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Vöge, Wilhelm; Panofsky, Erwin [Bearb.]
Bildhauer des Mittelalters: gesammelte Studien — Berlin, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.31190#0099
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Zeitschrift für bildende Kunst, Neue Folge 25,1914, S. 193-216

6?

TDie 'Bahnbrecher des CNalurstudiums um 12001

I.

Die französische Plastik des 13. Jahrhunderts ist ein von der Stilkritik noch kaum be-
tretenes Gebiet. Die auf Attributionen Erpichten in Deutschland sind ihm ausgewichen.
Die — irrtümliche — Ansicht sprach dabei mit, als seien Künstlerindividualitäten in der
gotischen Blüte gar nicht aufzufinden. In Frankreich andererseits ist wenig Stimmung für
Stilkritik und Stilfragen (beides geht ineinander für die mittelalterliche Forschung). Iko-
nographische Interessen walten vor in Frankreich. Das wichtigste französische Werk
über die Blüte (das von Mâle) — eine ikonographische Studie. — Auch André Michels
Interessen (und Feinheiten) liegen im Grunde nach dieser Seite. Wie er die Statuen des
Chartreser Querhauses ikonographisch auszudeuten, die Zartheiten mittelalterlicher
Charakterzeichnung nachzuzeichnen weiß! Doch über die Aufblüte des Stils, über den
Anteil der führenden Schulen, der einzelnen Meister sagt er uns wenig. Und hat von
anderen Gesagtes2 beiseite gelassen.

Attributionen sind in Frankreich wohl im Bereich der mittelalterlichen Baukunst gewagt
worden3. In leichten Umrissen treten einzelne Architektengestalten hervor: Jean
d'Orbais, Pierre de Montereau, Jean Langlois. Man wäre wohl gesonnen, die Bau-
geschichte des 13. Jahrhunderts mehr vom Standpunkt der Künstlergeschichte anzusehen.
Doch die Nachrichten sind spärlich. Wie viel an Erkenntnis bisweilen aus einer Zeile
quellen kann, ist merkwürdig (Pierre de Montereau)4.

Leider ist über die großen Bildhauer des 13. Jahrhunderts kaum eine Zeile von Wichtig-
keit erhalten5.

War Jean de Chelles, der inschriftlich beglaubigt ist (Paris, Kathedrale, am Südhaus),
auch der Bildhauer des Portals? Bildhauer und Architekt sind, wie ich glaube, nicht selten

1 Die Abhandlung ist aus einer Antrittsvorlesung an der Universität Freiburg i. Br. (von 1910)
erwachsen, Abschnitt 1 war dort weiter ausgesponnen und aus den Schriftquellen erläutert; es
sollen diese Belege an anderer Stelle gegeben werden.

2 André Michel, Historie de I'art, Bd. II, 1, S. 125 ff.

3 P. Bénard, Anthyme Saint-Paul, Eugène Lefèvre-Pontalis, Louis Demaison, Marcel Aubert
u. a., sehr ernsthafte, zurückhaltende Forscher, haben Zuweisungen an einzelne mittelalterliche
Baumeister gemacht.

4 Seit wir durch Henri Stein erfahren haben, daß Pierre de Montereau der Erneuerer des Schiffes
und Querhauses der Abteikirche von St.-Denis gewesen ist, sieht man erst, daß ihm die Sainte-
Chapelle in Paris zu Unrecht gegeben wurde, und daß weit eher die reizende Schloßkapelle von
Saint-Germain-en-Laye eine Schöpfung seines Genius ist, vergl. Anthyme Saint-Paul, Bulletin
monumental, 1906, 302, Anm. 1, und 1901, 91.

5 Wir haben zwar vielerlei Nachrichten über die skulpierten Steine aus dieser Zeit; doch damit
ist wenig gewonnen für die stilkritischen Fragen.
 
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