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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0184
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Besprechungen.

Oswald Külpe, Grundlagen der Ästhetik. Herausgegeben von Siegfried
Behn. VIII, 190 S. Verlag von S. Hirzel in Leipzig 1921.

Es ist eigenartig, wie Külpe bei seiner dauernden Beschäftigung mit den ästhe-
tischen Fragen und bei all der Anregung, die er anderen zu Arbeiten auf diesem
Gebiet gab, doch nie selbst zu einer eigenen umfassenden und zusammenhängenden
Darstellung der Ästhetik gekommen ist. Aber auch für die Herausgabe des vor-
liegenden Buches aus dem Nachlaß lagen nicht wie für den zweiten Band der
»Realisierung« fast druckfertig ausgearbeitete Vorlesungen vor, sondern die Nieder-
schriften zu Vorlesungen und Vorträgen in wechselnder Formung und in den ver-
schiedensten Graden der Durcharbeitung erforderten in weitem Umfang des Heraus-
gebers geschickt auswählende und vorsichtig ausgleichende Hand, die bei manchen
Flüchtigkeiten vielleicht noch etwas mehr hätte eingreifen dürfen, wie etwa bei der
seit zwanzig Jahren überholten Zuweisung der Schrift »Über das Erhabene« an den
250 Jahre jüngeren Longin — wenn nicht vielleicht besser der historische Abschnitt
des Buches ganz ungedruckt geblieben wäre.

Ästhetik ist für Külpe die Wissenschaft vom schönheitsempfänglichen Verhalten
und seinen Gegenständen, wobei jenes spezifische Verhalten erst jeden Gegenstand
zu einem ästhetischen Gegenstand macht. Dabei will Külpe die Ästhetik keines-
wegs in Psychologie aufgehen lassen; denn jenes eigentümliche ästhetische Ver-
halten des Menschen zur Welt ist als ideales ästhetisches Verhalten Voraussetzung
der notwendigen Bewertung konkreter Kunstschöpfungen und Urteile sowie oberstes
Prinzip der einzelnen Prinzipien ästhetischer Wirkung. Doch stellt sich uns jenes
Verhalten zugleich als ein konkreter psychologischer Vorgang dar, und diesen Vor-
gang hauptsächlich sucht Külpe seiner ganzen Lebensarbeit entsprechend nach
psychologischer, besonders experimenteller Methode zu erforschen. Dieser in der
Zeit verlaufende Vorgang erscheint als bedingt durch den Gegenstand, an dem
Külpe, Fechners Scheidung ausbauend, zwei Faktoren zu sondern sucht, einen
direkten und einen relativen. Man muß freilich gestehen, daß abgesehen von allen
prinzipiellen Bedenken schon allein die praktische Durchführbarkeit einer solchen
Scheidung nicht einleuchten will, und bei dem angezogenen Beispiel von Leibls
Dorfpolitikern bleibt es dunkel, warum die Auffassung des Zimmers, der Fenster,
der fünf Gestalten als menschlicher Gestalten zum unmittelbar Gegebenen gehören
soll, während die jene Gestalten beseelende, individuell abgestimmte lebhafte Stim-
mung dem relativen Faktor zugerechnet wird. Bedenken lassen sich auch erheben
gegenüber der ganzen Art, wie Külpe nun den ästhetischen Zustand des Subjekts
in verschiedene Momente zerlegt, die zugleich als zeitliche Stufen aufeinander folgen
sollen. Denn trotz der gelegentlichen Bemerkung, daß sich alle Stadien durchdringen,
wird doch die ganze Behandlung beherrscht von dem zeitlichen Schema. Die erste
Stufe bildet die ästhetische Einstellung als ein der näheren Bestimmung wartendes
Bereitsein. Ein weiteres Stadium ist die ästhetische Kontemplation als Synthese
der Empfindungsinhalte und Vorstellungselemente, der Formen und Gestalten zu
 
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