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Tietze, Hans [Oth.]; Tietze-Conrat, Erica [Oth.]; Dürer, Albrecht [Ill.]
Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers (1): Der junge Dürer: Verzeichnis der Werke bis zur venezianischen Reise im Jahre 1505 — Augsburg: Benno Filser Verlag G.M.B.H., 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.55259#0120
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W 50
zu 1505

Das Urbild für D. sicher eine italienische Vorlage,
nicht die Antike selbst. Da Baldinis Stich im Gegen-
sinn zur Zeichnung steht, dürfte der Stich sowie
die Zeichnung nach einer zur Zeichnung gleich-
sinnigen Vorlage entstanden sein. Den Kopien-
charakter der Zeichnung beweist die allgemeine
Lahmheit und viele Mißverständnisse im einzelnen
(z. B. die Hinterpranken der Löwen oben und unten;
die angeklebten Schweife). Monogramm und Datum
gleichzeitig, besonders unsicher im Strich.
L. 201. [Abb. p. 223.]
W 50. Zu 1505. st. B. 55.
HEILIGER SEBASTIAN. Höhe 115, Breite 71. Wir
scheiden den Stich aus dem Oeuvre D.s aus.
Die zeitliche Ansetzung innerhalb D.s Entwicklung
ist bei den Gegensätzen, die das Blatt auf weist, un-
möglich.
Der sonderbare Heilige, der seinen Charakter als
Naturstudie nach einem Leichnam oder Modellstudie
mit in der Schlinge angehängten Händen auch darin
nicht verbergen kann, daß er seine Demonstrations-
ansicht nicht durch die Pfeile (die sorgfältig die
Hauptansicht freilassen) stören läßt. Wann wäre
solche unnaturalistische Pedanterie bei D. möglich
gewesen! Die Bodenwelle nur mit graphisch ange-
deuteten Gräsern, aber doch nicht in der primitiven
Bogenlinie geschlossen wie bei den frühen Blättern,
trotzdem wieder keine Landschaftsausblicke wie bei
den späteren! Der Baum ohne organisches Gefühl
oder Verständnis für das Stoffliche. Die Schatten-
gebung an den Beinen nicht modellierend, sondern
in schrägen Schraffen wie bei den Blättern vom An-
fang des 16. Jahrhunderts. Ohne Tiefe und Sattigkeit
des Striches. Vor allem der Kopf flach, ohne Drei-
dimensionalität, die dicken Arme in verzeichneten
Schultergelenken sitzend.
Die Datierung war nicht einheitlich. Takacs (in
Kunstchronik 1907, Sp. 100) datiert 1505 wegen Zu-
sammenhang mit den Albertinazeichnungen L. 490
bis492 (A 174 bis A 176), die ähnlich realistisch sind

(Behaarung der Beine), da auch der Sebastian sich
durch diese Realistik von Barbaris »Gefesselten«
(Kristeller, Nr. 15) unterscheide. (Wir erkennen mit
E. Bock in den Albertinazeichnungen A 174 bis A 176
Arbeiten Baldungs.)
Auch Dodgson spricht von diesem Zusammenhang
mit L. 490-492 (A 174 bis A 176), denen er noch eine
zugehörige Zeichnung L. 745 (A 136) anschließt,
datiert aber trotzdem wegen der Behandlung des
Baumes und Bodens als Nr. 24 um 1499 (?).
Springer (p. 10) datiert um einige Jahre später als
B. 56 (145) in die Gruppe 1498-1503. Friedländer
(Kupferst, u. Holzschn., p. 146) 1500 (p. 14 im Text)
»beide Sebastiansdarstellungen vermutlich bald nach
der Jahrhundertwende«. 0. Hagen, »War D. in
Rom ?«in Z. f. b. K. 1917 führt den Sebastian auf den
antiken Marsyas zurück, der zu D.s Zeiten in einem
der Della Valle Paläste gestanden hat; er möchte
durch diesen Hinweis nicht nur das Motiv erklären,
sondern auch die Bärtigkeit des Heiligen. Der bärtige
Heilige muß aber nicht durch den antiken Marsyas
erklärt werden, er ist in der älteren nordischen Kunst
der üblichere Typ; vgl. die Zeichnung des älteren
Holbein im Brit. Mus. (Vasari Soc. 1905/06, I, 16).
Für D. spricht nur die Signatur - aber auch diese
fordert die Kritik heraus: Das Täfelchen ahmt ein
Papier nach, ohne seine Biegsamkeit zu haben, in
einer mißverstandenen perspektivisch nach oben ver-
jüngten Gestalt ist es durch zwei angedeutete Nägel
an dem Ast befestigt; ihm mangelt jene organische
Gestaltung, die es sonst immer hat. Wir möchten den
Stich nicht für eigenhändig, sondern für eine Arbeit,
die ein Schüler in der Werkstatt gemacht hat, halten.
Eine Art »schlechten Stichwerks«. Vielleicht könnte
man an Baldung denken, der sich mit ähnlichen
Kompositionen (vgl. die Zeichnung in Berlin, Bock,
1263, Taf. 9) beschäftigt hat. Eine alte italienische
Kopie von Benedetto Montagna, B. XIII, p. 341,
Nr. 15. Vasari zählt das Blatt unter den Arbeiten
Dürers auf. (S. Exk. VII.)
[Abb. p. 223J

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