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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 1.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.3529#0453

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BESPRECHUNGEN. 44g

dient, sondern über den Gebrauchszweck hinaus als eigener Wert zu gesteigerter
Hochschätzung gelangt, wo sie in einer fremden oder schwerverständlichen Sprache
einen Inhalt birgt, den nur der Eingeweihte zu erschließen vermag, — erst da stellt
sich auch die Ornamentik ein, die diesen Wert auszeichnet und umrankt.« ... Das
Bild ist im Buch ein völlig Heterogenes; »es schaltet gewissermaßen das Spiel des
Intellektes aus und schaltet ein Ausruhen in Anschauung ein«. Die Gemeinsamkeit
des Gehaltes von Bild und Text »schafft die Einheit des Mediums«. Noch in spät-
römischer Zeit gibt es keinen spezifischen Miniaturstil. Das Verselbständigen des
Bilderzyklus ist nordische Errungenschaft. »Der Süden und der Orient bleiben im
Geschlinge der kontinuierenden Darstellung hängen; das bezeugt noch eine letzte
Erscheinung der Ornamentik: der unendliche Rapport.«

Zum Schluß faßt Schmarsow die Ergebnisse seiner Arbeit zusammen: Die Cha-
rakteristik der Entwickelungsvorgänge kann nur gelingen, »wenn die streng unter-
scheidende Wesensbestimmung der Künste festgehalten und allgemein durchgeführt
wird.« Er kommt zu drei Paaren von Künsten: Mimik und Plastik, Architektur und
Poesie, Malerei und Musik. Das erste Paar ist führend im klassischen Altertum,
in der Spätantike übernimmt die Architektur die Führung. Und »gerade die Raum-
komposition der späteren Kaiserzeit, die Entstehung der Basilika und ihre Ausbil-
dung als bevorzugter Bautypus für die christliche Kirche, sie fordern zur Ergänzung
der zeitgemäßen Weltanschauung die Poesie, als deren Vertreter wir Virgil und
Ovid ebenso wie die Verfasser der Heiligen Schriften und die Prediger des Christen-
glaubens anerkennen«. Die »Entdeckung« des Malerischen ist der Antike noch nicht
gelungen, sie kommt erst mit dem späten Mittelalter, und zugleich »die Musik als
Komplementärkunst«. Verfasser meint, daß seine »Lehre vom organischen Zusam-
menhang im ganzen Reiche des menschlichen Kunstschaffens schließlich auf eine
Kunstphilosophie« hinauskomme. »Aber sie kommt von der psychologischen Grund-
lage dieses Zusammenhanges selber.«

Referent hat dem umso weniger beizufügen, je mehr er hoffen darf, daß sein
Bericht getreu und genügend vollständig ausgefallen sei. Zum großen Teil ist der
Verfasser selbst zum Wort gekommen, auch dort, wo wörtlich nicht zitiert werden
konnte, ist, soweit es die Kürze gestattete, eine der seinigen verwandte Darstellung
gewählt worden, auch ist, wie erwähnt, eine längere Stelle in extenso gegeben.
Dies war nötig, damit der Leser sich selbst ein Bild von der Abfassung des Buches
machen könne. Auch wer schwere Kost verträgt, wird sich in den »Grundbegriffen«
nur mit Mühe und Geduld zurechtfinden, und Referent kann sich nicht verhehlen,
daß es nicht die behandelten Materien sind, welche die Schwierigkeiten bedingen.
Überaus schwer ist es auch, bei der Breite der Darstellung den Zusammenhang zu
erfassen und festzuhalten, und daran sind nicht zum geringen Teil die gehäuften
und oft lästigen Beispiele und Abschweifungen schuld. Daß die fast poetische Ab-
fassung, obwohl sie an einigen Stellen für sich genommen wirklich schön wird,
keine ganz angenehme Beigabe eines wissenschaftlichen Werkes ist, wird der gerne
zugeben, der etwa einem Beweis in Versen Geschmack abzugewinnen nicht in der
Lage ist.

Schwerer als diese doch recht äußerlichen Mängel, die den wohlmeinenden
Autor höchstens veranlassen könnten, den Inhalt seines Buches in klarere Kürze
zusammenzudrängen, wiegt es wohl, wenn an der Berechtigung seines Programmes
Zweifel erhoben werden können. Will der Verfasser die Grundbegriffe der Kunst-
wissenschaft feststellen, dann wird es sich doch zunächst darum handeln, ob die
Begriffe, wie sie hier gebraucht werden, nicht bereits in einer anderen Wissenschaft
bearbeitet sind oder doch in dieser gunstigere Aussichten auf befriedigende Bearbei-
 
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