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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 1.1906

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Simmel, Georg: Über die dritte Dimension in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3529#0073

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ÜBER DIE DRITTE DIMENSION IN DER KUNST. 69

Oberfläche noch die dritte Dimension hinzufügt. Wenn diese nun
in das reine Anschauungskunstwerk eintreten soll, so wird auch sie
nicht bloß eine Dimension mehr sein, eine bloß numerische Hinzu-
fügung zu dem schon vorhandenen Quantum von Dimensionen,
sondern sie wird diesen Vorhandenen, über die das Kunstwerk
nicht hinaus kann, eine neue qualitative Note verleihen. Die dritte
Dimension wirkt in Malerei und Plastik nicht als reale Ausdehnung
in die Tiefe, da ja das ewig Unanschauliche keinen Platz im
Reiche der bloßen Anschauung finden kann, sondern als eine Bereiche-
rung und Kräftigung der zweidimensionalen Bildinhalte; sie ist hier
eine Nuance der Sichtbarkeit, in welche die, den ganzen Seinsinhalt
organisierende Anschauungskraft des Künstlers die Erfahrungen und
Assoziationen der Welten anderer Sinne umgeschmolzen hat. Schließ-
Jich fügt sich diese Transformierung des bloßen Mehr, das die dritte
Dimension als solche den beiden anderen gegenüber darzubieten scheint,
in den Sinn aller Kunst, in ihrem Verhältnis zur Naturwissenschaft, ein:
während diese letztere alle Qualitäten auf Quantitätsausdrücke zu bringen,
als ihrem Sinne nach quantitative darzustellen sucht, will umgekehrt
die Kunst alles nur Quantitative des Daseins in seinem Sinne als Quali-
tätswert aufzeigen.
 
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