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Vöge, Wilhelm; Panofsky, Erwin [Bearb.]
Bildhauer des Mittelalters: gesammelte Studien — Berlin, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.31190#0243
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Die Bamberger Domstatuen, ihre Aufstellung und Deutung

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auch inhaltlich am besten, um so mehr, als in ihr wie in jenen ein Hinweis auf die letzten
Dinge gegeben ist15.

Man sieht, daß nicht der mindeste Grund vorliegt, die Zugehörigkeit dieser Statuen zum
Georgenchore in Zweifel zu ziehen, um so weniger, als die Kritik doch mit der Sachlage
rechnen muß, daß jene noch heute am Chore untergebracht sind.

Die zweite Hypothese aber, wonach die sechs Statuen der Adamspforte erst viel später
»im XVI. Jahrh.?« an dieser Stelle angebracht wären (unter Mißachtung der Architektur),
würde ich zu beleuchten kaum noch nöthig haben, wenn sie nicht als Ergänzung und
Begründung der ersten aufträte. — Diese sechs Statuen sind im Gegensatz zu denen im
Innern sämmtlich Säulenstatuen. Sollte dies ein Zufall sein oder nicht auch ein wenig mit
ihrer ursprünglichen Bestimmung zusammenhängen? Sollten nicht gerade sie — und sie
allein — fiir ein Portal auch von vornherein gearbeitet sein, und zwar fiir dieses, das fiir
sechs Figuren Platz bietet (vgl. S. 151 Abb. 8)?

Nur bei den Baldachinen der Adamspforte ist unterhalb des kleinen Baldachingewölbes
ein, bei Säulenstatuen nicht zu entbehrendes Kapitell angebracht. Kapitell und Baldachin
aber sind ausnahmslos aus ein und demselben Blocke. Sollte es ein Zufall sein, daß von
Baldachinen dieser Gattung nur gerade die sechs vorhanden sind, die fiir dieses Portal
nöthig waren16?

Gewisse feinere, nur aus der Nähe wahrnehmbare Anzeichen lassen erkennen, daß jene
den eigenthiimlichen Bedingungen seiner Wandungen auch Rechnung tragen. Die Bal-
dachine im Innern des Chores (wie die an der Fiirstenpforte) legen sich breit gegen die
Wand, die am Adamsportal fiigen sich spitz in die Winkel des riickwärts-seitwärts sich
zuriickziehenden Gewändes. Am deutlichsten ist das genaue sich Anpassen an die Raum-
verhältnisse bei dem Baldachin der Kaiserin. Dort nämlich, wo er sich längs der Mauer
an die Wandung anschmiegt, ist der Block wandartig stehen gelassen! eine Thatsache,
die keines Kommentars bedarf.

Ein Symptom in diesem Sinne ist es ferner, wenn allein bei dem Baldachin der Eva das
diesen und das Kapitell scheidende Profil unter dem Baldachin durchgreifend nach hinten
herumgeführt ist. Denn es hängt damit zusammen, daß dieser Baldachin den Eckplatz
erhielt, wo der Blick leichter auch die Rückseite streifte. Aehnliche Fürsicht verräth aber
auch die Eva selbst.

Unter den Baldachinen nimmt der des Stephanus eine Sonderstellung ein. Er ist nicht aus
dem Polygon, sondern aus dem Rechteck genommen. Aber dies ist dadurch bedingt, daß
hier ein Rücksprung der Wandung auch nicht vorlag. Der Stephanus steht thatsächlich
vor der Flucht der Kirchenmauer, er ist in den dieser vorgelegten Strebepfeiler ein-
gelassen. Entweder ist nun ein solcher hier schon zur Zeit der Ausschmiickung des Por-
tales vorhanden gewesen, oder die Figur stand urspriinglich im stumpfen Winkel zu den
anderen, so, daß sie das Portal flankirte. Fiir diese Auffassung kann der Umstand
sprechen, daß sie mit ihren Fiißen etwas tiefer herunterreicht als das Kaiserpaar, wäh-
rend rechts die gleiche Fußhöhe besser beobachtet ist. Daß am Portale verschiedentlich
restaurirt ist, besonders an den Sockeln der Säulen, ja, daß es von vorherein ein Werk
aus einem Gusse war, ist leicht zu sehen und altbekannt. Es war eben, ähnlich wie das

χ5 Man vergl. wieder den Hersfelder Titulus zur Darstellung der zwölf Apostel.
16 Pfister »Werkamtsrechnungen« S. 9 (in dessen »Dom zu Bamberg«).
 
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