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DIE WELTKUNST

Jahrg. XI, Nr. 1 vom 3. Januar 1937




Hagia Sofia in Istambul
Die beiden interessantesten und maßgeblich-
sten Versteigerungen des Herbstes fanden bei
Math. Lempertz in Köln statt: die der Samm-
lungen Geuljans-Aachen (22.—24. Okt.) und
Camphausen-Krefeld (8.—11. Dez.). Die Stärke
beider Kunstbesitze lag bei den kunstgewerb-
lichen Arbeiten, den Möbeln und der Plastik.
Waren schon die Preise, die für die deutschen
Möbel der Sammlung Geuljans angelegt wur-
den, überraschend, so schlug der Emmericher
Schrank um 1510 aus Camphausenschem Be-
sitze, der für 40 000 M von einem Bremer
Kunstsammler erworben wurden, geradezu
einen Rekord. Trotzdem dürften auch, w<Js auf
der Geuljans-Versteigerung geschah, 3000 M
für eine Aachener Barockvitrine um 1750 in
den letzten Jahren kaum auf einer Auktion an-
gelegt worden sein, und ebenso interessant
waren Preise wie 1100 M für einen Aachener
Kleiderschrank, 2100 M für eine holländische
Vitrine, 3000 M für eine Aachener Zimmer-
täfelung. Aus der Sammlung Camphausen er-
zielten ein gotischer Paramentenschrank
6800 M, vier weitere gotische Schränke Preise
zwischen 2000 und 3800 M; ein romanischer
Schaftleuchter aus Bronze mit Silberauflage
ging für 15 000 M in den Besitz des Bonner
Museums über; drei gotische Altarleuchter-
paare stiegen auf 2400, 1700 und 1200 M, eine
niederrheinische Muttergottes um 1420 auf
6800 M und eine kölnische Sandsteinmadonna
auf 7600 M. — Neben diesen beiden wichtigsten
Ereignissen der Herbstsaison interessierten
noch die Gemäldepreise der Berliner Graupe-
Versteigerung vom 20. und 21. Oktober: 7000 M
für eine kleine Lukretia von Cranach, 8400 M
für vier Rundbildchen vom jüngeren Pieter
Brueghel, 5000 M für eine Madonna vom Mei-
ster der weiblichen Halbfiguren, 6000 M für
eine Winterlandschaft von Aert van der Neer
und 8700 M für eine kleine Landschaft von
Corot.
Der Graphikmarkt, der außer den üblichen
beiden Börner-Auktionen die beiden ersten
Teile der Graphik-Sammlung Stinnes bei
Hollstein & Puppel in Berlin aufzuweisen
hatte, kann hier außer Betracht bleiben, da er
bereits in Nr. 51/52 des letzten Weltkunst-
Jahrgangs eine ausführliche Darstellung ge-
funden hat.
Ein kurzer Blick auf die ausländische Auk-
tionstätigkeit beschließe diese Rückschau. Das
bedeutendste Versteigerungshaus New Yorks
schätzt den Umsatz des letzten Jahres um 50%
über dem des Vorjahres liegend. In England
war die Versteigerungstätigkeit gleichmäßig
rege, wenn auch wirklich hochbedeutende Be-
sitze außer der einzigartigen Sammlung Henry
Oppenheimer mit ihren Spitzenpreisen für
Handzeichnungen (Fouquet: £ 10 700; Leo-
nardo: £ 4500; Bouts £ 4200; Huber: £ 3250;
Dürer: £ 2300) vorläufig nicht auf den Markt
kamen. Doch läßt die gesteigerte Tätigkeit der
Wochen vor Weihnachten darauf schließen,
daß das Versteigerungswesen wieder stärker in
Fluß gerät. In Paris fanden, nach einer ver-
hältnismäßigen Ruhe während der Frühjahrs-
saison (Slg. d’Heucqueville, Comte de la Riboi-
siere, Lucien Sauphar), die großen Ereignisse
des Jahres im Herbst statt, nachdem die bereits
in der iLuft liegende Devalvation endgültige
Klarheit geschaffen hatte. Drei kürzliche Er-
eignisse leiten in das neue Jahr über: die Ver-
steigerungen der Sammlungen Mme de Poles
(Me Ader, 17.—18. Nov.), Gaston Menier (Me
Glandaz, 24. Nov.) und Francois Coty (Mes
Baudoin u. Ader, 30. Nov.—1. Dez.), die in
ihrer Preisbewegung die Linie einer steigenden

Pointillisten
im Museum Boymans, Rotterdam
Im Museum Boymans findet vom 25. Dezem-
ber bis 25. Januar eine Ausstellung der
„Divisionistischen Maler“ (Pointillisten), von
Seurat bis Toorop, statt. Alle ausgestellten
Werke stammen aus niederländischem Privat-
besitz. Diese Ausstellung soll den Einfluß
zeigen, den George Seurat und Paul Signac in
Holland und Belgien gehabt haben. Es sind

Daumier-Ausstellung
in der Wiener Albertina

art, Paris. Schon dieser Versuch einer Her-
vorhebung der eindrucksvollsten Blätter zeigt,
daß Hauptstücke kaum genannt werden dür-
fen, da in dieser Ausstellung jede der Kreide-
und Kohlezeichnungen und Aquarelle den Ge-
nius Daumiers in einer bedeutenden Schöp-
fung lebendig werden läßt. Zahlreich sind die
Beiträge aus der Sammlung Koenigs, Rotter-
dam (s. Abbildung). Schließlich sind die Pla¬

stiken zu erwähnen, unmittelbarer Ausdruck
des körperlichen Anschauungssinnes des Künst-
lers: die Statuette des Ratapoil aus dem
Louvre, sechs Politiker-Büsten aus Privatbesitz
(Paris) und zwei kleine Figuren. Daumiers
Tätigkeit als Maler deutet die Oelpinselstudie
(Bildnis Daubigny) an, die als Stiftung des
Freiherrn E. von der Heydt den Staatssamm-
lungen verbleiben wird. K. Blauensteiner

(Photo Archiv)

Hausse, veranlaßt in erster
Linie durch die Flucht in
die Sachwerte, abzeichnen.
Charakteristisch dafür sind
Preise wie 930 000 ffr.
für eine Houdon - Büste,
775 000 ffr. für ein Damen-
bildnis Nattiers, 1 500 000 ffr.
für die ,.Belle Strasbour-
geoise“ von Largilliere,
580 000 und 425 000 ffr. für
die Bilder von Watteau und
Reynolds, 320 000 ffr. für
eine Studienzeichnung Wat-
teaus oder 600 000 ffr. für
vier Wandteppiche von
Behagle.
Es ist kaum anzunehmen,
daß sich diese jetzt an-
gebahnte Entwicklung nicht
sowohl in Deutschland wie
im Auslande weiter fort-
setzen wird. Das besonders
in Deutschland in den letz-
ten Jahren stark erwachte
Interesse für das Sammeln
läßt erwarten, daß sich auch
das bis jetzt noch immer, im
Verhältnis zur Nachfrage
spärliche Angebot auf den
Auktionen vermehren wird,
nachdem das in den Krisen-
jahren zu verzeichnen ge-
wesene Zurückhalten des
Materials heute, bei der
Preisentwicklung, die das
letzte Jahr aufgezeichnet
hat, “sinnlos geworden ist.

Fritz von Uhde, Bayrische Trommler. 1883. Leihgabe der Gemäldegalerie
Dresden für die Ausstellung „Dos Sittenbil d", Berlin, Prin-
zessinnenpalais (Photo Archiv)

Schweden stammen. Eine schöne Kreidezeich-
nung aus der Albertina vertritt die Frühzeii
des Künstlers. Hauptwerke sind aus dem
Louvre „Die Suppe“, dann die ideale Kompo-
sition „Der Kuß“, aus der Kopenhagener Glyp-
tothek „Vor dem Tribunal“, aus der Sammlung
Laurin, Stockholm, „Die feine Flasche“, ferner
je ein Blatt aus der Nationalgalerie, Berlin
(„Richterköpfe“) und der Kunsthalle Bremen
(„Eine ihr Kind reinigende Frau“), schließlich
„Die Reiter“ der Sammlung Roger-Marx, Paris,
und „Im Theater“ aus der Sammlung E. Rou-

Im Antikenmu-
seum, dessen Plastik-
Katalog von Prof. Schede,
dem Direktor des deut-
schen archäologischen
Instituts in Istanbul, 1928
verfaßt wurde, sind die
mächtigen sidonischen
Marmorsarkophage be-
sonders bedeutungsvoll.
Der sogenannte Alexan-
dersarkophag, der in
vortrefflicher Erhaltung
mit seiner ursprüng-
lichen Bemalung ge-
funden wurde, ist das
berühmteste Stück der
ganzen Sammlung.
Das Cin i I i - Kös k-Mu se um ist aus-
schließlich der islamischen und türkischen
Kunst gewidmet. Prof. Kühnel hat den Auf-
trag erhalten, den Katalog dieser Sammlung
vorzubereiten. Die Kunstwerke der ägyp-
tischen, sumerischen, babylonisch-assyrischen,
hettitischen und parthischen Kunst sind im
Museum des alten Orient zusammengefaßt.
Besonders eindrucksvoll ist jetzt auch die
Hagia Sophia geworden, die aus einer Moschee
in ein Museum verwandelt wurde und deren
alte Mosaiken in mühevoller Arbeit durch

Kunst- und Museumfragen der neuen Türkei

Die als gemeinsame Veranstaltung von
Albertina und Kulturbund eröffnete Ausstel-
lung zeigt erstmals in Wien die Gestalt Dau-
miers im ganzen Umfang seines gewaltigen
Schaffens, sowohl Daumier als Lithograph, wie
auch jene andere Seite, die man in ihrer Größe
erst lange nach seinem Tode kennen und wür-
digen gelernt hat und der seine Zeichnungen,
Aquarelle und Plastiken angehören. Die gegen-
wärtige Ausstellung verdankt ihr Zustande-
kommen einer Anregung des Kustos Dr. E.
Kris (Kunstliist. Mus.), der die Einleitung zum
Katalog schrieb und gemeinsam mit Dr. O
B e n e s c h (Albertina) das Material zusam-
mengestellt und bearbeitet hat.

Das lithographische Werk Daumiers wird
in einer Auswahl von nahezu 200 Blättern ge-
zeigt, die dem Thema nach in Gruppen ge-
ordnet sind. Für die in sieben Sälen zusam-
mengeschlossenen Aquarelle und Zeichnungen
konnten bedeutende Leihgaben des Auslandes
gewonnen werden, die aus Deutschland, der
Schweiz, Holland, Frankreich, Dänemark und

Bei einer Fahrt durch die neue Türkei, die
seit der Regierung Kamal Ata-Türks ein völlig
verändertes Gesicht bekommen hat, kann man
nicht nur die moderne Organisation eines auf-
strebenden Landes bewundern; es bieten sich
dem Reisenden auch bedeutsame Rückblicke
in vergangene Kulturepochen. Die kleinasia-
tische Erde schenkte uns die unermeßlichen
Schätze des alten Troja, den gewaltigen Per-
gamonaltar und die klassischen Reste von
Ephesos, Milet, Tralles, Priene, Colossos und
Hierapolis. Ein großer Teil aller antiken Zivi-
lisationen entwickelte sich auf dem Boden, der
heute türkisch ist. Alle Kulturepochen haben
liier ihre Einflüsse geltend gemacht und sich
zu hoher Blüte ent¬
wickelt. Den Babylo¬
niern und Assyrern
folgten Hettiter und
Phrygier, Griechen und
Römer; das oströmisch¬
byzantinische Reich wird
von Arabern, Seldschuk-
ken und Ottomanen er-
obert, die zum Teil die
vorhandenen Baudenk¬
mäler für ihre eigenen
Zwecke umgestalteten
oder neue Moscheen,
Paläste und Bäder in
ihrem eigenen Stil er-
richteten.
Fast zweihundert Aus¬
grabungsstätten haben
uns manche Geheim¬
nisse versunkener Epo¬
chen preisgegeben. Die
türkischen Sultane hat¬
ten es versäumt, durch
eine strenge Gesetzge-
bung ihr Land gegen
die Ausfuhr nationaler
Kunstschätze zu sichern.
Sie haben sich im Ge¬
genteil nicht gescheut,
die wertvollsten Kunst-
denkmäler für lächerliche Summen zu ver-
schleudern. So kommt es, daß die türkischen
Museen heute bei weitem nicht so viel ent-
halten, wie man sich nach dem Studium der
Landkarte und der Fülle archäologischer
Funde von ihnen verspricht und daß die weni-
gen Kunstsammlungen trotz ihres Umfanges
doch recht fragmentarisch wirken.
Die meisten Museen befinden sich heute
noch in Istanbul. Man denkt aber an eine
Verlegung in die neue Hauptstadt Ankara, die
heute nur eine umfangreiche Sammlung hetti-
tischer Kunst birgt. Wie
in Berlin sind auch in
Istanbul alle Museen in
einem Komplex zusam-
mengefaßt, nämlich im
Schloßpark des alten
Serail.

Prof. Whittemoore vom Stuck befreit und bloß-
gelegt werden. So wurde uns ein Baudenkmal
römisch-byzantinischer Kunst wiedergeschenkt,
das durch die bilderfeindliche Einstellung des
Islam Jahrhunderte lang unter einer dicken
Stuckdecke verborgen blieb (s. Abb.).
Kamal Ata-Türk hat eine neue, großzügige
Initiative im Ausgrabungswesen unternommen.
Viele türkische Archäologiestudenten wurden
aus Deutschland und Frankreich nach Absol-
vierung ihrer Studien in ihre Heimat zurück-
gerufen, um an 70 Orten Ausgrabungen zu
unternehmen, um die Vorgeschichte ihres Lan-
des zu erforschen und die neuen Funde den
türkischen Museen zuzuführen.

Viele neue Entdeckungen sind auf türki-
schem Boden für die nächsten Jahre zu er-
warten, und es ist zu hoffen, daß dieses „junge
und neue Volk“ manches dazu beitragen wird,
unser Wissen von den ältesten Zivilisationen
auf kleinasiatischem Boden zu erweitern.
Dr. Fritz N e u g a s s
Münchener Kunstverein
Man darf mit Befriedigung feststellen, daß
die diesjährige Weihnachtsausstellung Mün-
chener Künstler in keiner Weise den Charak-
ter einer Notstandsaktion trägt, sondern viel-
mehr einer in jeder Hinsicht vollwertigen,
streng zensurierten Kunstausstellung. Alles was
geboten wird — Plastik, Malerei, Graphik,
Kunstgewerbe — steht auf überraschend
hohem Niveau. L. F. Fuchs

Daumier, Der Advokat. Leihgabe der Sammlung Koenigs-Haarlem für
die Daumier-Ausstellung derAlbertina, Wien (Photo Frequin)

Kunsthistorisches Museum, Wien
Als Ergebnis eines Abkommens zwischen
den staatlichen Münzkabinetten in Wien und
im Haag ist im Münzkabinett des Wiener
kunsthistorischen Museums eine Ausstellung
holländischer Medailleurkunst der letzten 25
Jahre zu sehen. Von der älteren Generation
sind C. van der Hoeff, Toon Dupuis, Jeltsema
und Wienecke besonders reich vertreten. Ein-
zelne Medaillen des letzteren fallen durch die
ungemeine Zartheit und Delikatesse der Aus-
führung auf. Als Porträtplastiker steht J. J.
van Goor, der noch mit A. Begeer, dem Be-
gründer der modernen niederländischen Me-
daillenkunst zusammen arbeitete, an erster
Stelle. Die Medaillen von Huib Luns zeichnen
sich durch die scharfe Charakterisierung des
Dargestellten und einen überaus kultivierten
dekorativen Geschmack aus. Dieser ist ganz
besonders für die Arbeiten der jüngeren Gene-
ration bezeichnend, der unter anderen Carei
Begeer, der Sohn von Anthonis Begeer, selbst
einer der bedeutendsten holländischen Medail-
leure, und der begabte J- Bolle, angehören. Die
zum Ornament gewordene Pflanze, das unter
dem Einfluß ostasiatischer Kunst stilisierte
Tier, spielen in ihren Arbeiten, sowie über-
haupt in denen der Jungen, eine bedeutsame
Rolle und geben der modernen holländischen
Medaillenkunst ihre eigene Note.
Stefan Poglay en - Neu wall

Holländische
Medaillenkunst

HANS BURGHARD

Farbstiche / Antiquitäten / China

Berlin W35, Vicioriasir. 2. / Telefon: Lülzow B2 6380
 
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