Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Michelangelo; Steinmann, Ernst [Hrsg.]
Die Portraitdarstellungen des Michelangelo — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 3: Leipzig: Klinkhardt & Biermann, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47056#0079
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Jetzt hat er, allen sichtbar, seinen Platz in der Gallerie gefunden. Ich selbst wurde vor
vielen Jahren zuerst durch Sir W. Richmond auf den Abguß aufmerksam gemacht.
Dieser Gipskopf stimmt nicht nur in den Maßen, sondern auch sonst in allen Einzel-
heiten mit den Bronzen des Daniello da Volterra überein. Der Bart ist ebenso gelockt und
gegabelt, wie bei der Bronze in Rimini und in der Zeichnung des Pierleone Ghezzi in der
Vatikanischen Bibliothek.
Pierleone Ghezzi, der berühmte Karikaturist, erzählt (vgl. unten Tav. 60), daß er im
April d.J. 1740 von Monsignor Altoviti die Erlaubnis erhalten habe, von einer heute ver-
schollenen Bronzebüste Michelangelos im Museum der Fabbrica di San Pietro einen Gips-
abguß nehmen zu lassen. Er stellte diese Büste in seinem Studierzimmer auf, entwarf
aber zum Glück auch zwei Zeichnungen dieser Bronze en face und en profil. Diese Zeich-
nungen — wenn sie auch keinen Anspruch auf exakte Kopien erheben können — stellen
doch einwandfrei fest, daß die Bronze in St. Peter und also auch die Gipsbüste, die Pier-
leone Ghezzi besaß, auf das Modell des Daniello da Volterra zurückgehen.
Pierleone ist selbst Akademiker von San Luca gewesen und hat im Jahre 1747 für die
Akademie, sein heute dort noch erhaltenes Selbstbildnis gemalt. Sein Vater Giuseppe hat
als ständiger Sekretär unter den Akademikern keine geringe Rolle gespielt. Pierleone starb
im Jahre 175 5, und es ist anzunehmen, daß die Gipsbüste Michelangelos, auf die er so
große Stücke hielt, nach seinem Tode in die Akademie gelangte, wo Ramdohr sie bereits
im Jahre 1787 mit den Worten verzeichnet: Eine Maske des Michelangelo in Gips. (Über
Malerei und Bildhauerei in Rom, Leipzig 1787, III, 159.) Woher Sartorio (Galleria di
S. Luca. Roma 1910, p. XLII) die Notiz geschöpft hat, das Gipsporträt Michelangelos sei
mit der Hinterlassenschaft des Cavaceppi in die Akademie gelangt, vermag ich nicht zu
sagen. Jedenfalls steht fest, daß Cavaceppi erst im Jahre 1799 starb und Ramdohr das
Bildnis schon 1787 als in der Akademie befindlich erwähnt.
Die Identifizierung des Gipskopfes in der Akademie in San Luca, mit dem Abguß, den
Pierleone Ghezzi besaß, kann einstweilen nur als Hypothese gelten, eine Hypothese aller-
dings, die — wie mir scheint — die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Vgl. Missirini, Memorie per servire alla storia della Romana Accademia di S. Luca.
Roma 1823, p. 143. Jean Arnaud (L’accademie de Saint Luc ä Rome. Rome 1886, p. 420)
spricht die auch von Sartorio wiederholte Legende aus, die Gipsbüste von San Luca stelle
die Totenmaske Michelangelos dar.
TAFEL 58.
Bronze im Musee Jacquemart-Andre, Paris.
Die Bronze wirkt sehr dunkel. Das bronzene Gewandstück ist später mit dem auffallend
tief gesenkten Kopfe verbunden worden. Auch die Basis ist in Bronze ausgeführt. Die
Büste ist oberflächlich — rechts stärker als links — ziseliert.
Die Büste wurde von M. Cottier aus der Sammlung Beudelet erworben und im Jahre
1872 zum ersten Male in der Gazette des B. Arts V, 3 96, abgebildet. Sie war im Jahre 1878
in Paris ausgestellt. Vgl. Gonse, L’art ancien a l’exposition de 1878. Paris 1879, p. 172
und Fortnum, The Bronze portrait busts of Michel Angelo a. a. O. p. 174 (S. A. p. 9), Nr. 6.
Ich fühle mich der unlängst verstorbenen Mme Jacquemart-Andre zu besonderem Danke
verpflichtet für die Erlaubnis, die Büste zu sehn, und für die Möglichkeit, dieselbe hier zu
reproduzieren.

62
 
Annotationen