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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1871

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September (Nr. 104 - 116)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30184#0469

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(Pflichtexemplar.) Heidelberg.

Samstag, 23 . September 1871.

Uo. 113.

Fünfter Jahrgang-


Erscheint wöchentlich drei Mal: Dienstag, Donnerstag und Samstag, mit der Sonntags-Beilage „Pfälzer Unterhaltungs-Blatt". — Alle Postanstalten und Boten nehmen
Bestellungen an. — Preis vierteljährlich 45 kr. Inserate die dreigespaltene Petitzeüe oder deren Raum 3 kr. Lokalanzeigen 2 kr.

Zur Hagesgeschichte.
Karlsruhe, 20. Sept. In der letzten
Zeit bemerkt man besonders viele Neuernennun-
gen und Veränderungen im Personal der Mit-
telschulen. Es hängt dies namentlich mit den
zahlreichen Begründungen oder Erweiterungen
von höheren Bürgerschulen zusammen. Das
Lehrerpersonal des Inlandes scheint z. Z. nicht
auszureichen.
Berlin, 18. Sept. Der Staatsanz,
veröffentlicht eine lange Liste russischer Ordens-
verleihungen an preuß. Generale und Soldaten.
Das Letztere, in Verkehr der Staaten, außer
in gemeinschaftlich geführten Kriegen, fast un-
gebräuchlich , ist ein altes Herkommen zwischen
Preußen und Rußland und ein besonderer Be-
weis der innigen militärischen Kreunoschaftsbe-
ziehungen.
Eine sehr bemerkenswerthe Ernennung für
Elsaß soll bevorstehen; man erzählt, daß vor
einiger Zeit das Kuratorium der Straßburger
Universität seitens des Reichskanzlers dem frühe-
ren bad. Minister des Ausw. , v. Roggenbach
angeboten worden ist. v. Roggenbach Halle sich
in Folge dessen nach Straßburg begeben; wie
es scheint, ist derselbe nicht abgeneigt, den wich-
tigen Posten unter gewissen Voraussetzungen
zu übernehmen.
Nach den letzten Rapporten, welche hier
über den Stand der Cholera in der Provinz
Preußen eingegangen sind, erkrankten daselbst
bis zum 10. d. M. 2517 Civil- und 84 Mi-
litär-Personen, es starben hiervon 1273, gena-
sen 020 und blieben in der Behandlung 708.
Es erkrankten in Königsberg 2122 Civil- und
72 Militär-Personen, in Danzig 27 Civil- und
1 Militär-Person, in Pillau 90 Civil- und 3
Militär-Personen, in Gumbinnen 2 Civil- und
4 Militär-Personen, in Elbing 98 Civil- und
1 Militär-Person, und in Wehlau 170 Civil-
uud 3 Militär-Personen. Von den Civilisten
sind der Krankheit 1249, von den Militärper-
sonen 24 erlegen.
Berlin. Die Rechnungen der Erbswurst-
fabrik über die ganze Fabricatonsperiode sind
nun abgeschlossen und die sich hierbei ergebenden
Zahlenverhültnisse sind so coloffaler Natur,
daß eine Wiedergabe derselben wohl für jeden
Deutschen von Interesse sein wird. Die Fabrik
zur Herstellung der Erbswurst, mit Allem, was
zur Bereitung gehört, war, wie „Staatsb.-Z."
schreibt, in 17 Tagen fertig. Techn.scher Dt-
rector und Leiter des Ganzen war der Koch
Grüneberg, bekanntlich auch Erfinder der Erbs-
wurst. Die nächstwichtige Person bei dem
großen Unternehmen war der Kaufmann und
Fleischwaarenhäudler Adolph Müller in der
neuen Königstraße, der für die ganze Fleisch-
waarenlieferung mit der Militärintendantnr
abgeschlossen hatte. Zur Herstellung der Erbs-
wurst wurden gebraucht: 1) drei Sorten Erbs-
mehl : gedämpftes, condensirtes und doppel con-

densirtes; 2) bestes Rindfleisch, ans 0,75 ab-
gedämpft; 3) Speck, ein Drittheil fetter, zwei
Drittheile magerer -- der Speck mußte vor
dem Verbrauch entölt sein; 4) einpassirte
Zwiebeln, verschiedene Gewürze und Lupulus
zur Erhaltung der Erbswurst. Es wurden
davon im Ganzen sabricirt neun bis zehn
Millionen Pfund. Anfangs täglich 40,000
und zuletzt 130,000 Pfund. Beschäftigt waren
ununterbrochen ca. 2,400 Arbeiter. Die Fabrica-
tion der Präserven in Blechbüchsen begann vom
October vorigen Jahres. Davon wurden täglich
angeferrigi 30—40,000 Pfund. Die Blech-
büchsen enthielten verschiedene Präserven, deren
Zubereitung allgemein gelobt wurde. Da gab
es: Rinderfilet au guZ, Guilasz, Rindfleisch
mit Zwiebeln, Ochsenzungen in Madeira, Rin-
derbraten, gespicktes Rinderfilet, Rindfleisch mit
Reis und Rindfleisch mit Graupe. Herr Adolph
Müller lieferte täglich 100 Ochsen, die auf dem
neuen Viehhos geschlachtet wurden, und an
Speck un Ganzen 60,000 Ctr., sowie 12 Mill.
Därme.
München, 19. Sept. Der König hat
an der Lotterie zum Besten der Errichtung ei-
nes SchilleroenkmalS in Marbach sich betheiligt,
indem er Befehl gab, 200 Loose derselben ein-
zukaufen.
Rokschach, 18. Sept. Der heutige Tag
war für uns ziemlich aufregend. Ein gegen
Abenv nach Romanshorn abgefahrenes Segel-
schiff mit Steinen geladen versank in der Ge-
gend von Horn in ziemlicher Tiefe mit sämmt-
lichen 3 Schiffsleuten; bis jetzt bat man merk-
würdigerweise gar keine Spur von Schiff und
dessen Requisiten.
Gegen 9 Uhr Abends fuhr ein Bahnzug
von Romanshorn aus einen stark besetzten Per-
sonenzug ein, welcher zwischen Bahnhof und
Kornhaus stand. 4 Personenwagen wurden aus
dem Geleise geworfen und ziemlich stark be-
schädigt , glücklicherweise wurden nur wenige
Personen hiebei verletzt.
LsnÄMt, 16. Sept. Die „Morning
Post" verbreitet sich über die Thatsache, daß
Rußland, nachdem lange Zeit Frankreich das
Muster für alle Heereseinrichtung gewesen, nun
plötzlich ein neues Bild verehre, und nun mit
aller Gewalt eine Reorganisation nach preußischem
Muster vornehme. Große Ergebnisse verspricht
sich die Betrachtung auch von der umgeformten
Armee nicht, einmal weil eine Organisation
aus dem Wesen der Nation hervorgehen müßte,
um Tüchtiges zu leisten und dann auch, weil
dieselbe in der Hand eines geschickten Arbeiters
Anderes zu Tage fördere, als in der Hand
eines ungebildeten Feldarbeiiers. „Rußland
— heißt es weiterhin — kann nicht Preußen
gewachsen werden, indem es einfach seine
Waffen borgt. Preußens System ist das Er-
gebniß eines stufemnäßigen Entwicklungsganges,
während das russische System ein Pilz ist. dem
bisher nur gelungen ist, den kriegerischen Geist

der Nation hinwegzndrillen unter Generalen
wie Mentschikoff und Kaiser Nicolaus. Um
ein ähnliches Gebäude errichten zu können, muß
man zunächst ein ähnliches Fundament legen
und die Legung eines solchen Fundaments ist
nicht das Werk eines einzigen Jahres, ja nicht
einmal das einer Generation."
Paris, 19. Sept. Die Uebergabe der
Forts an die französ. Truppen wird nach dem
Amtsblatt morgen Vormittag stattfinden und
die Räumung der benachbarten 4 Departements
am 15. d. beendigt sein.
Aus verschiedenen Provinzen hat man sehr
glaubwürdige Nachrichten, wonach die öffentliche
Meinung, gelaugweill von dem Treiben der
Versammlung von Versailles, sich von den öffent-
lichen Interessen nach und nach abwendet- Kaum
daß die Bauern mehr von den Preußen spre-
chen; um das, was in Paris und Versailles
geschieht, kümmern sie sich, sagt man, nicht mehr ,
als um die Nachrichten aus Timbuctu oder
Kamischatka.
Das Kaffationsgesuch der 3 zum Tode der-
urtheilten Mitglieder der Marseiller Kammune
Cremieux, Etiemre und Pelissier ist verworfen
worden. Rocheforts Prozeß soll am nächsten
Mittwoch m Versailles beginnen-
Karis, 19. Septbr. Die parlamenta-
rische Untersuchungskommission hat dieser Tage
bekanntlich den Marschall Mac Mahon über
seine Beiheiligung an dem Feldzüge von 1870
gehört. Der Gaulvis gibt heute den Inhalt
der Aussagen Mac Mahon's, was den Feldzug
von Chalons (17. August) bei Sedan angeht.
Es war, erzählte demnach der Marschall, der
Prinz Napoleon, welcher dem Kaiser vorschlug,
Trochu zum Gouverneur von Paris zu ernen-
nen. Dieser erklärte sich bereit, die Regierung
zu vertheidigeu, obgleich der Kaiser ihn von je-
her vernachlässigt habe. Obgleich Mac Mahon
den Vorschlag unterstützte, zögerte der Kaiser
um so mehr, als Trochu daraus bestand, die
18 Bataillone Mobilgarden der Seine mitzu-
nehmen. Dieselben hatten schon eine mangel-
hafte Mannszucht verrathen, und der Kaiser
hätte sie lieber gegen den Feind, als in die
Hauptstadt geschickt. Trotzdem gab er endlich
nach und Trochu reiste ab- Mac Mahon
ward von Napoleon zum Kommandanten des
Lagers von Chalons unter dem Oberbefehl des
Marschalls Bazaine ernannt; von da ab gab
der Kaiser keinen einzigen Befehl mehr, und
Mac Mahon handelte unter eigener Verant-
wortlichkeit. Er wollte sich nach Paris wenden,
erhielt aber m Reims von Palikao den Befehl,
sich mit Bazaine zu verbinden- Zugleich tele-
graphirte ihm Bazaine nach der Schlacht von
Rezonville. er, Bazaine, werde sich über Mont-
medy und Sedan in das Eentrum Frankreichs
begeben. Daher richtete sich auch Mac Mahon
gegen Sedan. Das Mißgeschick von Sedan,
behauptet Mac Mahon, ist nur die Folge der
Wunde, die ihn kampfunfähig machte. Er über-
 
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