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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0342

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BESPRECHUNGEN. 337

ist immer wieder ein Ding statt eines Prinzips, zu dem der Raum gemacht wird,
und erst recht von jenen, die ihn intellektualistisch zu begründen suchen, denn
nun kann »der Raum«, der für sie kein Prinzip besonderer Art ist, nur zum Ding-
substrat weiden, das dann durch theoretische Ordnungsrelation erst seine »wahre,
eigentliche« Bedeutung erhält.

Wenn der Verfasser nun mit großer Energie den Raum als Relation und nicht
als Ding behauptet, so klingt das so, daß jeder, der eine autonome Begründung
der spezifischen Gültigkeiten Raum, Zeit usw. anstrebt, scheinbar restlos damit ein-
verstanden sein kann. Denn in der Tat liegt das Geheimnis der Spezifizität dieser
Formen in ihrem reinen und bloßen Relationscharakter, der für ein nur am theo-
retischen Formtyp orientiertes Denken, wirklich konsequent zu Ende gedacht, die
wunderlichsten Paradoxen und Denkumgewöhnungen zur Folge haben muß — wie
dies an der Relativitätstheorie in ihren grundlegenden Einsichten deutlich wird.
Übrigens vermißt man beim Autor, daß er außer einem flüchtigen Hinweis zu der
wichtigen Klärung des Raum- und Zeitbegriffs durch die Relativitätstheorie keine
Stellung nimmt. — Wenn wir aber seiner Auffassung des Raumes (und der Gestalt)
als Relationsform näher auf den Grund gehen, so ist dieser Relationscharakter
keineswegs in den Denkgegenstand des Raumes selbst hineingelegt, sondern betrifft
nur die übliche Ordnungsrelation des reflexiven Denkens an dem »fremden« Sub-
strat des Raumes, das eben damit wieder selbst hoffnungslos zum Ding, zu einem
unter der theoretischen Art der Einheitsform Gedachten herabsinkt, wie es sich auch
trotz aller Gegenversicherungen zeigt. Die spezifische Gültigkeitsform des Raumes
als Relationsform ist damit nicht begründet, diese bleibt vielmehr immer noch das
♦Fremde«, auf das sich jener intellektualistische Raumbegriff erst beziehen muß, — das
Rätsel wird in die inhaltliche Anschauung und die notwendige Bezogenheit des
Raumes auf sie hineingeschoben, und die Formerkenntnis geht wiederum leer aus.

Es scheint mir durchaus wesentlich, daß gerade innerhalb des Rahmens einer
ästhetischen Zeitschrift auf diese Probleme immer wieder hingewiesen wird, wenn
sie auch für gewöhnlich mehr als selbstverständliche Voraussetzung wie als ausdrück-
liche Basierung im ästhetischen Gebiet behandelt werden. Denn jenes »Fremde«,
das ist ja vielmehr für die Ästhetik das Bekannte, der Boden, auf dem wir stehen,
wie hoch hinauf auch die ästhetischen Probleme sich gipfeln. Für uns gibt es
schon deshalb, im allgemeinen Sinn, die »reine: Anschauung, d. h. einen spezifi-
schen Formtyp, der durchaus selbständig neben denen des theoretischen Kreises
besteht, und der nicht einfach mit dem Inhaltlichen zusammenfällt, — weil wir ja
sonst gar keine Allgemeingültigkeit ästhetischer Formen beanspruchen können, ja,
gar keine Ästhetik als selbständiges Gebiet möglich wäre! Das tertium non datur
hat seine lebendige Widerlegung in dem ganzen ästhetischen Gebiet, — weder
intellektualistische Form, noch bloßer empirischer Inhalt, sondern spezifische »An-
schauungsform«, die wiederum eine ganze Welt der Werte und Formen zu tragen
vermag! Es ist interessant zu sehen, wie die noch immer übliche Vernachlässigung
des ästhetischen Gebiets — auch nur als Faktum! — bei erkenntnistheoretischen
Erörterungen, sich immer wieder rächt. Eine ganze Reihe von Gedanken, die immer
nur die empirische Anschauung der Intellektualform entgegenstellen, werden einfach
umgeworfen durch die Zwischenfrage: und die ästhetische Anschauung? Sowohl die
als rein abgelöste, wie die inhaltliche, ihrer Bedeutung nach? Die ästhetische Form-
'nhaltsanschauung kann natürlich empirisch gedeutet werden; darin besteht aber
nicht ihr eigentlicher Sinn! Und es gibt keineswegs nur empirische Anschauungs-
inhalte! Sonst wäre die Grenze zwischen theoretischer Realität und Kunst gröblich
verwischt, sonst hätte jede nur anschauliche Formung auch schon strenge Wirklichkeits-

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XI. 22
 
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