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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0348

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BESPRECHUNGEN. 343

nach Nelson die Freiheit äußeren Handelns überhaupt aufheben. Somit ist es
nicht Pflicht, den Rechtszustand in diesem Sinne herbeizuführen, obwohl anderseits
jede Rechtsverletzung den Wert jedes konkurrierenden positiven Wertes aufhebt.
So scheint uns bei Nelson jedes Ding nur drohend seine negative Konsequenz vor-
zuweisen. Ergo? Man kann nur noch, bei vollkommener Lahmlegung aller posi-
tiven Kräfte, ängstlich über die vereinsamte Sphäre »seiner Rechte« wachen. Wenig-
stens sehe ich keine andere letzte Konsequenz aus diesem atomisierten ethischen
Empfinden, das die Freiheit nur im negativen Sinn kennt und im Grunde jeder
Tat oder Betätigung ausweicht, weil sie Rechtsverletzung sein könnte und weil der
ethische Wert selbst nur negativ für es ist. Auch die Positivität des ästhetischen
Wertes scheint bei Nelson nur in seiner Verquickung mit dem bloßen Existenzial-
wert zu bestehen. Und wenn wir uns erinnern, daß Nelson in seinem früher hier
besprochenen Werke (Über das sogenannte Erkenntnisproblem) die Unmöglichkeit
der Erkenntnistheorie darzulegen sucht, so fangen wir an zu begreifen, welche
Geistesart hier am Werk ist. Wenn sie den Geist des größten deutschen Denkers
zu verwalten oder auch nur zu verstehen vorgibt und dabei den positiven Sinn des
Kritizismus in reine Negativität auflöst, so kann vor einer solchen Fälschung geistiger
Nahrungsmittel nur eindringlich gewarnt werden. Damit rechtfertigt sich auch die
Breite, die hier Fragen gewidmet wurden, welche nur zum Teil in die Ästhetik
hineinragen. Aber auch hier gilt es: principüs obsta. Wir wollen uns auch die
»Interesselosigkeit der ästhetischen Anschauung« des deutschen Idealismus nicht
von einer kalten Interessenphilosophie entreißen lassen.

Berlin. Lenore Ripke-Kühn.

Kunstverwaltung in Frankreich und Deutschland im Urteile von
A. Bartholome, M. Barres, H. Cochin, A. Rodin, A. Tardieu,
W. v. Bode, P. Clemen, O. v. Falke u.a. Herausgegeben von Dr. Otto
Grautoff. Akademische Buchhandlung von Max Drechsel, Bern, 1915.
128 Seiten. 62 Tafeln.
Dieses Buch sucht mit einer gewissen Gründlichkeit zu beweisen, was eines
Beweises eigentlich nicht bedarf: daß wir Deutschen nicht mutwillig Kirchen zer-
stören, daß wir Kunstdenkmäler retten und schützen, wo es nur immer angeht, und
daß der Vorwurf der Barbarei in dieser Beziehung weit eher die Franzosen trifft.
Es werden eine große Anzahl Bilder von Kirchen vorgeführt, die von französischen
Geschossen, oft unnötig, in Trümmer gelegt worden sind, und anderseits werden
Gebäude abgebildet, die deutsche Vorsicht und Kunstliebe vor der Zerstörung be-
wahrt hat. Dazu treten schriftliche Zeugnisse von Franzosen über die traurigen
Zustände der französischen Kunstverwaltung in den letzten Jahren und einige offi-
zielle deutsche Berichte über den Zustand der Baudenkmäler in den von uns besetzten
Gebieten Belgiens und Nordfrankreichs.

Ein Bilderbuch unseres guten Gewissens, für deutsche Leser überflüssig. Wir
wissen, daß Kunstverwaltung und Denkmalspflege bei uns mit derselben Sorgfalt
ünd Gründlichkeit getrieben werden, mit der wir alle Kulturaufgaben lösen, wäh-
rend die Franzosen lieber über Kultur reden. Für neutrale Völker mag dieses
Buch aber einige Überraschungen bringen. Seines reichen Bildermaterials wegen
föchte man es im neutralen Ausland verbreitet wünschen. Der Photographie
schenkt man ja selbst heutzutage noch einigen Glauben. Freilich hätte für diesen
Zweck der Text noch etwas zurückhaltender sein dürfen. Man soll den Fehler
unserer Zeitungen und Zeitschriften, Behauptungen der feindlichen Presse ernst zu
"ehmen, nicht auch noch in Büchern verewigen. Unseren Versicherungen glaubt
 
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