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Vöge, Wilhelm; Panofsky, Erwin [Bearb.]
Bildhauer des Mittelalters: gesammelte Studien — Berlin, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.31190#0265
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Freiburger Münsterblätter, Bd. XI, 1915, S. 1-9

229

ZjdmCNordportal des Freiburger CMmsterchores

Von den beiden kleinen Portalen des Freiburger Münsterchores ist das nördliche (Abb. 4)
das reichere (und geistreichere). Es scheint, daß man die Nordfront durch das schmucke
Portal nachträglich entschädigen wollte. Allerdings, es kehrt einen Teil seines Reichtums
nach innen, hat ein zweites, inneres, mit Bildwerk gefiilltes Bogenfeld. Der Enge wegen
ist der plastische Zyklus zerspalten. Außen werden Schöpfung und Siindenfall gezeigt,
innen die Passion, — die Erlösung. Da außen fiir Statuen am Gewände kein Platz war,
hat der Meister den Statuettenkranz der Archivolte (die Schöpfungsgeschichte) in zwei
Blätterkonsolen aufgefangen. Die linke greift breiter aus als die rechte. Denn das Portal,
obwohl fiir seinen Platz ersonnen, weicht etwas aus der Achse, gotisch beweglich. Zier-
lich in den Abmessungen, ruhen auch seine Bogenfelder auf schwebend auskragendem
Steinwerk, auf einem Maßwerkgehänge, das in der Mitte in ein Laubkonsölchen zu-
sammenläuft. Dies Maßwerk ergeht sich in zwiefacher Schicht entsprechend dem Hinter-
einander der beiden Tympana, die es schwebend abstiitzt. Es steigt in seiner Vorder-
schicht etwas höher; denn das riickwärtige Tympanon (mit der Passion) senkt sich etwas
mehr.

Zu einer hohen Zone entfaltet, gestattet dies durchbrochene Werk ein Zufiihren von
Licht (die hängenden Bogen sind verglast) und ein Hochfiihren ohne Schwere. Das
Lastende, das steile, mit Plastik gefiillte Tympana zu haben pflegen, ist vermieden, und
doch ist in den steilen Abmessungen des Ganzen dem Hochformat der Chorwand
zwischen den Streben genuggetan.

Das schlichtere Portal an der Siidseite des Chors kommt in der reichen Profilierung
seiner Tiirpfosten mit dem Portal der Nordseite merkwiirdigerweise aufs genaueste
iiberein1. Es scheint, daß diese reiche Profilierung der Pfosten urspriinglich fiir das nörd-
liche doppelseitige Portal ersonnen, daß sie aus den Profilen jenes in zwei Schichten
liegenden Maßwerks abgeleitet ist2, welches die nördliche Tiir iiberkrönt. Auf das siid-
liche Portal scheint sie dann übertragen zu sein. Ist diese Annahme richtig, so wäre das
siidliche Portal später, das nördliche zuerst ersonnen. Zwar, Kenner der Plastik dieser
Zeit haben das Umgekehrte angenommen, Paul Hartmann vor allem in seiner Geschichte
der Monumentalskulptur Schwabens3. Aber spricht nicht fiir den friiheren Beginn des
Nordportals die Inschrift an seiner Flanke, die iiber die Grundsteinlegung des Chorbaues
im Jahre 1354 Auskunft gibt?

1 Ein paar ganz unwesentliche Abkiirzungen abgerechnet.

2 Weshalb es aus einem vorderen und einem riickwärtigen Profil sich zusammensetzt, die ein
schmales, bandartiges Stiick Wand auseinander trennt.

3 Die gotische Monumentalplastik in Schwaben. Miinchen 1910 S. 98 und 147 Anm. 11.
 
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