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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 3): Stauferzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15265#0070

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sten Konzeptionen, zu denen das kaiserliche Lager im Mittelalter gelangt ist (so P. E.
Schramm)," zu behandeln besonders reizen würde. Wenden wir uns nun der Staufer-
zeif5 zu.

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Nachdem sich mit dem Wormser Konkordat 1122 das sogenannte ,Reformpapsttum'
durchgesetzt und mehr oder minder die ,stadtrömische' Vorstellung der Aristokratie in
sich aufgesogen hatte,46 begannen gerade im ersten Drittel des 12. Jhdts. die großtönen-
den Einladungen ,Roms' zur Kaiserkrönung an die deutschen Könige: 1128 und 1130 an
Lothar von Süpplingenburg/7 wird 1144 der römische Senat erneuert, mit Formalismen
der Antike ,garniert', gestützt auch auf die Autorität des niemals gänzlich untergegange-
nen römischen Rechts. Rom heißt daneben ,caput mundi'1" und .Urbs urbium'," ,alma
Urbs',x der erneuerte Senat ,sacer senatus'.51 Das Schreiben des römischen Senats von
H49 an Konrad III.,52 das Schreiben Wenzels an Friedrich L (1152 - 90) von 1152,53 das Se-
natsschreiben an Friedrich L von 1155,54 das ist die eine Seite; der Versuch Kaiser Fried-
richs I. von 1167 vor den Mauern Roms, Rom zur Kaiserstadt zu erklären und den Senat
selbst zu investieren55 - die andere, die damals mit einer vernichtenden Seuche, der Ma-
laria, gleichsam als Gottesurteil',56 endete. Damals war Friedrich I. gezwungen, Rom
aufzugeben, das er nicht wiedergesehen hat.

Aber untrennbar mit der Zeit Kaiser Friedrichs I., des Großvaters Friedrichs IL, ist die
neue Blüte römischen Rechts verbunden, vor allem durch die Bologneser Rechtsschule57
vermittelt, gipfelnd auch in der - freilich nicht so ganz neuen - Vorstellung vom ,honor
lrnperii'^ der zum ,sacrutn Imperium'™ wird und damit Gegenüber der ,sancta ecclesia'.
Von Gott, durch die Wahl der Fürsten, leitet 1152 Friedrich I. seine Herrschaft ab und
Rom besitze er kraft der Eroberung durch seine Vorgänger und damit das Kaisertum als
eine dem deutschen König zustehende Würde. Schon in seiner Wahlanzeige von 1152M
erinnert der Wortlaut an die Eingangsworte zum Proömium der Institutionen Kaiser Ju-
stinians I.61 und formuliert so das Programm Friedrichs I.: Romani imperii celsitudo
rn pristinum suae excellentiae robur deo adiuvante reformetur.'

Dieses Programm des Vaters schien zur Zeit seines Sohnes, Kaiser Heinrichs VI. (1190
~ 97), erreicht, den die deutsche Historiographie des 19. Jhdts. und des beginnenden 20.
Jhdts. - oft mehr als Kaiser Otto III. oder Kaiser Heinrich III. - als Gipfel altdeutschen
Kaisertums'62 sah. Da starb am 28. September 1197 der erst 32-jährige Heinrich VI.,63 eine
Katastrophe wie 1002 der Tod des 21-jährigen Otto III.! - Otto hatte keinen Erben hinter-
lassen, Heinrich VI. ein 3-jähriges Kind: Friedrich Roger Constantin, den späteren Kaiser
Friedrich II. (1194 - 1250).

*****

Friedrich II. kam mit Rom, wo nach seiner Eltern Tod sein Vormund, der große Papst
hmozenz m. (1198 - 1216), saß, erstmals mit 18 Jahren 121264 in Berührung:mendicus
et pauper navigans Romam.'65 aber: ,Rex Siciliae et Romanorum Imperator electus'.66 Es
scheint, als habe Papst Innozenz Friedrich damals in Rom aufgrund der ,lex regia' durch
Senat und Volk von Rom zum ,Romanorum imperator' wählen67 lassen; sicher ist, daß
der Papst in Rom die Aufenthaltskosten Friedrichs bestritt und ihm auch Geld für die
Weiterreise nach Deutschland gab.68 Der Empfang jedenfalls, den Rom im April 1212
Friedrich bereitete, war überaus ehrenvoll und großartig.69

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Zum zweiten Mal (nach 1212) kam Friedrich II., mit seiner Gemahlin Konstanze von
Aragon, am 22. November 1220 nach Rom: zur Kaiserkrönung70 am Cäcilientage - dem
letzten Sonntag vor Advent. Wiederum verhielten sich die Römer sehr friedlich71 und
freundlich - während der glänzenden und feierlichen Zeremonie. Doch war der Aufent-
halt Friedrichs in Rom selbst nur kurz. Alsbald kehrte er ins kaiserliche Lager auf dem
Monte Mario72 zurück; schon am 26. November zog er weiter nach Süden in sein siziliani-
sches Reich, das er mehr als acht Jahre zuvor verlassen hatte.73 Schon im Dezember 1220
erließ er die berühmten Assissen von Capua,71 in denen er die Rechtsgrundlage seiner si-
zilischen Herrschaft, u. a. durch Überprüfung aller seit 1189 erteilten Privilegien, ordnete.
Friedrichs Erlaß an die Großen Siziliens vom 4. Januar 122175 enthält sein Herrschaftspro-
gramm: omnia volumus sub iure lucescere et cuncta sub regimine nostro in statu iusti-
ciae reformare.' Nach Rom selbst, in die Stadt, sollte Friedrich nach 1220 nie wieder kom-
men, nur in die Nähe;76 am nächsten wohl im Winter 1239/40, wo er im Februar 1240 un-
mittelbar vor den Toren Roms77 stand, unterstützt von starken Kräften in der Stadt.

Schon 1227 hatte sich in Rom eine kaiserliche Partei gegen Papst Gregor LX. als ,Stadt-
herrn' gebildet78 und das Manifest Friedrichs an die Römer78* wurde auf dem Capitol ver-
lesen.79 Am Ostermontag 1228 wurde Gregor IX. gar aus Rom vertrieben. Aber die große
Tiberüberschwemmung vom 1. Februar 1230 und in deren Gefolge Hungersnot und
Pest, die als Gottes Strafe empfunden wurden, ließen die Römer Gregor wieder aufneh-
men: ,In urbem cum gloria et inaestimanda laetitia populi exultantis intravit'80 und:, In-
genti cum gaudio est receptus'.81 Auch gab der Papst viel Geld an die Römer, trat als
Stadt- und Bauherr in großem Stil auf, führte aber auch sogenannte Ketzergerichte ein.82

Aber schon im Juni 1231 vertrieben die Römer Gregor IX. erneut. Ein ,neuer Geist' er-
hob sich in Rom mit Reminiszenzen an die Antike, wo z. B. das Handeln als S.P.Q.R., als
,Senatus Populus Que Romanus', das 1233/34 noch stärker hervortrat - auch im erneu-
ten Aufstand der Römer gegen den Papst, der Ende Mai 1234 nach Rieti flüchten mußte.
Die Römer aber reklamierten damals auch das Patrimonium Petri als Eigentum der Stadt
Rom:83 für einen Augenblick, 1234, schien sich die stadtrömische Idee" durchzusetzen. Da
fanden sich 1234 Kaiser und Papst zu gemeinsamem Handeln: im Sommer 1234 trafen
sie sich in Rieti. Friedrich bot dem Papst seine militärische Hilfe gegen die gegen den
Papst rebellierenden Römer85 an, weil er dessen Hilfe gegen seinen Sohn Heinrich VII. in
Deutschland benötigte. Diese Allianz zwischen Kaiser und Papst führte zur Niederlage
der Römer, im Herbst 1234, bei Viterbo,86 die sie, wie es scheint, Friedrich nie wirklich
verziehen. Im Mai 1235 unterwarfen sich die Römer völlig dem Papst86" - Friedrich aber
reiste zur Absetzung Heinrichs und zur Heirat mit Isabella von England87 nach Deutsch-
land.

Kaum 2 Jahre nach der Niederlage der Römer gegen die kaiserlich-päpstliche Allianz
bei Viterbo schrieb Friedrich II. sein erstes werbendes Schreiben an die Römer (August
1236).88 Es ist der Beginn zweier Serien von Schreiben Friedrichs an die Römer zwischen
1236 und 1246, deren erste in die Jahre 1236 - 123889 fällt, mit dem ,Gipfel' im Januar
1238,90 deren zweite, mehr tadelnde, die Jahre 1239 -1246 umfaßt.91

Diese Schreiben Friedrichs aus dem Jahrzehnt 1236/1246 beinhalten den Kern der ,Rom-
idee' des Kaisers. Das gilt insbesondere für das Schreiben vom Januar 1238,92 das Begleit-
schreiben zur Übersendung des ^aroccio',93 des am 27. November 1237 bei CortenuovaM
erbeuteten Mailänder Fahnenwagens, nach Rom.

Doch liegt ein Bruch in der Reihe dieser Schreiben, markiert durch den Zeitpunkt der
zweiten Bannung Friedrichs durch Papst Gregor IX. am 20. März 1239.95

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