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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0201

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196 BEMERKUNGEN.

Experiment einer quantitativen Behandlung nicht so bequem zugänglich wie der
direkte Faktor, der letztere forderte geradezu zu einer quantitativen Analyse auf.
Linienlängen, Wellenlängen von Spektralfarben, Schwingungszahlen von einfachen
Tönen konnten zahlenmäßig fixiert und dann statistisch, also wiederum zahlen-
mäßig auf ihre ästhetische Wirkung untersucht werden. Wie sollte man dagegen
die assoziierten Vorstellungen nach ihrem Inhalt und ihrer Stärke in Zahlen aus-
drücken, ja überhaupt nur irgendwie fixieren? Und was halfen alle statistischen Be-
rechnungen, wenn eine solche zahlenmäßige Fixierung für die assoziativen Faktoren
nicht möglich war? So drängte die Bevorzugung der objektiven Methode zur quanti-
tativen Behandlung, und umgekehrt wies der Wunsch nach der vermeintlich allein
exakten quantitativen Behandlung auf die objektiven Methoden hin. Der schwere
Nachteil, daß die quantitative Behandlung nur für die elementarsten Objekte durch-
führbar war und daher von den ästhetischen Problemen der tatsächlichen Kunst-
werke weit entfernt blieb, wurde kaum beachtet.

An diesem Punkt setzt Külpes wissenschaftliche Arbeit auf dem Feld der experi-
mentellen Ästhetik ein. Schon in einem Aufsatz aus dem Jahre 1894 über die »Aus-
sichten der experimentellen Psychologie« (Philos. Monatshefte Bd. 30, S. 281) hatte
er auf die Möglichkeit einer Erweiterung der ästhetischen Forschung hingewiesen
(S. 292). In der ausführlichen Abhandlung »Über den assoziativen Faktor des ästheti-
schen Eindrucks. (Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 1899, Bd. 23, S. 145—183) wies
er auf die große Bedeutung des assoziativen Faktors auf Grund der empirischen nicht-
experimentellen Analyse von Kunstwerken hin und versuchte mit Erfolg ihn genauer
zu begrenzen, und endlich im Jahre 1906 zog er in seinem Vortrag Ȇber den gegen-
wärtigen Stand der experimentellen Ästhetik« auf dem 2. Kongreß für experimen-
telle Psychologie in Würzburg (Bericht herausgegeben von F. Schumann, Leipzig 1907,
S. 1—56) die Folgerungen aus dieser neuen Bewertung für die experimentell-ästhe-
tische Forschung. Hier berücksichtigt Külpe den assoziativen Faktor bei der experi-
mentell-ästhetischen Methodik in ausgiebiger Weise, ohne doch dabei — wie dies in
einzelnen inzwischen veröffentlichten Arbeiten geschehen war — in das entgegen-
gesetzte Extrem zu verfallen und den direkten Faktor zu vernachlässigen. Zugleich
berichtigte er seine frühere Auffassung des »assoziativen« Faktors in einer für die
Experimentaluntersuchung höchst bedeutsamen Weise insofern, als er jetzt als das
Wesentliche desselben »die Mittelbarkeit der ästhetischen Wirkung« betrachtete, die
»darauf beruht, daß der Gegenstand nicht durch seine ihm immanenten, die materialen
oder formalen Bestandteile, sondern durch seine Beziehungen zu unserer Er-
fahrung und Stimmung, zu seiner Aufgabe und Bedeutung gefällt oder mißfällt«,
und bezeichnete ihn jetzt als »relativen« Faktor, da es »mindestens fraglich sei, ob
diese Beziehungen sich sämtlich auf Assoziation zurückführen lassen«. In der Be-
sprechung der Methodik trug er denn auch dieser Veränderung der Grundauffassung
und der Problemstellung allenthalben Rechnung. Man kann wohl sagen — un-
beschadet der Verdienste mancher anderer in derselben Richtung tätig gewesener
Forscher —, daß vor allem durch Külpe der assoziative (relative) Faktor des ästheti-
schen Eindrucks seine ihm gebührende Stellung in der ästhetischen Experimental-
untersuchung bekommen hat. Gerade die rieht ige Koordination des direkten
und des assoziativen Faktors im Experiment ist Külpe ausgezeichnet gelungen.

Ein zweites Verdienst Külpes um die experimentelle Ästhetik — neben dieser
treffenden Eingliederung des assoziativen Faktors in die Experimentaluntersuchung —
ist die systematische Ausgestaltung der Methoden der experimen-
tellen Ästhetik. Auch hierfür kommt namentlich der obenerwähnte Kongreß-
vortrag in Betracht. Was Külpe In seinem Grundriß der Psychologie (Leipzig 1893,
 
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