Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 1.1906

DOI Artikel:
Volbehr, Theodor: Die Neidfarbe Gelb
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.3529#0368

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
364 THEODOR VOLBEHR.

Schimmers einer blutreichen Haut, sei es durch eine bestimmte Er-
krankung (man denke an Leberkrankheiten) — begreiflicherweise uner-
freulich, wie es jede dem gewohnten gesunden Aussehen widerspre-
chende Erscheinung allen Menschen ist.

So gut man nun aber das Weiß dort, wo es synonym mit bleich
und blaß gebraucht wird, als ein Charakteristikon für fehlende Lebens-
kraft und Lebensschönheit betrachten kann, ohne damit die Ansicht
zu verfechten, daß durch diese Verwendung der Farbenbezeichnung
Weiß die Farbe als solche diskreditiert sei, so gut sollte man auch
einsehen, daß die leuchtende Farbe Gelb nicht dadurch verächtlich
gemacht worden ist, daß man die gleiche Farbenbezeichnung für die
Mißfarbe der Blutlosigkeit wählte.

Ja, aber Alfred Lichtwark sagt, daß »im Mittelalter das Gelb zur
Neid- und Teufelsfarbe gestempelt wurde«. Einen besseren Be-
weis für die Verachtung der alten Kultfarbe kann es doch nicht wohl
geben, als wenn an die Stelle des Gottes als Träger des Gelb der
Teufel gesetzt wird!

Nun, was den Teufel anbetrifft, so läßt sich wohl kaum nach-
weisen, daß Gelb zu irgend einer Zeit seine Leibfarbe gewesen sei.
Selbst Arnold Ewald gibt zu, daß der Teufel nicht nur schwarz und
rot und grün und gelb dargestellt werde, sondern sogar braun und
blau (!) und weiß.

Ich möchte meinen, daß diese Objektivität in der Farbengebung
des Mittelalters den schönsten Beweis dafür gibt, daß man von keiner
einzigen Farbe das Gefühl hatte, sie könnte durch Anwendung in
irgend einer Richtung geächtet werden. Die Farbe mußte eben sie
selbst bleiben, ob man den Herrgott oder den Teufel in sie kleidete.
Aber es war naheliegend, daß man, sobald es sich um eine Gewandung
Gottes handelte, leicht an die blaue Farbe des Himmelszeltes dachte,
beim Teufel hingegen an die Flammen der Hölle oder an die Schwärze
der Finsternis, und daß solche Gedanken nicht ohne Einfluß auf die
Wahl der Farben waren.

Und was geht nun aus dem allen hervor? Doch wohl, daß es
auf einem Irrtum beruht, wenn man Gelb als die Neidfarbe in dem
Sinne auffaßt, daß die gelbe Farbe seit den Zeiten des Mittelalters eine
Schimpffarbe für den Träger dieser Farbe gewesen sei. Gelb hat eben
nur — und zwar aus sehr begreiflichen Gründen — unter anderem
auch den Neid charakterisiert. Genau so wie Weiß, das doch die
Farbe Gottes und aller Seligen, die Farbe aller Güte und Reinheit war,
unter anderem auch — nach den Forschungen Wilhelm Wacker-
nagels — »die Farbe der Furcht und des Todes, der Unkeuschheit,
des Phlegmas und des Stumpfsinns« war.
 
Annotationen