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Vöge, Wilhelm; Panofsky, Erwin [Bearb.]
Bildhauer des Mittelalters: gesammelte Studien — Berlin, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.31190#0072
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Repertorium für Kunstwissensdiaft, Bd. XXVI, 1903, S. 312-320

Zur provençalischen und nordfranzösischen Töildnerei
des i2.Jahrhunderts

Études sur la sculpture française au moyen-âge par Robert de Lasteyrie, Membre de
l'lnstitut. Paris, Leroux, 1902, gr. 40. m. 22 Tafeln (Fondation Eugène Piot, Monuments
et Mémoires publ. p. l'Acad. des Inscriptions et Belles-lettres, Tome VIII).

Die hier scbon angekündigte Untersucbung de Lasteyries über die Daten der nordfranzö-
siscben und provenzaliscben Skulpturzyklen des 12. Jahrhunderts liegt jetzt vor. Die
Erwartung, daß der verehrte, nocb immer jungfrische Altmeister, zu dessen Füßen eine
Generation gesessen ist, iiber die verschlungenen Fragen neues Licbt breiten werde, ist
nicbt getäuscht worden. Der Band enthält wicbtige Beobacbtungen, zumal der Abscbnitt
iiber den großen Bau von Saint-Gilles ist eine Meisterleistung archäologischer Kritik,
durch die uns neue Perspektiven geöffnet werden. Die reiche Ausstattung, die Wieder-
gabe z. B. fast aller hier wichtigen südfranzösischen Inschriften geben dem schönen
Buche zudem einen bleibenden Publikationswert. Etwas anderes ist es, ob wir hier end-
giiltige Aufschliisse tiber die schwebenden Fragen erhalten. Dies darf man bezweifeln,
ohne de Lasteyrie zu nahe zu treten, der selbst sein Buch bescheiden »Studien« benamst
hat. Es ist schade, daß er das hier so wichtige oberitalienische Material1 nicht mehr hat
benutzen können. Denn so bedeutsam seine Ergebnisse fiir Saint-Gilles sind, sie ver-
mögen den sonstigen Mangel an festen Daten nicht auszugleichen. Er kommt zu nur
annähernden, zum Teil selbst zu allzuwenig annähernden Ergebnissen; auch sind sie
besonders für Südfrankreich nicht frei von inneren Widerspriichen.

Fiir den Arler Kreuzgang geht de Lasteyrie — wie wir anderen — von den in den Wänden
sitzenden Grabinschriften aus. Da er die älteste, von seinem Zeichner iibrigens ungenau
wiedergegebene2 1165 (statt 1155) setzt, grenzt er die ältesten Arkaden mit den Skulp-

1 Vgl. meinen Aufsatz über den provenzalischen Einfluß in Italien in dieser Zeitschrift 1902,
S. 409 ff.

2 Bei der Wichtigkeit der Inschrift sei hier das genauere mitgeteilt: Auf der Spitze des Q (in
dem »quinto«) ist deutlich das U angegeben, in dem O-artigen Teile des M (in der Jahreszahl)
ist 1. eine Zacke angebracht, ähnlich denen im O der ersten Zeile; das O in »anno« hat viel-
mehr die Form einer ohrartigen Schleife; desgl. das in »Trophimi«, hinter dem auch die Inter-
punktion fehlt. An dem C in »sci« ist unten ein Häkchen, wie es weiter oben das C in »cano-
nicus« zeigt; de Lasteyrie liest den Namen »de Bascle«, nach meiner Kopie ist aber der letzte
Buchstabe kein E, sondern ein O mit zwei zackenartigen Ansätzen im Innern, und der Buch-
stabe im Innern des C kein L, sondern ein I. Danach wäre Bascio zu lesen; daß der letzte Buch-
stabe kein E ist, ergibt auch seine Schmalheit im Vergleich zu dem E weiter oben. Hinter dem
Bascio fehlt bei de Lasteyrie wieder die Interpunktion, wie hinter »obiit« und »idus«. Eine
mechanische Wiedergabe der Inschrift wäre, wie man sieht, zu wünschen. — Die Ziffer X (in
 
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