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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 1.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.3529#0454

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450 BESPRECHUNGEN.

tung haben. Die Begriffsbestimmungen der Kunstarten Architektur, Plastik, Malerei
gehören ja gewiß der Kompetenz des Kunsthistorikers an, wiewohl Referent gerade
diese Einteilung des Kunstgebietes nicht für die fruchtbarste hält. Aber Rhythmus,
Symmetrie, Proportionalität, Richtung, Grund und Muster u. s. w. sind doch Gegen-
stände, deren Untersuchung nach ihrer wichtigsten Seite durch die Psychologie nicht
nur eher in Angriff zu nehmen wäre, sondern tatsächlich in Angriff genommen ist.
Sehen die Grundbegriffe der Kunstwissenschaft so aus, dann ist diese eben insoweit
unselbständig, als sie ihre Grundbegriffe von außen beziehen muß; öderes darf der
Vertreter der Kunstwissenschaft die Mühe nicht scheuen, sich das Recht zu erwerben,
auch in jenem Gebiet für heimatsberechtigt zu gelten, das zur Bearbeitung seiner
Grundbegriffe besonders berufen ist. Wer an der Grenze zweier Reiche wohnt,
muß eben beider Sprachen sprechen; und das wird dem Kunsttheoretiker wohl
nicht lange mehr erspart bleiben. Referent legt darauf Gewicht, weil er in des
Verfassers Absichten ein Zeichen der Zeit namhaft gemacht zu haben meint, das
überdies einer auffallenden Analogie nicht entbehrt. Die Physiker unserer Tage
haben ein starkes und gewiß löbliches Bedürfnis nach einer Untersuchung der Er-
kenntnisgrundlagen ihrer Wissenschaft, daneben aber zumeist einen ausgesprochenen
Abscheu vor allem, was an Untersuchung eben der Erkenntnisgrundlagen vor oder
neben ihnen von vorgebildeten Erkenntnistheoretikern geleistet ist. Sie machen ihre
»Naturphilosophie« selbst und — »nun, sie ist auch danach«.

Auch die Kunstforscher unserer Tage haben ein immer wachsendes Verlangen,
neben Künstlergeschichte und Entwickelungsgeschichte der Kunst Probleme zu
lösen, die im Grunde genommen ästhetische und psychologische sind; aber von
wissenschaftlicher Ästhetik und Psychologie, hauptsächlich von jener (wohl wegen
ihres Namens) wollen sie nichts wissen. Soll es auch noch zu einer self-made-
Ästhetik unter anderem Namen kommen?

Sieht man aber von diesem Teil des Schmarsowschen Buches ab, dann bleibt
noch ein erkleckliches Stück Entwickelungsgeschichte der Kunst. Nun möchte Refe-
rent vor allem hier nicht auf historische Kontroversen eingehen; eines aber soll zur
Methode doch gesagt sein. Die Instanzen, mit denen Schmarsow seine Darstellung der
Entwickelung belegt, sind wenige Hauptbeispiele. Er mag, da er gewiß das Material
in größtem Umfang kennt, zur Aufstellung von Entwickelungsvorgängen berechtigt
sein, der Leser aber muß ihm, wenn er die Instanzen nicht namhaft macht, glauben,
statt ihm zu folgen. Wir sind in den seltensten Fällen in der Lage, etwa über
die ägyptische Kunst oder über die rotfigurige Vasenmalerei oder über das christ-
liche Mittelalter in Bausch und Bogen urteilen zu können; und da sich die Er-
kenntnisse nur schrittweise gewinnen lassen, kann man sie auch nur schrittweise
vermitteln.

Graz. Rudolf Ameseder.

Georg Kerschensteiner, Die Entwickelung der zeichnerischen Bega-
bung. Neue Ergebnisse auf Grund neuer Untersuchungen. Mit 800 Figuren
in Schwarzdruck und 47 Figuren in Farbendruck. München, Druck und Ver-
lag von Carl Gerber, 1905. Lex. 8°. XV und 508 Seiten.
Fast gleichzeitig mit dem in dieser Zeitschrift bereits besprochenen Levinstem-
schen Buch ist Kerschensteiners großes Werk erschienen. Es imponiert zunächst
durch die Masse des darin verarbeiteten Stoffes: etwa 500000 Kinderzeichnungen
sind gesammelt und davon ungefähr 300000 der Untersuchung zu Grunde gelegt
worden. Diese Zeichnungen stammen aus den Volksschulen Münchens; zahlreiche
und vortrefflich nachgebildete Proben werden uns vom Verfasser mitgeteilt. Alsdann
 
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