und
Verzicrung festgclegtcn Prachtschriinkcn verlangtcn, deren Ni-
veau weit iiber den Anforderungen von verglcichbarcn, durch
einen besseren Forschungsstand beruhmten Móbelkunstzent-
ren (z. B. Braunschweig oder Frankfurt) lag. Schon im schlesis-
chcn Umfcld, in dem die Tischler der Kleinstadte oftmals
Sammclziinften mit geringer fachtechnischer Kontrolle ange-
hórtcn, waren die Anforderungen der Meistcrpriifungen unvcr-
gleichlich milder, sodaB, um einerseits dem Bediirfnis nach
Erwahnung unziihliger kiinstlerisch unbedeutender Tischler
gerecht zu werden, andererseits, aber das AKL durch die
Erwahnung unziihliger kunstlcrisch unbedeutender Tischler
des Kleinstadt- und Dorfbereichs nicht zu belasten, nur vorges-
chlagcn werden kann, allc Breslauer Meister der vorindustricl-
lcn Zeit zu erfassen, die Kleinstadtmeister aber nur beim
Nachweis eines kunsthistorisch relevanten Werkes.

Kritik scheint auch am bisherigen Aufnahmeusus zweier
wciterer Handwerkergruppen der vorindustricellen Zeit am
Platz: den Gcigenbauern und den Glasmachern. Erstere nimmt
man nur im Falle besonderer Verzicrung ihrer Instrumentc auf,
bei letzteren ist schon die Bcrufsbezcichnung cin Placet. Allcin,
ein Blick in eine instrumentenkundliche Arbeit zum Thema
Geigenbau iibcrzeugt, daB aiiBerc Form, Lackart und Holz
nicht nur nach klangtechnischen, sondern sehr stark auch
asthetischen Gcsichtspunktcn gcwiihlt worden, also alle Kritc-
rien einer kunsthandwerklich relevanten, wenn auch stark
fachspezifischen Tatigkeit gegeben sind. Genau das Gcgentcil
ist bei den, bisher gcncrall aufnahmewurdigen Glasmachern der
vorindustriellcn Zeit der Fali. Selbst angenommen, der ents-
prechende Glasmacher stellte in der Tat nicht nur „Industricg-
las" (z. B., wie es haufig vorkam, Fensterscheiben) her, sondern
auch Gcbrauchsglas, so schuf er bestcnfalls unter Zuhilfcnahme
von nicht von ihm „kreativ" geschaffenen Formen (freie Glas-
modellierungcn sind im dieser Zeit sehr selten und konnen fast
nie urkundlich erwahnten Meistern zugeschrieben werden)
 
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