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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0088
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84 BESPRECHUNGEN.

rechten Stirnfalten das fragende und horchende Aufsehen; sie finden sich daher bei
aufmerksamen beschaulichen Naturen und deuten auf geistige Empfänglichkeit (224).
Schade, daß das Buch nicht mehr solche Analysen enthält. Das glückliche Resultat
ist in diesem Falle ganz offenkundig der Zuhilfenahme eines charakterologischen
Unterschieds zu verdanken (aktiver und kontemplativer Charakter).
Nürnberg.

Alfred Baeumler.

Anna Tumarkin, Die romantische Weltanschauung. Bern 1920. MOS.

Die ersten zusammenfassenden Darstellungen der romantischen Geisteswelt
tragen samt und sonders ein vorzüglich kritisches Gepräge. Schon Heinrich Heines
»Romantische Schule« (1836) konnte, obwohl den Franzosen zur Belehrung ge-
schrieben, den deutschen Ursprüngen des Verfassers gegenüber als eine Art Abrech-
nung gelten. Gerade die ursprünglichsten Triebkräfte der ganzen Bewegung, die
Entwicklung der »romantischen Philosophie« und insbesondere das geistige Anführer-
tum der beiden Schlegel werden hier nicht ohne Scharfsinn herausgearbeitet, zu ver-
stehen und — zu überwinden versucht, während die nicht nur intellektuell-phantastisch-
ausschweifenden, sondern ebenso wirklichkeitfrommen und »realistischen« Mit- und
Nachläufer Jean Paul und E. Th. A. Hoffmann die Sympathien des Dichters finden,
dessen Eigen- und Unarten ja gleichfalls letzten Endes auf eine Durchsetzung des
romantischen »Goldgrundes« mit formlosen Bruchstücken aus dem eben nun einmal
leider nicht restlos aufzulösenden Reich der »schlechten Endlichkeit« zurückzuführen
sind. Kann aber der Heinesche Witz selber noch auf diese Weise als ein letzter Aus-
läufer der romantischen Ironie aufgefaßt werden — so trägt er doch schon einen
mehr negativen als positiven Charakter und hat so gerade zur Zerstörung der
geistigen Welt beigetragen, aus der heraus er selber geboren ist! Ähnliches beob-
achten wir an einem anderen letzten Geistesverwandten und Erben Tiecks und
Hardenbergs: an dem altgewordenen Eichendorff. Er kann in seinen letzten, gleich-
falls zum großen Teil dem 19. Jahrhundert gewidmeten literaturgeschichtlichen
Arbeiten (1846 und folgende Jahre) in kein freundschaftliches Verhältnis mehr
kommen zu dem jungen Friedrich Schlegel und seinen Genossen: der Katholizismus
hindert ihn daran, der (ähnlich wie die Ironie) ursprünglich eine treibende Kraft,
später ein unerbittlicher Richter und Zerstörer der romantischen Welt geworden ist.
Und noch an zahlreichen anderen Grundelementen der romantischen Bewegung
ließe sich auf diese Weise aufzeigen, wie die Romantik durch die Macht derselben
Geister, die sie ins Leben rief und die sich ihr zunächst dienstbar erwiesen hatten,
später zugrunde gegangen ist und zugrunde gehen mußte. Da ist vor allem noch
jenes »lebendige Philosophieren« zu nennen, mit dessen Hilfe Fr.Schlegel und
der jüngere Schelling den neuen Geist auf theoretische Formeln brachten, das aber,
einmal beschworen, nicht mehr zu bannen war, das die Epoche seiner Auferstehung
selbst in seine unheimliche Dialektik mit hereinzog und in seiner letzten großen
Gestalt —dem Hegeischen System —zu einer vollständigen Überwindung und »Auf-
hebung in sich selber« führte. Auch Hegels Darstellung der »Romantischen Kunst«
(in der Ästhetik 1835 ff. veröffentlicht) kann deshalb als eine Abrechnung bezeichnet
werden. Hettners »Romantische Schule« (1850) ist der erste Versuch einer »objek-
tiven Geschichte« der Romantik als einer abgeschlossenen und vollendeten Periode.

Was Hettner in seinem Jugendwerk versucht und auch teilweise rühmlich durch-
geführt hatte, das führte der mit ihm gleichaltrige Rudolf Haym 20 Jahre später auf
der Höhe seiner Schaffenskraft mit umfassender Gelehrsamkeit zu Ende (»Die roman-
tische Schule«, 1871). Ein großer Gelehrter, der kein Romantiker war und auch
 
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