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Vöge, Wilhelm; Panofsky, Erwin [Bearb.]
Bildhauer des Mittelalters: gesammelte Studien — Berlin, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.31190#0087
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Monatshefte für Kunstwissensdiaft, ]g. I, igo8, S. 1113-1115

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Ein Kölner Holzbildhauer aus romanischer Zjit

Es sei gestattet, hier auf den romanischen Engel des Kaiser-Friedrich-Museums zuriick-
zukommen, den ich kürzlich in den Berichten erwähnte1. Er ist vom Merkwiirdigsten,
was an Holzplastik aus dieserZeit erhalten blieb; typisch, doch mit erdigemBeigeschmack,
mit bäuerlichem Anflug in den betonten Backenknochen, dem lustig geschwungenen
Profil (Abb. 1 u. 2). Dieses ist besser beobachtet als die Vorderansicht des Kopfes, wie
häufig im Mittelalter, besonders im gotischen. Mit seinem feinen Gefiihl fiir die Linie
faßte es die Silhouette eher und leichter als die Face; wofiir eine Fülle iiberraschender
Beispiele an französischen Kathedralen zu finden wäre.

Die Statue ist — bis auf verlorene Teile — so wohl erhalten als liebevoll ausgefiihrt2. Wie
gut die Füße waren! Man kann es allerdings nur an dem rechten, auch nur am Originale
sehen. Unter dunkelrotem Anstrich kam die ursprüngliche Bemalung zutage: weißes Ge-
wand, weißer Mantel mit goldenen Bordüren. Das lichte Gewand läßt — wie das Thro-
nen — an einen Engel vom Grabe Christi denken, entsprechend Mathäus c. 28 v. 3: erat
vestimendum eius sicut nix. Anscheinend fiir die Profilansicht nach rechts geschaffen (wie
auf Abb. 2), wandte die Gestalt sich den von dort kommenden Frauen zu. Sie mag von
einem »heiligen Grab« sein.

Was noch zu klären wäre: die Frage nach dem Entstehungsort. Die Fährte zu weisen,
erscheint um so notwendiger, als die Herkunft der Figur von Schloß Miltenberg bei
Aschaffenburg, wie ich glaube, in die Irre leitete, nicht am Main, sondern am Nieder-
rhein, in der Kölner Gegend, findet sich Verwandtes. Ja, die thronende Maria, die ich
hier abbilde (Abb. 3)3, ist der Berliner Statue so ähnlich, daß beide nicht nur aus einer
Gegend, daß sie aus einer Künstlerhand zu stammen scheinen. Man sehe das Kopfoval,
sein Zusammenschwinden nach oben, die betonten Wangen. Die Augen, ehrlich und
nachdenklich zugleich, sind groß aufgetan und liegen doch wie unter schweren Lidern.
Die Nase, langgezogen und schwachrückig, der schmale, gepreßte, weltfremde Mund, die
überlegen emporgenommenen Brauen sind wie bei dem Engel; auch das Gewand, die im
Bogen laufenden Falten vor der Brust der Mutter, unter ihrem rechten Knie; derTreppen-
saum ihres Mantels, die geplätteten Langfalten links ihres rechten Fußes, die fein-

1 Amtliche Berichte a. d. Kgl. Kunstsammlungen, Berlin, April 1908.

2 Die fehlenden Flügel, die rechte Hand, das Szepter und der vorstehende Teil des Iinken
Daumens waren aus besonderen Stücken gearbeitet.

3 Die Reproduktion nach einem mir gütigst von Paul Clemen zur Verfügung gestellten Blatt
des rheinischen Denkmälerarchivs; eine gute Aufnahme des Bildwerks existiert meines Wis-
sens nicht. [Die Abbildung hier ist nach neuer Aufnahme gemacht.]
 
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