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DIE WELTKUNST
Racheli, dem italienischen Kunsthandel amt-
lich den Weg vorgeschrieben, den er zu gehen
hat. Racheli hat auf die günstigen Erfolge der
Altkunstmesse von Cremona hingewiesen und
Oberrheinisch um 1480. Das Martyrium der heilg. Ursula
Neuerwerbung der Gemäldegalerie,
Berlin (Foto Museum)
besonders darauf aufmerksam gemacht, wie
stark der inländische Markt angesprochen hat.
Er hat von der Kunsthandelsfederazione im
Namen der Regierung verlangt, daß diese, erste
Ausstellungsmesse der Kunst nur der Anfang
einer Serie von regelmäßig zu organisierenden
Märkten zu sein hat. Dabei soll die Kunst-
handelsfederazione selbst die Veranstalterin
sein und in den jeweiligen nationalen Veran-
staltungskalendern die stets für ein Jahr im
Oktober herausgebracht werden, diejenige
Veranstaltung künstlerischer Art heraussuchen,
die die günstigste Umgebung für eine Kunst-
messe verspricht. Die Kriterien, mit denen
die erste Messe organisiert worden ist, hätten
sich bewährt und die gemachten Erfahrungen
seien zur Vervollkommnung noch auszunutzen.
Es sei aber unter allen Umständen, auch wenn
die Regierung jetzt das Gesetz über die Aus-
fuhr von Kunstwerken revidiert, darauf zu
halten, daß sich der Kunsthandel endlich für
den Inlandsmarkt nicht nur als Warenquelle,
sondern als Umsatzplatz interessiert. Wenn
die großen ausländischen Häuser Weltruf und
Weltbedeutung haben erwerben können, so sei
das bei aller Internationalität der jetzigen Be-
sucherschaft der Auktionen vor allem darauf
zurückzuführen, daß diese Häuser sich zu-
nächst einmal auf der sicheren Basis einer in-
ländischen Kundschaft entwickelt haben.
Darin liege der grundsätzliche Unterschied
zum italienischen Kunsthandel, der an dem
Verkauf an den Ausländer gewachsen sei und
überhaupt der Nachfrage von Italienreisenden
ausländischer Nationalität sein Entstehen ver-
danke. Der Kunsthandel Italiens habe also
immer als der Exporteur oder der Vermittler
zum Export gedient und diese seine Rolle lasse
vollkommen verstehen, warum die Entwick-
lung ihn im Vergleich zu den ausländischen
Häusern zu einer zweiten Klasse des Kunst-
handels habe werden lassen. Eine sonderliche
Gunst konnte einem solchen Kunsthandel auch
von keiner Regierung zugebilligt werden,
denn immer fungierte der Handel als der Ver-
armer der Nation an Kunstbesitz, selbst wenn
er dafür Devisen in das Land brachte. Bei der
Lage, die sich in Cremona ausgewiesen habe,
werde es aber dem italienischen Kunsthandel
durchaus möglich sein, sich in eine Reihe mit
dem europäischen und amerikanischen Handel
zu stellen, denn es werde immer in erster
Linie eine italienische Kundschaft zu berück-
sichtigen sein. Dann aber wird ein Verkauf
nach dem Ausland von einzelnen Stücken
immer möglich sein, es wird dann aber auch
die eventuelle Einfuhr und damit eine An-
reicherung an Kunstwerken möglich werden;
zum mindesten könnte denkbar sein, daß ein
Ausgleich zwischen Ein- und Ausfuhr wenig-
stens bis zu einem gewissen Ausmaße eintritt.
Denn selbst wenn anzuerkennen sei, daß der
Kunsthandel aus Schöpfungen des italienischen
Volkes Gold für das heutige Italien schaffe,
so ist einmal bei der bisherigen Organisation
die eigentliche Aufwertung des Kunstgegen-
standes immer erst im Auslande und nicht in
Italien erfolgt, Italien hat also von den Wert-
zuwachsen nichts gesehen, zum anderen aber
erbringe die Ausfuhr doch eine langsame Ver-
armung des Landes an Kunstwerken, die
schließlich bei allem Reichtum an Kunst-
werken doch zu einer Art von Ausverkauf
führen muß. Es ist bezeichnend, daß die Rück-
erwerbungen italienischer Kunstwerke aus
dem Auslande — im Gegensatz zum Rückkauf
des Kunstgutes anderer Nationen in den ent¬
sprechenden Ländern — zu außerordentlichen
Seltenheiten gehört und fast immer dann,
wenn sie vorgenommen worden sind, durch
den Staat oder mit Hilfe des Staates erfolgt
sind. Auch in der Wiedererwerbung schon
verloren gegangenen Kunstgutes aber besteht
ein Teil der Aufgaben des Kunsthandels.
„66 Gemälde suchen ihren Meister44
Unter diesem Titel veranstaltet die Gesell-
schaft „La Peau de l’Ours“ (die Bärenhaut) im
Brüsseler Palais des Beaux Arts eine Ausstel-
lung von meist recht guten Werken, die aber
ohne Meisternamen durch die Jahrhunderte
und durch die Sammlungen wanderten. Keine
großen und keine kleinen Meisternamen wer-
den genannt; der Katalog der Ausstellung um-
faßt statt der Beschrei¬
bung die Abbildung der
Gemälde; leider nicht
immer in so guter Wie-
dergabe, daß dies die
Suche erleichtert, wäh-
rend die Maßangaben
nicht immer darüber hin-
weghelfen, daß ein klei¬
nes Bild größer als ein
großes reproduziert wird.
Doch diese Bemer-
kung darf vor allem
nicht mißdeutet werden,
sie betrifft nur eine
Kleinigkeit an einer
ebenso originellen als
wohlgelungenen Ausstel¬
lung. Da hängen nun
die Gemälde, geben dem
Kunstfreund und Kunst-
gelehrten Rätsel auf
und wirken kraft ihrer
Qualität, unbeschwert
durch Namen, Zuschrei¬
bungen, Expertisen; wie
Bilder — und Men-
schen — allein wirken
sollen, durch sich selbst,
durch die Leistung. Weil
aber der Mensch —
und der Kunstfreund
ist ein besonders wiß-
begieriges Spezimen die-
ser Gattung — nun
einmal wissen will,
und vielleicht der eine
oder andere Besucher
— auch wenn er sich
nicht nur aus dem Kreise der Museumsbeam-
ten, Kunstforscher und Kunsthändler — Mut-
maßungen aussprechen will oder Zuschreibun-
gen geben zu können glaubt —, legt die für-
sorgliche Ausstellungsleitung Formulare für
die Besucher auf, mit der Aufforderung, ihre
Zuschreibungen mitzuteilen. — Das Spiel, das
hoher Ernst sein kann, beginnt!
Kopf eines Apostels, Sandstein, um 1250, aus Chartres. Höhe 29 cm
Versteigerung Galerie Fischer, Luzern
vom 30. August bis 4. September 1937 (Bericht in der nächsten Ausgabe)
(Foto: Fischer)
Moderne /luisieniings-Prinzipien
Schenkung an die Akademie der bildenden Künste in UAien
ur-
Vor etwa zwei Jahren wurde an die Wiener
Akademie der bildenden Künste als Legat
Frau Johanna v. Albrecht-IIönigschmied die
Kleinplastikraum
(Foto J. Scherb)
unverwandte
Dieses
ist meisterhaft
ersten beiden
durchgeführt,
große Anzahl
und italieni-
an-
alte Kunstwerke erzielt werden kann.
Romanische und gotische Plastik steht
sprünglich immer vor glatten Holz- oder Stein-
wänden, ohne drapierte,
stofflich
Hintergründe.
Prinzip
in den
Räumen
wo eine
deutscher
scher Skulpturen in
genehmer Abwechslung
mit Werken der Malerei
etwa der gleichen Zeit-
perioden zur Aufstellung
gebracht ist. Die Wände
sind hart in einem küh-
len elfenbeinfarbigen
Ton gehalten, alle Ni-
schen, die zur Unterbrin-
gung zahlreicher Hoch-
reliefs und Nischenplasti-
ken dienen, in verschiede-
nen, zum jeweiligen Ge-
genstände harmonisch ab-
gestimmten Halbtönen ge-
halten. Auf den Wand-
an Kunstwerken und kunstgewerblichen Ge-
genständen reiche Einrichtung der Sammler-
wohnung der Verstorbenen und ihres Gatten
geschenkt. Es war daran die Bedingung ge-
knüpft, daß die Gegenstände dieser Sammlung
Unter möglichster Wahrung der Einheitlichkeit
in eigens hierfür bestimmten Räumen zur Auf-
stellung gelangen. Mit der Durchführung
dieser Arbeit wurde seitens der Erblasserin
Professor Dr. Robert Eigenberger be-
traut. Dieses Werk ist nun zum Abschluß ge-
kommen und wurde jüngst eröffnet und dem
Besuche freigegeben.
Die Arbeit, der sich Professor Eigenberger
bei der Aufstellung der Sammlung unterzogen
hat, war aus mehr als einem Grunde sowohl
durch die Gegebenheit der Räume als auch
durch den wesentlich und qualitativ so hetero-
genen Charakter der Sammlungsbestände er-
schwert. Für Oesterreich kann man die Auf-
stellung der Albrecht-Hönigschmiedschen
Sammlung ruhig als die erste völlig von neuen
Gesichtspunkten geleitete Aufstellung einer
Sammlung so verschiedenartigen Materials be-
zeichnen. Es wurde gezeigt, daß durch rich-
tige Verwendung von Raumeinteilung und
Gliederung der Wände und eine richtige Ver-
wendung gut zusammenklingender, unauf-
dringlicher Farben unter Vermeidung von
Vorhängen, Draperien und Hintergründen
die reinste und stilechteste Wirkung für
borden keramische Arbeiten der italienischen
Spätrenaissance und einige, hier als Silhouet-
ten wirkende dunkelpatinierte italienische
Bronzen beleben den Raum, ohne ihn seiner
Strenge zu entkleiden. Dazu gestimmt ist
auch spärliches, dunkelgetontes italienisches
Renaissancemobiliar. In der Mitte des Raumes
ein ganz moderner, zum bequemen Sitzen
dienender Divan, den man in seiner Beschei-
denheit von Form und Farbe kaum bemerkt.
Der dritte Raum, schon wesentlich durch
die Bespannung mit goldgelbem Stoff wärmer
und weicher wirkend, bringt das Kunst-
gewerbe der Renaissance und Barock in drei
vertieften Wandvitrinen zwischen auserlese-
nen Malereien des 16. und 17. Jahrhunderts.
In jeder der Vitrinen kommt jeder Gegenstand
seiner Bedeutung entsprechend zur Geltung
und ist doch nur ein Teil einer dekorativen
Wandfläche, faßt man die Vitrine als Ganzes
ins Auge; eine Art der Aufstellung, wie sie
durch den Charakter der Privatsammlung bei-
behalten werden muß und hier auf das Glück-
lichste gelöst erscheint, indem die hellen Far-
ben alter Majoliken, die reichen Oberflächen
getriebener Silberarbeiten und die stumpfen
Töne von Kleinbronzen einander harmonisch
ergänzen. Das in der Form und Farbe voll
getönte und warme Mobilar dieses Raumes
macht ihn wohnlich und damit ist ein zweites
Problem der neuen Aufstellung angeschnitten.
In dieser Aufstellung wird nämlich deutlich
aufgezeigt, wie ein Sammler auch im Rahmen
allermodernster Architektur imstande ist, je-
dem Gegenstände jedweder Stilepoche seine
ursprüngliche Geltung und Schönheit nicht
nur zu erhalten, sondern sogar zu heben. Den
Kunsthändlern unserer Tage, denen vielfach
von ihren Sammlern unter Hinweis auf mo-
derne Wohnungsarchitektur der Ankauf von
Kunstwerken abgelehnt wird, ist mit dieser
Art von Aufstellung ein starkes Argument in
die Hände gegeben. Jeder dieser Räume läßt
sich sehr gut als Bestandteil einer modernen
Sammlerwohnung auch bewohnt denken. Wir
haben es hier nicht mit rein musealer Auf-
stellung, Schema Provinzialmuseum,. Kunst-
gewerbemuseum etc. zu tun, sondern mit der
Eingliederung Verschiedenstem in Räume mo-
dernster Einteilung. Eine der bedeutendsten
Neuerungen dieser Aufstellung ist die Art,
sich mit der Frage der alten Textilien ausein-
anderzusetzen. Wie wurden solche in frühe-
ren Sammlungen aufbewahrt oder ausgestellt?
Die öffentlichen Sammlungen konservieren
Textilien auf Rahmen gespannt in Kästen,
unter oder zwischen Glasplatten, wenn sie be-
sonders kostbar sind. Der Privatsammler hat
die Stoffe entweder gefaltet oder gerollt in
Kästen und Truhen oder aber als Draperien,
Tischdecken. Ueberwürfe etc. dem Wohnungs-
bild eingegliedert. In dem ersteren Falle sind
Form und Farbwerte für den Besitzer un<f
Besucher verloren, im andern Falle sind of'
brüchige und schadhaft werdende Stücke
durch freies Hängen und den täglichen Um-
gang mit Menschen der weiteren Abnützung
und Zerstörung ausgesetzt.
Die neue Art der Unterbringung vereinig'
die Vorteile beider Aufbewahrungsarten. Die
Stoffe kommen in ihrem körperlichen und far-
bigen Werte voll zur Geltung, können, wie es
hier geschehen ist, durch geschmackvolles Ab-
stimmen im Ton in den einzelnen Wandkästen
gruppiert zu einer selbständigen Wandfl ächen-
dekoration werden und sind dennoch bei Ver-
wendung entsprechender Konservierungsmittel
in den luftdicht verschraubten Behältern jeder
Zerstörung durch Abnützung oder tierische
Schädlinge entzogen. Raum IV der Samm-
lung, der den Textilien gewidmet ist, zeigt auf
diese Weise für den Textilsammler eine neue
Art, seine Objekte dekorativ unterzubringen:
und man kann sich das Zimmer dabei aud1
ganz gut mit modernen Möbeln bestellt den-
ken. Der letzte Raum, man könnte ihn als das
Studio eines Kleinplastikers bezeichnen, bring'
Bronzen, kleine Plastik in Holz, Elfenbein-
Alabaster etc. und etliche feine Stickereien, die
wieder in überaus glücklicher Weise m>t
Kunstwerken verschiedensten Materials 111
einer die Querwand einnehmenden Vitrine z"-
sammengestellt erscheinen.
s t 8
Sammlung Albrecht-Hönigschmied: Barockraum. Wien, Akademie der Kun
(Foto J. Sch«rbl
DIE WELTKUNST
Racheli, dem italienischen Kunsthandel amt-
lich den Weg vorgeschrieben, den er zu gehen
hat. Racheli hat auf die günstigen Erfolge der
Altkunstmesse von Cremona hingewiesen und
Oberrheinisch um 1480. Das Martyrium der heilg. Ursula
Neuerwerbung der Gemäldegalerie,
Berlin (Foto Museum)
besonders darauf aufmerksam gemacht, wie
stark der inländische Markt angesprochen hat.
Er hat von der Kunsthandelsfederazione im
Namen der Regierung verlangt, daß diese, erste
Ausstellungsmesse der Kunst nur der Anfang
einer Serie von regelmäßig zu organisierenden
Märkten zu sein hat. Dabei soll die Kunst-
handelsfederazione selbst die Veranstalterin
sein und in den jeweiligen nationalen Veran-
staltungskalendern die stets für ein Jahr im
Oktober herausgebracht werden, diejenige
Veranstaltung künstlerischer Art heraussuchen,
die die günstigste Umgebung für eine Kunst-
messe verspricht. Die Kriterien, mit denen
die erste Messe organisiert worden ist, hätten
sich bewährt und die gemachten Erfahrungen
seien zur Vervollkommnung noch auszunutzen.
Es sei aber unter allen Umständen, auch wenn
die Regierung jetzt das Gesetz über die Aus-
fuhr von Kunstwerken revidiert, darauf zu
halten, daß sich der Kunsthandel endlich für
den Inlandsmarkt nicht nur als Warenquelle,
sondern als Umsatzplatz interessiert. Wenn
die großen ausländischen Häuser Weltruf und
Weltbedeutung haben erwerben können, so sei
das bei aller Internationalität der jetzigen Be-
sucherschaft der Auktionen vor allem darauf
zurückzuführen, daß diese Häuser sich zu-
nächst einmal auf der sicheren Basis einer in-
ländischen Kundschaft entwickelt haben.
Darin liege der grundsätzliche Unterschied
zum italienischen Kunsthandel, der an dem
Verkauf an den Ausländer gewachsen sei und
überhaupt der Nachfrage von Italienreisenden
ausländischer Nationalität sein Entstehen ver-
danke. Der Kunsthandel Italiens habe also
immer als der Exporteur oder der Vermittler
zum Export gedient und diese seine Rolle lasse
vollkommen verstehen, warum die Entwick-
lung ihn im Vergleich zu den ausländischen
Häusern zu einer zweiten Klasse des Kunst-
handels habe werden lassen. Eine sonderliche
Gunst konnte einem solchen Kunsthandel auch
von keiner Regierung zugebilligt werden,
denn immer fungierte der Handel als der Ver-
armer der Nation an Kunstbesitz, selbst wenn
er dafür Devisen in das Land brachte. Bei der
Lage, die sich in Cremona ausgewiesen habe,
werde es aber dem italienischen Kunsthandel
durchaus möglich sein, sich in eine Reihe mit
dem europäischen und amerikanischen Handel
zu stellen, denn es werde immer in erster
Linie eine italienische Kundschaft zu berück-
sichtigen sein. Dann aber wird ein Verkauf
nach dem Ausland von einzelnen Stücken
immer möglich sein, es wird dann aber auch
die eventuelle Einfuhr und damit eine An-
reicherung an Kunstwerken möglich werden;
zum mindesten könnte denkbar sein, daß ein
Ausgleich zwischen Ein- und Ausfuhr wenig-
stens bis zu einem gewissen Ausmaße eintritt.
Denn selbst wenn anzuerkennen sei, daß der
Kunsthandel aus Schöpfungen des italienischen
Volkes Gold für das heutige Italien schaffe,
so ist einmal bei der bisherigen Organisation
die eigentliche Aufwertung des Kunstgegen-
standes immer erst im Auslande und nicht in
Italien erfolgt, Italien hat also von den Wert-
zuwachsen nichts gesehen, zum anderen aber
erbringe die Ausfuhr doch eine langsame Ver-
armung des Landes an Kunstwerken, die
schließlich bei allem Reichtum an Kunst-
werken doch zu einer Art von Ausverkauf
führen muß. Es ist bezeichnend, daß die Rück-
erwerbungen italienischer Kunstwerke aus
dem Auslande — im Gegensatz zum Rückkauf
des Kunstgutes anderer Nationen in den ent¬
sprechenden Ländern — zu außerordentlichen
Seltenheiten gehört und fast immer dann,
wenn sie vorgenommen worden sind, durch
den Staat oder mit Hilfe des Staates erfolgt
sind. Auch in der Wiedererwerbung schon
verloren gegangenen Kunstgutes aber besteht
ein Teil der Aufgaben des Kunsthandels.
„66 Gemälde suchen ihren Meister44
Unter diesem Titel veranstaltet die Gesell-
schaft „La Peau de l’Ours“ (die Bärenhaut) im
Brüsseler Palais des Beaux Arts eine Ausstel-
lung von meist recht guten Werken, die aber
ohne Meisternamen durch die Jahrhunderte
und durch die Sammlungen wanderten. Keine
großen und keine kleinen Meisternamen wer-
den genannt; der Katalog der Ausstellung um-
faßt statt der Beschrei¬
bung die Abbildung der
Gemälde; leider nicht
immer in so guter Wie-
dergabe, daß dies die
Suche erleichtert, wäh-
rend die Maßangaben
nicht immer darüber hin-
weghelfen, daß ein klei¬
nes Bild größer als ein
großes reproduziert wird.
Doch diese Bemer-
kung darf vor allem
nicht mißdeutet werden,
sie betrifft nur eine
Kleinigkeit an einer
ebenso originellen als
wohlgelungenen Ausstel¬
lung. Da hängen nun
die Gemälde, geben dem
Kunstfreund und Kunst-
gelehrten Rätsel auf
und wirken kraft ihrer
Qualität, unbeschwert
durch Namen, Zuschrei¬
bungen, Expertisen; wie
Bilder — und Men-
schen — allein wirken
sollen, durch sich selbst,
durch die Leistung. Weil
aber der Mensch —
und der Kunstfreund
ist ein besonders wiß-
begieriges Spezimen die-
ser Gattung — nun
einmal wissen will,
und vielleicht der eine
oder andere Besucher
— auch wenn er sich
nicht nur aus dem Kreise der Museumsbeam-
ten, Kunstforscher und Kunsthändler — Mut-
maßungen aussprechen will oder Zuschreibun-
gen geben zu können glaubt —, legt die für-
sorgliche Ausstellungsleitung Formulare für
die Besucher auf, mit der Aufforderung, ihre
Zuschreibungen mitzuteilen. — Das Spiel, das
hoher Ernst sein kann, beginnt!
Kopf eines Apostels, Sandstein, um 1250, aus Chartres. Höhe 29 cm
Versteigerung Galerie Fischer, Luzern
vom 30. August bis 4. September 1937 (Bericht in der nächsten Ausgabe)
(Foto: Fischer)
Moderne /luisieniings-Prinzipien
Schenkung an die Akademie der bildenden Künste in UAien
ur-
Vor etwa zwei Jahren wurde an die Wiener
Akademie der bildenden Künste als Legat
Frau Johanna v. Albrecht-IIönigschmied die
Kleinplastikraum
(Foto J. Scherb)
unverwandte
Dieses
ist meisterhaft
ersten beiden
durchgeführt,
große Anzahl
und italieni-
an-
alte Kunstwerke erzielt werden kann.
Romanische und gotische Plastik steht
sprünglich immer vor glatten Holz- oder Stein-
wänden, ohne drapierte,
stofflich
Hintergründe.
Prinzip
in den
Räumen
wo eine
deutscher
scher Skulpturen in
genehmer Abwechslung
mit Werken der Malerei
etwa der gleichen Zeit-
perioden zur Aufstellung
gebracht ist. Die Wände
sind hart in einem küh-
len elfenbeinfarbigen
Ton gehalten, alle Ni-
schen, die zur Unterbrin-
gung zahlreicher Hoch-
reliefs und Nischenplasti-
ken dienen, in verschiede-
nen, zum jeweiligen Ge-
genstände harmonisch ab-
gestimmten Halbtönen ge-
halten. Auf den Wand-
an Kunstwerken und kunstgewerblichen Ge-
genständen reiche Einrichtung der Sammler-
wohnung der Verstorbenen und ihres Gatten
geschenkt. Es war daran die Bedingung ge-
knüpft, daß die Gegenstände dieser Sammlung
Unter möglichster Wahrung der Einheitlichkeit
in eigens hierfür bestimmten Räumen zur Auf-
stellung gelangen. Mit der Durchführung
dieser Arbeit wurde seitens der Erblasserin
Professor Dr. Robert Eigenberger be-
traut. Dieses Werk ist nun zum Abschluß ge-
kommen und wurde jüngst eröffnet und dem
Besuche freigegeben.
Die Arbeit, der sich Professor Eigenberger
bei der Aufstellung der Sammlung unterzogen
hat, war aus mehr als einem Grunde sowohl
durch die Gegebenheit der Räume als auch
durch den wesentlich und qualitativ so hetero-
genen Charakter der Sammlungsbestände er-
schwert. Für Oesterreich kann man die Auf-
stellung der Albrecht-Hönigschmiedschen
Sammlung ruhig als die erste völlig von neuen
Gesichtspunkten geleitete Aufstellung einer
Sammlung so verschiedenartigen Materials be-
zeichnen. Es wurde gezeigt, daß durch rich-
tige Verwendung von Raumeinteilung und
Gliederung der Wände und eine richtige Ver-
wendung gut zusammenklingender, unauf-
dringlicher Farben unter Vermeidung von
Vorhängen, Draperien und Hintergründen
die reinste und stilechteste Wirkung für
borden keramische Arbeiten der italienischen
Spätrenaissance und einige, hier als Silhouet-
ten wirkende dunkelpatinierte italienische
Bronzen beleben den Raum, ohne ihn seiner
Strenge zu entkleiden. Dazu gestimmt ist
auch spärliches, dunkelgetontes italienisches
Renaissancemobiliar. In der Mitte des Raumes
ein ganz moderner, zum bequemen Sitzen
dienender Divan, den man in seiner Beschei-
denheit von Form und Farbe kaum bemerkt.
Der dritte Raum, schon wesentlich durch
die Bespannung mit goldgelbem Stoff wärmer
und weicher wirkend, bringt das Kunst-
gewerbe der Renaissance und Barock in drei
vertieften Wandvitrinen zwischen auserlese-
nen Malereien des 16. und 17. Jahrhunderts.
In jeder der Vitrinen kommt jeder Gegenstand
seiner Bedeutung entsprechend zur Geltung
und ist doch nur ein Teil einer dekorativen
Wandfläche, faßt man die Vitrine als Ganzes
ins Auge; eine Art der Aufstellung, wie sie
durch den Charakter der Privatsammlung bei-
behalten werden muß und hier auf das Glück-
lichste gelöst erscheint, indem die hellen Far-
ben alter Majoliken, die reichen Oberflächen
getriebener Silberarbeiten und die stumpfen
Töne von Kleinbronzen einander harmonisch
ergänzen. Das in der Form und Farbe voll
getönte und warme Mobilar dieses Raumes
macht ihn wohnlich und damit ist ein zweites
Problem der neuen Aufstellung angeschnitten.
In dieser Aufstellung wird nämlich deutlich
aufgezeigt, wie ein Sammler auch im Rahmen
allermodernster Architektur imstande ist, je-
dem Gegenstände jedweder Stilepoche seine
ursprüngliche Geltung und Schönheit nicht
nur zu erhalten, sondern sogar zu heben. Den
Kunsthändlern unserer Tage, denen vielfach
von ihren Sammlern unter Hinweis auf mo-
derne Wohnungsarchitektur der Ankauf von
Kunstwerken abgelehnt wird, ist mit dieser
Art von Aufstellung ein starkes Argument in
die Hände gegeben. Jeder dieser Räume läßt
sich sehr gut als Bestandteil einer modernen
Sammlerwohnung auch bewohnt denken. Wir
haben es hier nicht mit rein musealer Auf-
stellung, Schema Provinzialmuseum,. Kunst-
gewerbemuseum etc. zu tun, sondern mit der
Eingliederung Verschiedenstem in Räume mo-
dernster Einteilung. Eine der bedeutendsten
Neuerungen dieser Aufstellung ist die Art,
sich mit der Frage der alten Textilien ausein-
anderzusetzen. Wie wurden solche in frühe-
ren Sammlungen aufbewahrt oder ausgestellt?
Die öffentlichen Sammlungen konservieren
Textilien auf Rahmen gespannt in Kästen,
unter oder zwischen Glasplatten, wenn sie be-
sonders kostbar sind. Der Privatsammler hat
die Stoffe entweder gefaltet oder gerollt in
Kästen und Truhen oder aber als Draperien,
Tischdecken. Ueberwürfe etc. dem Wohnungs-
bild eingegliedert. In dem ersteren Falle sind
Form und Farbwerte für den Besitzer un<f
Besucher verloren, im andern Falle sind of'
brüchige und schadhaft werdende Stücke
durch freies Hängen und den täglichen Um-
gang mit Menschen der weiteren Abnützung
und Zerstörung ausgesetzt.
Die neue Art der Unterbringung vereinig'
die Vorteile beider Aufbewahrungsarten. Die
Stoffe kommen in ihrem körperlichen und far-
bigen Werte voll zur Geltung, können, wie es
hier geschehen ist, durch geschmackvolles Ab-
stimmen im Ton in den einzelnen Wandkästen
gruppiert zu einer selbständigen Wandfl ächen-
dekoration werden und sind dennoch bei Ver-
wendung entsprechender Konservierungsmittel
in den luftdicht verschraubten Behältern jeder
Zerstörung durch Abnützung oder tierische
Schädlinge entzogen. Raum IV der Samm-
lung, der den Textilien gewidmet ist, zeigt auf
diese Weise für den Textilsammler eine neue
Art, seine Objekte dekorativ unterzubringen:
und man kann sich das Zimmer dabei aud1
ganz gut mit modernen Möbeln bestellt den-
ken. Der letzte Raum, man könnte ihn als das
Studio eines Kleinplastikers bezeichnen, bring'
Bronzen, kleine Plastik in Holz, Elfenbein-
Alabaster etc. und etliche feine Stickereien, die
wieder in überaus glücklicher Weise m>t
Kunstwerken verschiedensten Materials 111
einer die Querwand einnehmenden Vitrine z"-
sammengestellt erscheinen.
s t 8
Sammlung Albrecht-Hönigschmied: Barockraum. Wien, Akademie der Kun
(Foto J. Sch«rbl