32
Zweites Kapitel.
Chorstühle sind vorhanden. Und das ist die Metropole einer großen
Handelsstadt. Selbst die große Trinmphpforte von Air, erbaut zu
Ehren der großen Siege des Kaisers bei Marengo, Austerlitz, Fleury,
Heliopolis, hat man geschwind jetzt dem Erben seines Namens durch
eine große Inschrift geweiht. In der That wird dieser Eindruck einer
allein im Geschäftsleben sich ausprägenden Gegenwart sich jedem Frem-
den aufdrängen, der nicht rein um des Geschäftes willen oder mit der
nur des Dampfschiffes harrenden Ungeduld nach Marseille gekommen
ist, um wie vielmehr dem, der mit Liebe und Interesse von Station
zu Station sich dieser uralten Metropolis menschlicher Cultur ge-
naht hat!
Verlassen wir das enge Straßenleben; dort am Hafen, dessen
Mastenwald uns ganz in der Nähe winkt, weht uns frische See- und
Lebenslust eutgegeu, dort liegt die jetzige Größe der Stadt, dort tritt
uns unmittelbar das völkerverbindende, mit der Waare auch geistiges
Leben austauschende Wesen des Handels vor die Augen.
Es ist Sonntag Morgen, nach längerem, düsterem Siroccowetter
und nächtlichem Regengüsse ein frischer Wind, ein tiefblauer Himmel.
Bunt spielen die Wimpel der dichtgedrängten Schiffe, unter denen wir
einige 20 Dampfschiffe zählen; an ihrem Bord ruht heute die drin-
gende, vom einförmigen Gesang begleitete Arbeit. Jedoch an Booten
fehlt es nicht, die lustig zwischen den Colossen umher sich schaukeln.
Soeben kommt dort vom Schiff ein lustiger Schwarm kräftiger Ma-
trosen herab, sie eilen jubelnd ihren Tag zu genießen. Wie sehen sie
frisch und reinlich in weißer Wäsche, in der kurzen blauen Jacke, in
der Wachstuchmütze aus! Es find Meklenburger, die eifrig plattdeutsch
mit einander conversiren. Wie verschieden von jenen Griechen, deren
wir hier so vielen begegnen, mit ihrem scharf geschnittenen Gesicht, dem
feierlichen, orientalischen Gang, im Feß und einer Kleidung, die den
grellsten Contrast zum nordischen Sonntagstaate bildet! Und dann wie-
der Schwarze, einige aus dem feinsten, europäischen Sonntagsstaate
neugierig hervorschauend! Aber vor allem ist es die Nähe von Nord-
afrika, die einem hier, sowie besonders in Cette, als Hauptbeziehung
sich aufdrängt. Bald sind es Auswanderer, die dort hinüber wollen,
indessen oft schon in Marseille mittellos zurückbleiben, um hier mit den
Zweites Kapitel.
Chorstühle sind vorhanden. Und das ist die Metropole einer großen
Handelsstadt. Selbst die große Trinmphpforte von Air, erbaut zu
Ehren der großen Siege des Kaisers bei Marengo, Austerlitz, Fleury,
Heliopolis, hat man geschwind jetzt dem Erben seines Namens durch
eine große Inschrift geweiht. In der That wird dieser Eindruck einer
allein im Geschäftsleben sich ausprägenden Gegenwart sich jedem Frem-
den aufdrängen, der nicht rein um des Geschäftes willen oder mit der
nur des Dampfschiffes harrenden Ungeduld nach Marseille gekommen
ist, um wie vielmehr dem, der mit Liebe und Interesse von Station
zu Station sich dieser uralten Metropolis menschlicher Cultur ge-
naht hat!
Verlassen wir das enge Straßenleben; dort am Hafen, dessen
Mastenwald uns ganz in der Nähe winkt, weht uns frische See- und
Lebenslust eutgegeu, dort liegt die jetzige Größe der Stadt, dort tritt
uns unmittelbar das völkerverbindende, mit der Waare auch geistiges
Leben austauschende Wesen des Handels vor die Augen.
Es ist Sonntag Morgen, nach längerem, düsterem Siroccowetter
und nächtlichem Regengüsse ein frischer Wind, ein tiefblauer Himmel.
Bunt spielen die Wimpel der dichtgedrängten Schiffe, unter denen wir
einige 20 Dampfschiffe zählen; an ihrem Bord ruht heute die drin-
gende, vom einförmigen Gesang begleitete Arbeit. Jedoch an Booten
fehlt es nicht, die lustig zwischen den Colossen umher sich schaukeln.
Soeben kommt dort vom Schiff ein lustiger Schwarm kräftiger Ma-
trosen herab, sie eilen jubelnd ihren Tag zu genießen. Wie sehen sie
frisch und reinlich in weißer Wäsche, in der kurzen blauen Jacke, in
der Wachstuchmütze aus! Es find Meklenburger, die eifrig plattdeutsch
mit einander conversiren. Wie verschieden von jenen Griechen, deren
wir hier so vielen begegnen, mit ihrem scharf geschnittenen Gesicht, dem
feierlichen, orientalischen Gang, im Feß und einer Kleidung, die den
grellsten Contrast zum nordischen Sonntagstaate bildet! Und dann wie-
der Schwarze, einige aus dem feinsten, europäischen Sonntagsstaate
neugierig hervorschauend! Aber vor allem ist es die Nähe von Nord-
afrika, die einem hier, sowie besonders in Cette, als Hauptbeziehung
sich aufdrängt. Bald sind es Auswanderer, die dort hinüber wollen,
indessen oft schon in Marseille mittellos zurückbleiben, um hier mit den