Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Michelangelo; Steinmann, Ernst [Hrsg.]
Die Portraitdarstellungen des Michelangelo — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 3: Leipzig: Klinkhardt & Biermann, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47056#0025
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
der Schönheit öffneten, wie die Blume sich dem Glanz der Sonne auftut, diese Augen
wandten sich entsetzt von dem eigenen entstellten Bilde ab. Ein einziges Mal, nur ein
einziges Mal hat er freiwillig den Zeichenstift in die Hand genommen, ein Menschen-
angesicht nach der Natur zu zeichnen. Der volle Glanz der Schönheit hatte sein Auge
getroffen und sein Herz berührt.
Durch den Verkehr im Palast des Magnifico mußte Michelangelo mit feineren Sitten
und vornehmen Lebensgewohnheiten vertraut werden. Wir hören, daß sein Vater ihn
nicht mehr wie früher verächtlich Scarpellino sondern Scultore nanntex) und daß er ihn
besser kleidete als seine übrigen Söhne1 2) 3 4. Ja, Vasari weiß zu erzählen, daß ihm der Magnifico
als Zeichen besonderer Zufriedenheit einen violetten Mantel schenkte^. Aber der glän-
zende Luxus des Medici-Palastes hat Michelangelos ausgesprochenen Sinn für einfache Ver-
hältnisse auf die Dauer nicht zu beeinflussen vermocht. Er war außerdem von Natur zur
Sparsamkeit geneigt: »Du scheinst mir vorwerfen zu wollen,« schrieb er an Buonarroti
im September 1515^, »daß ich mir mehr aus den Dingen dieser Welt mache, als es
schicklich ist. Ich meine, es ist gut, zu jeder Zeit auf sich selbst und die eigenen Angelegen-
heiten ein wachsames Auge zu haben.« Vasari sowohl wie Condivi schildern die mehr als
einfache Lebensweise des Meisters, und Varchi glaubte in seiner Leichenrede sogar den
Vorwurf widerlegen zu müssen, Michelangelo sei in seinen Gewohnheiten und seiner Art
sich zu kleiden allzu einfach gewesen5). In der Tat hat Michelangelo seinen Freunden und
Dienern wahrhaft königliche Geschenke gemacht und heimliche Not gelindert wo er konnte.
Aber er kannte den Wert und die Macht des Geldes, das er so sauer erworben hatte. Als
es sich im Jahre 1 546 wieder einmal um einen der Landankäufe handelte, die Michel-
angelo für Brüder und Neffen in Florenz abzuschließen pflegte, schrieb er an den Neffen
Lionardo: »Ich will mich nicht übereilen, denn ich habe das Geld mit einer Mühsal
erworben von der man keine Ahnung hat, wenn man wie du mit Kleidern und Schuhen auf
die Welt gekommen ist«6).
Beschreibungen von Michelangelos äußerer Erscheinung in jüngeren Jahren besitzen
wir überhaupt nicht. Als alter Mann sah man ihn in den Straßen Roms vor allem zu Pferde
in dunklem Mantel, einen schwarzen, breitrandigen Filzhut auf dem Kopf. So hat ihn
Federigo Zuccari gezeichnet. Daß Michelangelo ein großer Pferdeliebhaber war, wird uns
mehrfach bezeugt, und der Kardinal Medici glaubte dem Meister eine besondere Freude
zu machen, als er ihm ein türkisches Pferd in die Wohnung sandte mit dem Diener es zu
unterhalten, und zehn Mauleseln, die mit Hafersäcken beladen waren7). Zu Pferde legte
Michelangelo täglich den weiten Weg von seinem Hause amTrajansforum nach St. Peter
zurück, zu Pferde besuchte er mit Vasari die Kirchen und Denkmäler Roms, und noch
1) Varchi, Orazione funerale p. 23.
2) Condivi ed. Frey p. 28.
3) Vasari VII, 143.
4) Lettere ed. Milanesi 126.
5) »Fu giudicato come troppo stretto nel vivere e troppo scarso nel vestire.« Varchi, a. a. O. p. 37.
6) Lettere ed. Milanesi p. 187. Vgl. die noch eindringlichere Mahnung sparsam zu sein auf p. 230.
7) Vasari VII, 271. Varchis Notiz (a. a. O. p. 35), daß Michelangelo einem treuen Diener, der ihm den Steigbügel
hielt, im Laufe der Jahre 2000 Scudi schenkte, wird durch ein im Arch. stör, dell’arte I (1888) p. 76 publiziertes Dokument
bestätigt. Der Diener war Antonio del Francese. —Vielleicht war es aus Dankbarkeit für dies türkische Pferd, daß Michelangelo
für den Kardinal die Zeichnung von Tityos machte (Vasari V, 374). Frey (Die Handzeichnungen Taf. VI p. 4), rechnet
das Blatt, wie mir scheint, mit Unrecht unter die Cavalieri-Zeichnungen.

8
 
Annotationen