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Vöge, Wilhelm; Panofsky, Erwin [Bearb.]
Bildhauer des Mittelalters: gesammelte Studien — Berlin, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.31190#0086
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Das Museum (Spemann), Jg. VII, 1902

wurde gerade das Geschwungene rasch von den Ausländern, z. B. den Deutschen, auf-
gefaßt und zum Teil übertrieben.

Mit dem größeren Bewegungsdrange (seit dem 4. Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts) Hand
in Hand geht die Richtung auf größere Bewegtheit, Zierlichkeit, Zuspitzung und gleich-
sam Verflüchtigung der Körperformen (schon in dem Kopf, an Hand und Arm auf S. 155
Abb.10 wahrnehmbar). Auch diese Verneinung des Körperlichen ist also nichts allgemein
Gotisches, sie ist für ihre erste Epoche ebensowenig wie der »Schwung« charakteristisch.
Man sage nicht, diese erste Phase sei nur eine Vorstufe; es ist eine erste Bliite, wo neben
ausgereiften Werken schon die Keime einer zweiten liegen. Manches Werk von Rang ist
nicht auf uns gekommen, von den Pariser Statuen fast nichts als die sechs unbedeutenden
an St. Germain-l'Auxerrois. Zu beklagen besonders, daß die Christusstatue und die der
Madonna von Notre-Dame zu Grunde gingen. Die etwas jüngeren Statuen in Amiens
geben eine ungefähre Vorstellung von ihrer hohen Vollendung, von der reinen, hoheits-
vollen Schönheit ihrer Köpfe.

Wo wäre die französische Gotik später dem innersten Wesen ihrer höchsten Aufgaben
so nahe gekommen, als in diesen Köpfen? Ist nicht aber auch dieser Einklang eins der
Kennzeichen des Klassischen?

5. Chartres, Kathedrale.
Heimsuchung vom Iinken Portal
des nördlichen Querhauses
 
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