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ausgeschrieben hat. Wir haben uns also einzig an Condivi zu wenden, wollen wir wissen,
wie sich Michelangelo seinen Zeitgenossen äußerlich dargestellt hat: »Michelangelo ist
von guter Leibesbeschaffenheit,« schreibt er, »eher sehnig und knochig als fleischig und
fett, gesund, vor allem von Natur wie durch körperliche Übung ... Er hat stets eine gute
Gesichtsfarbe gehabt, und sein Wuchs ist wie folgt beschaffen: Er ist von mittlerer Größe,
breit in den Schultern, der übrige Körper im Verhältnis zu diesen eher etwas zu fein. Die
Kopfform, wie man sie von vorne sieht, ist rund und zwar so, daß sie oberhalb der Ohren
ein Sechstel mehr als einen Halbkreis beschreibt. So treten also die Schläfen ein wenig
über die Ohren hervor, die Ohren über den Wangen und diese über das übrige, so daß
man den Kopf im Verhältnis zum Gesicht eigentlich groß bezeichnen muß. Die Stirn er-
scheint bei solcher Vorderansicht als viereckig, die Nase ein wenig eingedrückt.... Indessen
steht die Nase wie sie ist, im Verhältnis zur Stirn und zum übrigen Gesicht. Die Lippen
sind schmal, aber die Unterlippe ist etwas stärker, so daß sie im Profil gesehen ein wenig
hervorzutreten scheint. Das Kinn stimmt gut zum übrigen. Im Profil tritt die Stirne etwas
über die Nase hervor, und diese würde beinahe ganz gerade erscheinen, wenn sie nicht
in der Mitte einen kleinen Buckel hätte. Die Augenbrauen haben wenig Haare, die Augen
kann man eher klein nennen; sie sind von blauer Farbe aber wechselnd mit gelblichen
und bläulichen Flecken. Die Ohren sind normal, die Haare schwarz und ebenso der Bart,
nur daß sie jetzt bei seinem Alter von 79 Jahren reichlich grau gesprenkelt erscheinen^.
Der Bart ist gegabelt, vier bis fünf Finger lang, nicht allzu dicht, wie man es zum Teil auf
seinem Bilde sehen kann.«
Vasari sowohl wie Condivi haben vergessen zu erwähnen, daß Michelangelo die rechte
wie die linke Hand gleichmäßig zur Arbeit benutzen konnte. Raffaello da Montelupo nennt
ihn sogar linkshändig, wie er selbst es war2). Nur Arbeiten, die große Anstrengung ver-
langten, habe er mit der Rechten ausgeführt. Wie solche Arbeiten beschaffen waren, be-
richtet ein Augenzeuge, Blaise de Vigenere3). »Ich habe Michelangelo gesehen,« schreibt
er in seinen Images de Philostrate, »als er weit mehr als 60 Jahre alt und nicht einmal
mehr besonders robust war. Ich sah ihn, wie er in einer Viertelstunde von einem sehr
harten Marmorblock mehr Splitter abhieb, als drei junge Steinmetzen in drei oder vier
Stunden zu tun vermocht hätten. Es war wie eine fast unglaubliche Sache anzusehn. Er
arbeitete mit solchem Ungestüm, ja mit einer solchen Wut, daß ich meinte, das ganze Werk
müsse in Stücke gehen. Mit einem einzigen Hieb schlug er riesige Stücke von drei oder vier
Fingern Dicke vom Marmor ab, so genau an sein Zeichen heran, daß er Gefahr lief, alles
zu zerstören, hätte er auch nur ein Haar breit darüber hinaus geschlagen.« Man begreift,
daß bei einer solchen Art zu arbeiten, die rechte Hand allmählich Schaden nahm, und
in diesem Sinne gewinnt das Zeugnis Cambis Bedeutung, der berichtet, daß Michelangelo
1) Die Angabe von 79 Jahren ist nach dem Stile Fiorentino gemacht.
2) Vgl. seine Autobiographie bei Vasari (Milanesi IV, 552), wo Montelupo erzählt, wie er am »arco di Trasi« zeichnete
und Michelangelo und Sebastiano del Piombo ihm zusahen. »Arco di Trasi« wurde damals der Constantinsbogen genannt.
Vgl. Mazochius Jacob, Epigrammata antiquae urbis p. IV.
3) Die Stelle wird gewöhnlich nach Mariette (Condivi ed. Gori p. 76) zitiert. Der Originaltext (Les images de Philostrate
P- 855) lautet: A ce propos je puis dire auoir veu Micheli ’Ange, bien qu’aagd de plus de soixäte ans encore non des
plus robustes abattre plus d'escailles d’un tres dur marbre en un quart d’heure que trois ieunes tailleurs de pierre n’eussent
peu faire en trois ou quatre, chose presqu’ incroyable qui ne le verroit et alloit d’une teile impetuosite et furie que ie
pensois que tout l’ouvrage deust aller en pieces, abbatät par terre d’un seul coup de gros morceaux de trois ou quatre
doigts d’epoisseur, si ric ä ric de sa marque que s’il eusst passe outre tant soit peu plus qu’il ne fallait, il y auoit danger
de perdre tout, parce que cela ne se peut plus reparer par apres, ny replastrer comme les images d’argille ou de stuq.

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