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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 3): Stauferzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15265#0086

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Krone trägt, die Unterordnung der ,armen' Könige, die mindere Kronen tragen, muß her-
gestellt, wieder hergestellt werden. Erst dann ist alles wieder richtig, die ,pax mundi'
durch den ,rex Dei gratia iustus et pacificus' und damit der ,ordo a Deo ordinatus' gesi-
chert4.

Wir haben hier also, in nuce, aus dem Jahre 1198 ein Quellenzeugnis ersten Ranges,
das die Struktur unseres Themas klarlegt: - ein dreifaches Gegenüber: von universal
^d national, von ,rex' oder ,imperator' und ,reguli', von einem Anspruch auf beiden
^iten, jeweils abgeleitet aus dem ersten Gegensatzpaar und mit Konsequenzen auf das
weite, begründet für das Universale aus der Kraft einer alten Idee, die im Mittelalter
als höhere Wirklichkeit gesehen wird, begründet für das Nationale zunächst auf das
reale Erleben des Alltags, der so verstandenen empirischen Wirklichkeit, aus der heraus,
durch die normative Kraft des Faktischen, mit der Zeit wieder eine Idee wird. Es wird
nün die Aufgabe unserer Untersuchung sein, die Ursprünge und Grundlinien in Gei-
stesgeschichte und politischer Realität bis zum Jahre 1198 skizzenhaft zu zeichnen, um
dann auf der so gewonnenen Grundlage die eigentliche Untersuchung anzustellen: ob
sich etwas, und gegebenenfalls was, sich in der Zeit, der die große Persönlichkeit des
tauferkaisers Friedrich II. weithin ihren Stempel aufdrückte, gewandelt hat.

Die Idee universaler Weltherrschaft ist alt. Sie begegnet uns erstmals vor mehr als
000 Jahren im akkadischen Weltreich Sargons I., dessen Name, der ,rechter König'5 be-
deutet, schon als Anspruch verstanden werden muß. Es überrascht, daß schon damals
lese Idee, im Grunde so ausgeformt, zwei spezifische Eigenschaften kennt: das Faktum
er Herrschaft über mehrere Völker und Länder und, was uns wichtiger scheint, das
TE^°S, daß der göttliche Herrscher Frieden und Ordnung durch rechte Herrschaft stiftet
Ur,d so eben die rechte Ordnung der Welt repräsentiert. Kyros, der große Perserkönig
ünd Exponent des zweiten Weltreiches nach dem babylonischen, sah seine Herrscher-
Aufgabe kaum anders. Auch für Alexander den Großen, der mancherlei Vorstellungen
er Achaimeniden aufnahm, und für das Römische Reich unter hellenistischem Einfluß,
assen sich Belege für diese Ideen anführen6. Doch ist hier nicht der Ort dies eingehen-
er zu untersuchen.

Schon früh hat sich auch die Deutung dieser Weltreiche bemächtigt, für uns greifbar
1111 Buch Daniel, dessen Gedanken allerdings seinerseits (wie die Parallelstelle bei Hesiod)
w°hl auf persischen Ursprung zurückgehen7. Eine geschichtstheologische Deutung der
Benannten vier Weltreiche findet sich dann oft bei Flavius Josephus* und anderen. Ihren
^euartigen Aspekt, hinsichtlich des letzten der vier, des Römerreiches, gewinnt diese
eutung allerdings erst im christlichen Denken. Hatte doch gerade Gott es für würdig
^ ehtet, daß zu seiner Zeit und in seine irdische Herrschaft der Gottessohn, der Erlöser,
w^nscn wurde. Dem einen Gott entsprach hier die Einmaligkeit der Qualität des ,imperi-
m Romanum'. So kommt eben dem Römerreich in der nunmehr als Heilsgeschehen ver-
andenen Geschichte eine einmalige Bedeutung zu: solange das ,imperium Romanum'
^s|eht, besteht auch diese Welt - es ist das letzte. Endet es, dann kommt das Ende der
e 'geschiehte'. Es versteht sich von selbst, daß diese Vorstellungen nicht ohne sch Wer-
der p6nde Konsequenzen im Politischen bleiben konnten, stets begleitet von Theorien
ercTmmaligkeit, gleichsam als Kontrapunkt10,
^chon früh haben christliche Stimmen auf diese Sonderstellung des Römischen Rei-
daßS aufmer^sam gemacht. Gott hat ,die Völker in der Weise auf seine Lehre vorbereitet,
sie unter die Herrschaft des einen römischen Kaisers kamen', sagt Origenes", und
r°nymus führt aus: ,zur Predigt des einen Gottes ist dieses einzigartige Reich (,singu-

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lare imperium') eingerichtet worden'12. Gerade jene berühmte Stelle im 13. Kapitel des
Römerbriefes des Apostels Paulus, als frühestes Zeugnis, scheint die Obrigkeit des Im-
perium Romanum' vor Augen zu haben. Denn die Besonderheit und Würde dieses Rei-
ches beruht eben darauf, daß es in besonderer Weise ,a Deo decretum' - iura Qeov xexay-
liivai - ist, ihm gewissermaßen die Aufgabe eines helfenden Heilsinstitutes in der ihm
übertragenen Missionsaufgabe, wie sie etwa Hieronymus sieht, zugewiesen ist. Auch in
dem alten Karfreitagsgebet kommt das zum Ausdruck: ,oretnus pro christianissimo impe-
ratore, ut Deus et Dominus noster subditas illifaciat omnes barbaras nationes ad nostram perpe-
tuam pacem'".

Dieses Römische Reich war also, wie gesagt, einzigartig und es wäre falsch, in den
sogenannten Reichsteilungen, zuletzt etwa der des Jahres 395, wirkliche Teilungen in
dem Sinne zu sehen, daß zwei Reiche, gewissermaßen als Nachfolger, entstanden wä-
ren. Das Verhalten Justinians auf der einen, Theoderichs auf der anderen Seite - um nur
stichwortartig zwei Namen zu nennen - beweist das Gegenteil. Schwieriger zu greifen
und vielschichtiger werden dann die Vorstellungen vom Kaisertum erst in karolingi-
scher Zeit und insbesondere in den Jahren nach 799". Wir müssen es uns aus Raumman-
gel versagen, die überaus differenzierten ,imperium'-Vorstellungen bei Karl dem Gro-
ßen und seiner Umgebung genauer zu untersuchen: typisch antik-römische Vorstellun-
gen, partikular hegemoniale Gedankengänge, schließlich an die alttestamentliche Er-
wählung anschließende Ideen lassen sich mehr oder minder nachweisen. Letztere Vor-
stellung wohl bei Karl selbst recht stark15 - doch muß man sich hüten, hier die Subtilität
späterer Jahrhunderte oder gar neuzeitlicher Geistesgeschichtler ,ex post' dem Franken
Karl applizieren zu wollen. Wichtig für uns ist hier, daß zunächst einmal die Realität
zweier Römischer Reiche im Jahre 800 begründet wurde16, ohne daß doch im Grunde de
iure das ,occidentale' und das ,orientale imperium' - zumal letzteres war da sehr kon-
servativ - einander als jenes singulare imperium' anerkannt hätten - bei aller durch die
wechselnde politische Lage und das wechselnde politische Gewicht bedingten zeitweili-
gen de-/«cfo-Verständigung17.

Rufen wir uns nun das Grundthema unserer Untersuchung ins Gedächtnis: Univer-
sales Kaisertum und nationales Königtum18, so wird die Vorstellung von der Universa-
lität des Kaisertums im nunmehrigen ,Westen' nach kurzer Zeit, schon im späteren 9.
Jahrhundert, ausgesprochen. Die Annales Fuldenses nennen Karl den Kahlen ,imperator et
augustus omnium regum eis mare consistentium'''', Papst Johann VIII. bezeichnet den künf-
tigen Kaiser als ,caput orbis et dominus'20, dem ,omnia regna subiecta subsistent'21. Mit dem
Imperium wird Gott in besonderer Weise verbunden gedacht - in jener Zeit22. Das ,per
me reges regnant'23 wird hier spezifiziert: ,Deus qui regnis omnibus aeterno dominaris impe-
rio' heißt es im Sakramentar von Angouleme2'. Ja, Gott ist, wenn der irdische Kaiser tot ist,
geradezu Reichsverweser25. Wir haben im Grunde während des ganzen frühen Mittelal-
ters jene Vorstellung vor uns, die sich in dem berühmten Gelasianischen Schreiben von
49526 in jenem ,duo auippe sunt', wie im Brief Karls des Großen an Leo III., wohl vom
Ende des Jahres 79521, wie in jenem Mosaik im Speisesaal des alten Lateranpalastes, nach
dem Petrus Leo III. das Pallium und Karl dem Großen das Banner übergibt, manife-
stiert. Es war die Vorstellung des Dualismus, der keiner war, da beides, Kaisertum wie
Papsttum, überhöht waren in der ,unio mystica', in der der ,verus rex, rex regum' ein ,rex
ordine Melchisedek' war: in Christus und damit in Gott28. So war es schlechterdings auch
nach dem Zerfall des übergreifenden Karolingerreiches nicht möglich, das Verhältnis
zwischen dem zweifellos vorhandenen Kaiser und den ebenso zweifellos erstarkenden

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