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1494, Taf. 73 unten) den ungefähr gleichzeitigen im Narrenschiff aufs engste verwandt.
Man vergleiche die Einzelheiten, wie die Anlage der Landschaft, mit dem Haintz Narr
beschrifteten Holzschnitt (Taf. 67). Auch über die Zugehörigkeit des Augustinus-Titels
von 1489 (Taf. 71), der wiederholt dem Reißer des Ambrosius-Titels von 1492 zugeschrie-
ben worden ist, braucht vorerst wohl nicht gehandelt zu werden.

Was die kleinen Bilder des Reißers anlangt, so sind zwei mit Moses vor dem brennenden
Dombusch und König David (Taf. 74 unten) die zartesten und reizvollsten Arbeiten seiner
Hand. Sie sind einem Gebetbuch des Furter Verlags eingefügt, das spätestens 1495
erschien126. Sie sind so sorgsam und empfindungsvoll geschnitten, daß die Arbeit an
stecherische Leistungen bester Art grenzt. Hier kommt des Haintz Narr-Meisters Begabung,
die Figuren geschickt ins Bild zu stellen, am vorteilhaftesten zur Geltung. Dieselbe
Leichtigkeit und Sicherheit der Figurenfügung eignet dem umfangreichen Zyklus des
Itinerarium der Jungfrau Maria von ca. 1489 (Taf. 72 oben)127. Er ist nicht bestechend
durchgeführt wie die beiden kleinen Holzschnitte, zeichnet sich aber durch das Sprechende
von Ausdmck und Gebärden, durch einen fühlsamen, flüssigen, dabei schlichten Vortrag
aus, der unter den recht einförjnigen Linien, die ihn bilden, allerdings entdeckt werden
muß. Offenbar ging der Reißer von Augsburger Illustratoren aus, deren routinierte
Arbeiten das gleichförmige, um nicht zu sagen langweilige Augsburger Buchbild der 70er
und 80er Jahre geschaffen haben. Typus und Strichführung der Figuren, zumal der weib-
lichen in dem folgenden Werk, deuten darauf hin. Dies Defensorium der Jungfrau Maria
(Taf. 72 unten), das wie das Itinerar der Maria im Verlag Ysenhut (um 1490) erschien,
und die Meerfahrt Brandans (1491) sind Umzeichnungen älterer Vorlagen, die letztere
nach einem Augsburger Druck128. Als selbständige Erfindungen sind schließlich die „Sieben
geistlichen Laden“ (1491) und des Bertoldus’ Zeitglöcklein (1492, Taf. 74 oben) aufzufassen,
durchweg gewandte, wenn auch anspruchslosere Werke. Mit alledem ist die Liste seiner
Buchbilder vermutlich nicht abgeschlossen.

Nach dem Auftreten des Hauptmeisters (Dürer) im Ritter vom Tum und im Narrenschiff
machen die Baseler Reißer der neuen naturalistischen Kunstrichtung Konzessionen, wie
es der Haintz Narr-Meister schon während dessen Tätigkeit getan hatte. Vor allem sind

128 Sie stehen inmitten eines Bilderzyklus, bei dem sich ausnahmsweise mit verhältnismäßig großer Sicher-
heit behaupten läßt, daß eine Handsdirift mxt sehr feinen Federzeichnungen aus der 1. Hälfte des 15.
Jahrh. als Vorbild gedient haben muß. Der „weiche“ Stil schimmert nodr durch das Linienwerk.

127 Die 2 Einfiigungen in dem Bertoldus des Amerbach Verlags stehen ihnen besonders nahe
(Sdiramm XXI, 690, 694).

128 Im Defensorium sind die 2 hier abgebildeten Holzsdmitte (Taf. 72 unten) besonders ergiebig fiir
Vergleidie. Sie rüdcen die gesamte Folge sowohl in die Nähe des Augustin-Titels, mit dem sie gleieh-
zeitig entstanden sind, wie der 15 Bilder des Narrenschiffs vom Haintz Narr-Meister. Der Narr trägt
schon in dem Bildchen um 1490 die Kappe mit dem Hahnenkamm.

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