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Jahrg. XI, Nr. 46 vom 21. November 1937

DIE WELTKUNST

3

Kunst und Kunstsammlungen in Finnland


Gerard Terborch, Trinkendes Mädchen.

A t h e n e u m

Helsinki
(Foto Museum)

in guter Qualität vertretenen Kleinmeistern,

Sammlungen alter Kunst
In dem Leben des jungen finnischen Staates
nimmt die neuere und nationale Kunst eine
weitaus größere und volksverbundene Stellung'
ein, als die fremden Ursprungs. Diese Tat-
sache ist bei dem äußerst national fühlenden
Finnland, dessen freie Entwicklung lange durch
Fremdherrschaft gehemmt war, nicht verwun-

derlich. Die letzten Jahrzehnte mit ihrer ste-
tigen und günstigen Fortschrittlichkeit haben
jedoch auch bei der finnischen Oeffentlichkeit
eine immer wachsendere Anteilnahme an der
Kunst anderer Völker und Zeiten herbeige-
führt. Mit der Freiheit der Entwicklung kam
auch die Freiheit des Geschmackes. Dieses
neu erwachte Interesse wandte sich besonders
dem Gebiete der alten Malerei zu. Einen kräf-
tigen Beweis dafür gab die mit überraschend
großem Besuch abgehaltene Ausstellung von
alter Kunst aus finnischem Privatbesitz, die
im Jahre 1936 in der Kunsthalle zu Helsinki
stattfand und zum ersten Male den privaten
Kunstbesitz zu einem großen Teile erfaßte.
Während in den meisten Ländern Europas
seit langem eine rege Sammeltätigkeit auf allen
Gebieten der Kunst, insbesondere dem der
Malerei vorhanden war, blieb das abseits


Jacob W.'-van Delft, Herrenbildnis. Sammlung
Kielenbeck, Helsingfors (Foto Besitzer)

liegende Finnland davon unberührt; höch-
stens, daß sich in einigen schwedisch-finni-
schen Adelsfamilien einiger Kunstbesitz an-
sammelte, der aber selten über Ahnenporträts
hinauswuchs. Erst in der Person des vor etwa
20 Jahren verstorbenen Bierbrauereibesitzers
Sinebrychoff in Helsingfors bekam das Land
seinen ersten großen Privatsammler, dessen
besonders in der niederländischen Malerei um-
fangreicher Kunstbesitz
teilweise unter der fach-
kundigen Hand eines Hof-
stede de Groot zusam-
mengetragen war. Zu den
Glanzstücken der Samm-
lung Sinebrychoff ge-
hören ein Frühwerk von
Rembrandt (Bredius 328),
ein Selbstporträt von
Frans Hals, Werke von
Salomon van Ruisdael,
van Goyen, Cornelius de
Vos und van Dyck. Die
durch testamentarische
Bestimmung der Stadt
Helsinki vermachten
Sammlungen befinden
sich zur Zeit noch in
der Villa des ehemaligen
Besitzers, doch besteht
die Absicht, dieselben
bald dem staatlichen
Museum Ateneum einzu-
gliedern, um die Besich-
tigung zu vereinfachen
und dessen Bestände da-
durch bedeutend zu er-
weitern.
Wesentlich älter als
die Sinebrychoffsehe sind
die Sammlungen des eben
erwähnten Ateneums, de-
ren Anfänge in das Jahr
1846 zurückgehen. Zu
den ältesten Besitzungen
auf dem Gebiete der Ma-
lerei gehört ein wunder-
schönes, eigenhändiges
Frauenporträt von Lu-
kas Cranach dem Aelte-
ren, über das noch
einmal gesondert zu sprechen ist. Die im
Laufe der Jahre sich ausbreitenden Ateneum-
sammlungen, stets in erster Linie die heimische
Malerei fördernd, erhielten im Jahre 1920
ihren größten Zuwachs in der aus 16 Gemäl-
den alter Meister bestehenden Hinterlassen-
schaft des Kammerherrn Hjalmar Linder,
unter denen sich der bekannte lesende Mönch
von Rembrandt aus dem Jahre 1661 (Bredius
317) befand. Nach dem Weltkriege und wäh-
rend der russischen Revolution war Finnland
Durchgangsland für Kunstwerke, die aus ihrer
alten Heimat abwanderten. Unter den manch-
mal sehr bedeutenden Stücken, die Rußland
verließen, war auch das meisterlich gemalte,
hervorragend feine Genreporträt einer jungen
Dame mit Weinglas von Terborch (s. Abb.),
hier zum ersten Male außerhalb Finnlands ver-
öffentlicht. Durch eine merkwürdige Verket-
tung von Umständen konnte dieses Bild für
eine ganz geringe Summe von dem Direktor
des Ateneums, Dr. Torsten Stjernschantz, er-
worben werden. So blieb es dem Museum
erhalten, unter dessen Besitz es einen
Ehrenplatz einnimmt. Weitere erwähnens-
werte Stücke aus dem Museumsbesitz sind eine
vorzügliche Madonna des Meisters A (nach
Joos van Cleve), Werke von Jacob Jordaens,
Jan de Bray, Ferdinand Boi, Reynolds, sowie
andere Engländer, Franzosen und Italiener, von
den letzteren einige auf Empfehlung des in
London lebenden finnischen Kunsthistorikers
Tancred Borenius erworben. Es ist zu erwar-
ten, daß diese Sammlung, in der sich manch
kunstwissenschaftlich interessantes Stück be-
findet, mit der Zeit einen immer vollständi-
geren Ueberblick geben wird und durch Ver-
mehrungen einen geschlosseneren Charakter
erhält.
Von den oben erwähnten russischen Kunst-
werken blieb noch manches Stück in fin-
nischem Besitz, ehe sie ihren Weg in andere
Länder antraten. So ist es nicht verwunder-
lich, daß man in allen Privatsammlungen Finn-
lands einigen dieser Bilder begegnet. Unter
diesen Sammlern nimmt die erste Stelle der
Großindustrielle Gösta Serlachius ein, der
Gründer der reich bedachten Kunststiftung
Serlachius in Mänttä, einem regen Fabriksort
im Innern Finnlands. Diese Stiftung sieht so-

gar ein eigenes Museums-
gebäude vor, das augen¬
blicklich unter Ausnut-
zung der modernsten Er-
fahrungen im Museums¬
bau errichtet wird.
Der Schwerpunkt dieser
Sammlung liegt bei der
heimischen Malerei und
Plastik, dennoch aber
fanden nach dem Wun¬
sche des Besitzers auch
andere Länder und Zei¬
ten ihre künstlerische
Vertretung. Unter den
alten Meistern findet
man einen Frauenkopf
von Frans Hals, eine
große Flußlandschaft von
Aelbert Cuyp, eine Wald-
szene von Adriaen van
de Velde, den hier ab¬
gebildeten monumental
angelegten vlämischen
Bauernhof von Jan Wil-
dens, ferner Werke von
Govaert Flink, Teniers,
Ravesteijn und Ver-
spronck. Dieser Besitz,
der noch fortlaufend
ausgebaut wird und
bald sein eigenes Heim
beziehen wird, ver-
dient besondere Beach¬
tung im Kunstleben
Finnlands.
In Helsingfors selbst sind die Sammlungen
des Legationsrates Hackman und des Direk-
tors Ernst Kielenbeck führend. Die erstere
besitzt die hier veröffentlichte Studie zu einem
großen Altarwerk von van Dyck (Abb. S. 2),
fein und charaktervoll in ihrer Ausführung und
Komposition. Daneben findet sich eine reiche
Auswahl von holländischen Kleinmeistern, wie
Codde, Palamedes, Willem van de Velde und
Vereist. — Die Sammlung Kielenbeck, deren
Gewicht ebenfalls auf den Niederländern ruht,
zählt unter ihrem Bestand ein Porträt der
Claudia von Medici von Susterman, ein Her-
renporträt aus der Spätzeit Anton van Dycks,
ferner das liebevoll ausgeführte Porträt von
Jacob Willem Delff (siehe Abbildung). Neben

Die Malerei in Finnland
Ihre erste, obwohl ziemlich anspruchslose
Blüte erlebte die einheimische Malerei in Finn-
land gegen das Ende des Mittelalters. Zahl-
reiche steinerne Kirchen wurden damals ge-
baut und mit monumentalen Wandmalereien
ausgeschmückt, welche sich in ihrer volkstüm-
lich kühnen Farbenpracht und primitiv aus-
drucksvollem Realismus nicht unwesentlich
von der gotischen Malerei der anderen Ostsee-
länder unterscheiden. Mit dem Verschwinden
der katholischen Kirche im 16. Jahrhundert
ging dieses rege Kunstleben zugrunde, und in
den folgenden 200 Jahren zogen russische Hor-
den durch das Land, die fast alles, was Künst-
lerhände geschaffen, vernichteten. Zu dieser
Zeit gab es in Finnland keine eigene Staats-
macht, kein eigenes Fürstenhaus und keinen
reichen Adel, welche den Künstlern Stütze und
Förderer hätten sein können, es gab nur einen

wie Helt Stockade, Dujardin, Storck, Sorgh,
Don und Brakenburgh, Saftleven und Huch-
tenburg, findet man eine Wasserlandschaft von
Salomon van Ruisdael und eine Winterland-
schaft des Neffen Jacob.
Am Schlüsse dieser gedrängten Uebersicht
darf die Sammlung alter Handzeichnungen aus
dem Besitze von Dr. Bertel Hintze nicht un-
erwähnt gelassen werden, deren Glanzstück
eine ehemals bei Hofstede de Groot befindliche
Federzeichnung Rembrandts bildet. — Neben
den bisher genannten Sammlungen findet man,
über das Land verteilt, weitere Kunstfreunde,
deren Besitz der Gegenstand eines späteren
Artikels werden soll. E. B. B.

zwar gebildeten aber anspruchslosen Mittel-
stand.
Die Lebensauffassung und der Geist dieser
Schicht fanden ihren Ausdruck in den seltenen
Bildnissen und kirchlichen Malereien, welche
uns aus Renaissance und Barock geblieben
sind. Diese weisen auf deutsche und hollän-
dische Vorbilder hin. die Zeichnung ist streng,
die Farbengebung asketisch, über dieser Kunst
schwebt der puritanische Geist lutherischer
Orthodoxie. Eine Ausnahme bildet der Minia-
turmaler Elias Brenner (1647—1717), der
einzige wirklich bedeutende Künstler dieser
Epoche. Seine realistisch kraftvoll charakteri-
sierten Bildnisse, von hervorragender maleri-
scher Feinheit, wurden weit über die Grenzen
seines Landes berühmt. So bot ihm Ludwig XIV.
vergeblich die Stelle eines Hofminiaturmalers
an.
Als den bemerkenswertesten Maler des
18. Jahrhunderts schätzt man Isak Waklin


Jan Wilde ns, Bauernhof. Stiftung Serlachius, Mänttä
(Foto Besitzer)


Akseli Gallen-Kallela, Am Ufer des Toten reiches

(Foto Comercial)

Leonard

äcksbacka

Helsingfors, Unionsgatan 28a

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