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Vorrede.
Die anderen französischen Städte sind überhaupt in neuerer
Zeit außerhalb Frankreichs über Gebühr von Seiten der beschreiben-
den, schildernden, wie der wissenschaftlich forschenden Literatur ver-
nachlässigt worden. Nur diejenigen, welche auf dem Wege nach Ita-
lien liegen, unter ihnen am meisten die, welche unter das bunte Far-
benspiel der provenoalischen Romantik gestellt sind, oder einzelne, hoch-
bedeutende Denkmäler aufzuweisen haben, hat man mit Liebe und
Begeisterung geschildert: vielleicht gerade um deswillen mit, weil ähn-
lich wie in Italien, so unmittelbar und unberührt fast von späterem
Kulturleben, ja mitten unter dem Schmutz und Staube einer verkom-
menden Gegenwart eine längst verschwundene Zeit an den Menschen
herantritt. Ich müßte kein Archäolog sein, um nicht mit persönlicher
Neigung die Anschauung jener vom edlen Rost des Alterthums über-
zogenen Ruinen zu suchen, aber für das wahre historische Interesse bot
die Physiognomie jener noch heute blühenden und der Gegenwart an-
gehörigen Mittelpunkte, wie Toulouse, Bordeaux, Lyon, Orleans u. a.
ein viel reicheres Material dar. Galt es doch hier auf demselben
Grund und Boden, unter denselben Naturbedingungen, die noch heute
in der unmittelbarsten Gegenwart sich kräftig erweisen, zu dem Mit-
telalter, zum Alterthnm hinaufznsteigen und so unmittelbar verglei-
chend das sinnlich faßbare Gehäuse dreier großer Bildungsstufen gleich-
sam auseinanderzulegen und geistig neu zusammenzufügen. Und wahr-
lich, das Städteleben der Römerzeit, das des Mittelalters auf galli-
schem Boden kann sich fast ebenbürtig dem des italienischen Bodens zur
Seite stellen. Ich hoffe hier in der That bestimmte Hauptpunkte, so
das bis jetzt so wenig erkannte Verhältniß von Cite und Bourg auch
für die rein wissenschaftliche Behandlung mehr herausgestellt zu haben.
Kunst und Alterthnm: dies sind die zwei anderen, ja spe-
riellsten Gesichtspunkte vorliegender Studien. Eine Anzahl antiker
südfranzösischer architektonischer Monumente zunächst des Rhonethales
sind durch Abbildungen und Schilderungen vielfach bekannt, aber schon
die Resultate der neuern Lokaluntersuchungen, die diesen Monumenten
einen bestimmten Platz in einem größern Komplex anweisen, sie da-
durch erst in das rechte Licht stellen, sind wenig über die Gränzen der
Provinzen, wenigstens durchaus nicht in den Bereich der von dem grö-
Vorrede.
Die anderen französischen Städte sind überhaupt in neuerer
Zeit außerhalb Frankreichs über Gebühr von Seiten der beschreiben-
den, schildernden, wie der wissenschaftlich forschenden Literatur ver-
nachlässigt worden. Nur diejenigen, welche auf dem Wege nach Ita-
lien liegen, unter ihnen am meisten die, welche unter das bunte Far-
benspiel der provenoalischen Romantik gestellt sind, oder einzelne, hoch-
bedeutende Denkmäler aufzuweisen haben, hat man mit Liebe und
Begeisterung geschildert: vielleicht gerade um deswillen mit, weil ähn-
lich wie in Italien, so unmittelbar und unberührt fast von späterem
Kulturleben, ja mitten unter dem Schmutz und Staube einer verkom-
menden Gegenwart eine längst verschwundene Zeit an den Menschen
herantritt. Ich müßte kein Archäolog sein, um nicht mit persönlicher
Neigung die Anschauung jener vom edlen Rost des Alterthums über-
zogenen Ruinen zu suchen, aber für das wahre historische Interesse bot
die Physiognomie jener noch heute blühenden und der Gegenwart an-
gehörigen Mittelpunkte, wie Toulouse, Bordeaux, Lyon, Orleans u. a.
ein viel reicheres Material dar. Galt es doch hier auf demselben
Grund und Boden, unter denselben Naturbedingungen, die noch heute
in der unmittelbarsten Gegenwart sich kräftig erweisen, zu dem Mit-
telalter, zum Alterthnm hinaufznsteigen und so unmittelbar verglei-
chend das sinnlich faßbare Gehäuse dreier großer Bildungsstufen gleich-
sam auseinanderzulegen und geistig neu zusammenzufügen. Und wahr-
lich, das Städteleben der Römerzeit, das des Mittelalters auf galli-
schem Boden kann sich fast ebenbürtig dem des italienischen Bodens zur
Seite stellen. Ich hoffe hier in der That bestimmte Hauptpunkte, so
das bis jetzt so wenig erkannte Verhältniß von Cite und Bourg auch
für die rein wissenschaftliche Behandlung mehr herausgestellt zu haben.
Kunst und Alterthnm: dies sind die zwei anderen, ja spe-
riellsten Gesichtspunkte vorliegender Studien. Eine Anzahl antiker
südfranzösischer architektonischer Monumente zunächst des Rhonethales
sind durch Abbildungen und Schilderungen vielfach bekannt, aber schon
die Resultate der neuern Lokaluntersuchungen, die diesen Monumenten
einen bestimmten Platz in einem größern Komplex anweisen, sie da-
durch erst in das rechte Licht stellen, sind wenig über die Gränzen der
Provinzen, wenigstens durchaus nicht in den Bereich der von dem grö-