Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Beilage der „WELTKUNST“

Nr. 49/50 vom 12. Dezember 1937

BUCH UND

Bibliophilie und Büchermarkt

Nach der „Woche des Buches“, die in die-
sem Jahre unter dem Leitgedanken „Die Zeit
lebt im Buche“ veranstaltet wurde, und im
Hinblick auf den reichhaltigen Weihnachts-
Büchertisch, auf dem unser Buchhandel die
„Jahresschau des deutschen Schrifttums“ aus-
gebreitet hat und unsere Verlegerschaft in
corpore vor aller Oeffentlichkeit zugleich
ihren Rechenschaftsbericht ablegt, liegt es
durchaus nahe, wenn wir in diesem Zusam-
menhänge zum Jahresschluß die gegenwärtige
Situation des deutschen Büchermarkts auch

vom Standpunkt des Bibliophilen und Samm-
lers von Druckwerken einmal einer kurzen
kritischen Betrachtung unterziehen.
Unter der zielbewußten Förderung und tat-
kräftigen Propagierung durch die Reichs-
schrifttumsstelle beim Reichsministerium für
Volksaufklärung und Propaganda hat die in-
nere Gesundung und Neubelebung unseres
Büchermarktes auch in diesem Jahre eine
weitere Steigerung erfahren, die sich an Hand
der Berichte im Börsenblatt für den deutschen
Buchhandel statistisch genau verfolgen läßt.
Es handelt sich hierbei naturgemäß in erster
Linie um unsere zeitgenössische Literatur und
die Werke unserer lebenden Autoren, für die
durch vorbildliche Bücherausstellungen im In-
und Auslande, durch besondere Autoren-
abende, durch Bücherfunk und Buchbespre-
chungen in der Tagespresse ein großzügiger
Werbefeldzug durchgeführt wird. Die hier-
durch erzielten Erfolge zeigen deutlich, wie
das gute Buch in immer weitere Kreise unseres
Volkes Eingang findet und damit auch die Bi-
bliophilie einen ganz natürlichen und gesunden
Auftrieb erhält.
Mit dieser höchst erfreulichen Aufwärts-
bewegung scheint jedoch die allgemeine Ent-
wicklung auf dem Antiquariatsmarkt — im
ganzen gesehen — nicht gleichen Schritt ge-
halten zu haben, wenn auch hier eine Reihe
von Anzeichen darauf hindeuten, daß nach
einer vorübergehenden Depression bereits eine
merkliche Besserung und hinsichtlich der
Preisgestaltung eine normale Stabilisierung

eingetreten ist. Wie überall auf kulturellem
Gebiete mußte sich notwendigerweise auch auf
dem antiquarischen Büchermarkt in Deutsch-
land die tiefgreifende geistige Umwälzung nach
dem Umbruch besonders stark auswirken und
hier ebenfalls eine grundlegende Wandlung in
der Bewertung und geistigen Ausrichtung her-
vorrufen. Wer die Vorgänge auf dem Anti-
quariatsmarkt und die Ergebnisse der Bücher-
auktionen darauf hin einmal aufmerksam ver-
folgt hat, wird die Beobachtung gemacht
haben, daß sich in den wesentlichen Punkten
der Nachfrage, des An-
gebots und der Bewer-
tung (z. T. Umwertung
der bisherigen Werte)
eine ganz wesentliche
Aenderung vollzogen hat.
(Den besten Wegweiser
zu dem Geheimnis des
Büchermarkts bilden be-
kanntlich die Antiqua-
riats- und Bücher-Auk-
tionskataloge, um sich
ständig über die allge-
meine und besondere
Lage auf dem Laufenden
zu halten.) — Weiterhin
ist durch die neue ge-
setzliche Regelung der
Kunstversteigerungen, zu
denen auch die Bücher-
Auktionen rechnen (lt.
Gesetz über das Verstei-
gerungsgewerbe vom 16.
10. 1934), und die durch-
greifenden Maßnahmen
und Verordnungen der
Reichskulturkammer zur
Bereinigung des gesam-
ten Kunst- und Bücher-
handels endlich die ge-
sunde Basis zu einer
aussichtsreichen Ent-
wicklung geschaffen wor-
den, die der Bibliophile
besonders dankbar be-
grüßen wird, da diese ja
in erster Linie zu seinem
eigenen Nutzen und
Frommen dienen.
Unter den gegenwärti-
gen Verhältnissen bieten
sich übrigens gerade auf
diesem so überaus viel-
seitigen und reichhaltigen
Sammlergebiet auch für den mit Glücksgütern
nicht besonders gesegneten Bücherfreund und
Bücherliebhaber noch gute Aussichten und
günstige Gelegenheit genug, um selbst mit be-
scheidenen Mitteln eine eigene Spezialsamm-
lung in liebevoller Hingabe zusammenzu-
bringen, die nicht nur sein Leben verschönt
und innerlich bereichert, sondern auch in ihrer
Eigenart oder Geschlossenheit den Keim wirk-
lichen materiellen Wertes in sich tragen kann.
H. Rb.
Die Handzeichnung
als Sammelobjekt
Es ist einmal gesagt worden, daß der wahre
Sammler sich durch sein besonderes Verhält-
nis zur Handzeichnung auszeichne. Dies ist
künstlerisch wie sammlerisch zu begründen:
denn kaum ein anderes Kunstwerk läßt der-
artig tiefe Einblicke in den schöpferischen
Prozeß der Entstehung eines künstlerischen
Gedankens tun wie die Studie oder das flüch-
tige Skizzenblatt, und kein Kunstwerk ist von
einer solchen persönlichen Intimität, von einer
dem Gemälde gegenüber so stillen und priva-
ten Unrepräsentation wie die Handzeichnung,
die in den Mappen eines Sammlers ihr be-
scheidenes Dasein verbringt. Das Sammeln
von Handzeichnungen gehörte seit den Zeiten
der Renaissance zu den bevorzugtesten Tätig-
keiten fürstlicher Mäzene, und vor allem das


---
Rembrandt, Saskia und ihre Dienerin
Wien, Albertina
Ausstellung holländischer Handzeichnungen im Palais des Beaux-
Arts. Brüssel (Foto Archiv)

Holländische Handzeichnungen in Brüssel

Unter dem Patronat des Königs der Belgier
und der Königin der Niederlande wurde am
15. November im Palais des Beaux-
Arts in Brüssel eine umfangreiche und
bedeutende Werke umfassende Ausstellung
von holländischen Handzeichnungen des 16.
und 17. Jahrhunderts eröffnet. Durch Leih-
gaben wurde es ermöglicht, wirklich das Beste

der einzelnen Meister, von Hieronymus Bosch
und Cornelis van Oostsanen über Lucas van
Leyden, Goltzius, Buytewech bis zu Rem-
brandt (s. Abbildung), seiner Schule und den
wesentlichsten Meistern des holländischen
17. Jahrhunderts in geschlossener Entwick-
lungsfolge darzubieten.

G R A

18. Jahrhundert weist eine Reihe von Samm-
lernamen aus, die heute noch in erster Linie
mit der Geschichte des Sammelwesens engstens
verknüpft sind.
Die großen Handzeichnungssammlungen in
Privathand sind heute so gut wie verschwun-
den, ihre Hauptwerke in die staatlichen Kabi-
nette übergegangen. Und doch liegt es im
Wesen der so leicht zu übersehenden Hand-
zeichnung, daß immer noch auf diesem Gebiet
neue Entdeckungen zu machen sind. Insbeson-
dere gibt es viele Gebiete, die heute von den
Sammlern noch vernachlässigt sind, daß oft
überraschende Funde zu machen sind — wenn
Kenntnis und Auge des Sammlers dies er-
lauben. Es war vor zehn Jahren z. B. noch
durchaus möglich, eine Sammlung von
Romantiker-Zeichnungen mit verhältnismäßig
bescheidenen Mitteln systematisch aufzubauen,
und auch heute sind oft für wenige Mark Ein-
zelblätter dieser großen Zeichner-Periode auf-
zutreiben. Viel größere Aussichten bietet aber
das italienische Barock und dann das deutsche

P H I K
18. Jahrhundert, das nicht nur in der Hand-
zeichnung von der Vernachlässigung der
Sammler gestraft ist. Wer hier mit Kenner-
schaft und gutem Blick für Qualität sich an
die Aufgabe einer Sammlung macht, wird noch
reiche Früchte ernten können. Ja, man möchte
beinahe sagen, daß auf diesen Gebieten noch
eine Pionier-Arbeit geleistet werden muß, daß
viele vergessene Namen erst durch systema-
tisches Sammeln wieder zu ihrer Geltung zu
bringen sind. Und verschiedene Anzeichen
deuten darauf hin, daß gerade unsere Zeit, die
ihr Interesse auch wieder dem kleinsten Ob-
jekt zuwendet, Ansätze aufweist, die auf eine
Neubewertung der Handzeichnung hindeuten.
Es ist uns bekannt, daß in Deutschland in den
letzten Jahren eine ganze Reihe stiller Samm-
ler am Werke sind, die in emsiger Kleinarbeit
und mit kleinen Mitteln sich auf dem Gebiete
der Handzeichnung einen künstlerischen und
materiellen Wert erarbeiten, der auf manch
anderem Kunstgebiet nicht so leicht zu er-
reichen wäre.

NEUE KUNSTLITERATU R
Von D r. Werner R. Deusch

Richard N. Wegner, Deutsche Kupferstiche in Farben.
48 S., 5 Farbtafeln. L. C. Wittich Verlag,
Darmstadt, 1937 (kart, RM 2.90).
Dieses kleine Buch, das ein nicht unwichtiges Kapitel
wissenschaftlicher Forschung zur Geschichte der deutschen
Graphik mit großer Gründlichkeit und Sachlichkeit be-
handelt, wird in zweiter Auflage in einer sympathischen
äußeren Form vorgelegt, die es auch dem reinen
Bücherliebhaber befreundet. Man möchte dieser Dar-
stellung den Anklang wünschen, daß es dem Verfasser
in einer kommenden Auflage möglich wäre, mit reiche-
rem Abbildungsmaterial und dem nicht zum Abdruck
gekommenen Oeuvre-Katalog das grundlegende Werk
über ein Gebiet zu geben, das heute einen weiten
Kreis von Freunden verdient.
Eberhard Hempel, Das Werk Michael Pachers. 30 S.,
88 Tafeln, 1 Farbtafel. Verlag Anton
Schroll, Wien, 1938 (Lwd. M 5.80).
Eberhard Hempel, als Kenner der Kunst des großen.
Tiroler Meisters durch sein großes, 1931 erschienenes
Werk bestens bekannt, begleitet mit einem prägnant
geformten Text und sachlich
alles Wissenswerte zusammen¬
fassenden Anmerkungen einen
glänzend gedruckten Bilder¬
band, dessen neue und mit
wirklichem Gefühl für pla¬
stische Werte hergestellte Auf¬
nahmen von dem Würzburger
Fotografen Leo Gunder¬
mann stammen. Fachmann
wie Kunstfreund dürfen dank¬
bar sein, hier das gesamte
Werk Pachers in einem hand¬
lichen, preiswerten und, wie
es der Tradition des Verlags
Schroll geziemt, buchtechnisch
einwandfreien Form vorgelegt
zu erhalten.
Die bildende Kunst in Oester¬
reich: Vorromanische und
romanische Zeit (von etwa
600 bis um 1250). Heraus¬
gegeben von Karl G i n -
hart. 218 S., 125 Abb.
Verlag Rudolf M.
Rohrer, Baden bei
Wien, 1937 (Leinwand
RM 12.—).
In handlicher Form ent¬
steht hier, unterstützt von
einem Stab erster Fachleute,
ein neuer Typus der gebiets¬
mäßig begrenzten Kunstge-
schichte. Besonderer Nach¬
druck wird auf möglichst voll-
ständige Darbietung des er¬
haltenen Denkmälermaterials
gelegt, das, nach einzelnen
Gebieten und Epochen geord¬
net, einer Betrachtungsweise
unterzogen wird, bei der der
feste Leitgedanke des Heraus¬
gebers ersichtlich wird. Mit-
arbeiter dieses zweiten Ban¬
des sind P. Buberl, R. K. Do-
nin, K. Ginhart, V. Griess-
maier, B. Grimschitz, K. Ha-
reiter, A. Hofmann-Heck, A.
Klaar, J. Strzygowski und
J. Zykan. Das Werk erscheint
als Arbeit der von Strzy-
gowski begründeten „Gesell-
schaft für vergleichende Kunst¬
forschung in Wien".
Frank Buchser, Ritt ins dunkle
Marokko. Eingeleitet und
herausgegeben von Gottfried Wälchli. 247 S., 19 Abb.
Verlag H. R. Sauerländer & Co., Aarau
und Leipzig, 1937 (Lwd. schw. fr. 7.50),
Nachdem 1935 das Originalmanuskript der „Marok-
kanischen Bilder" Buchsers, die 1860 bei Springer in
Berlin in einer von A. Roth bis zur Unkenntlichkeit über-
arbeiteten Ausgabe erschienen waren, in den Besitz des

Museums Olten übergegangen sind, gibt nunmehr dessen
Konservator Wälchli den Originaltext dieser 1858 durch-
geführten abenteuerlichen Künstlerreise in das Innere
Marokkos in einer allen an Quellengeschichten zu stel-
lenden Anforderungen genügenden kommen-tierten text-
kritischen Ausgabe heraus. Ein Künstlerdokument von
unmittelbarstem Ausdruck; man versteht Gottfried Kellers
Vorliebe für diesen „wunderbaren Erzähler" und man
begreift aus den beigegebenen, erstmals veröffentlichten
Zeichnungen die Wertschätzung, die sich dieser ur-
wüchsige Künstler in weiten Kreisen erfreut.
P. Johansen, Renaissance. Entwicklung der künstlerischen
Probleme in Florenz—Rom'von Donatello bis Michel-
angelo. 397 S. mit 284 Abb. Verlag Otto
Harrassowitz, Leipzig, 1936 (brosch.
RM 16.—).
Dieses umfangreiche Werk eines schaffenden Künst-
lers „aus der Werkstatt heraus" darf nicht mit dem
strengen und allgemeinen Maßstab der modernen Kunst-
geschichte beurteilt werden. Weder systematisch noch
durch Einzelforschung oder wissenschaftliche Exegese wird

versucht, eine neue Kunstgeschichte zu schreiben, so
wenig, daß der Verfasser selbst unbekümmert überholte
oder widerlegte sachliche Einzelheiten benutzt, um sei-
ner Kunstanschauung den notwendigen Nachdruck zu ver-
leihen. Ein trotz der z. T. etwas unebenen Uebersetzung
aus dem Dänischen gut lesbares, von selbständigem
Denken und Sehen zeugendes Werk eines Kunstlieb-

Initialeausdem PsalterHeinrichs VI., Königs von England
England um 1400 — Erzielte auf der Versteigerung aus dem Besitz des Earl of
Londsdale durch Sotheby & Co., London, 6. November 1937: £ 5.000.—.—


HAN»ZEICHNUNGEN
meist deutscher Meister
aus der ersten Hälfte
des 19. JAHRHUNDERTS
PHILIPP OTTO RUNGE
VERSTEIGERUNGEN
C.G.BOERNER, LEIPZIG
im Frühjahr 1938
SAMMLUNG E.F., BERLIN
DAUMIER-WERK
ENGLISCHE KARR1KATUREN
Kulturgeschichtliche Blätter
 
Annotationen