Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 14.1920

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3620#0101
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BESPRECHUNGEN. Q7

fragen, an die Antwort dieselbe Frage zu stellen und das Verfahren solange zu
wiederholen, bis solches lineare Aufsteigen seine Grenze findet. Nach der Ansicht
von Herrn Nelson endet das Verfahren notwendig bei letzten Erkenntnissen, die
an sich gewiß sind und deren Entdeckung und Analyse eine wesentlich psycho-
logische Betrachtung erfordert. Nach unserer Ansicht endet es bei letzten Ergeb-
nissen, die deshalb gelten, weil sie in einem Systemzusammenhange stehen mit allen
letzten Voraussetzungen geistigen Tätigseins und das ganze System gilt; die Ent-
deckung dieses Systemzusammenhanges und damit der Gültigkeitsbeweis einer als
Grundsatz behaupteten Erkenntnis fordert dann ein logisches Verfahren. Für
Herrn Nelson sind (S. 25) die geometrischen Grundsätze unmittelbar einleuchtende
Wahrheiten, die als solche keines Beweises bedürfen. »Es genügt, die Begriffe zu
konstruieren, um zu erkennen, daß ihren Gegenständen die ihnen in den Axiomen
zugeschriebenen Eigenschaften zukommen.» Nach unserer Ansicht gelten sie, weil
sie sich als notwendige Verfahrensweisen beweisen lassen, um die Forderung einer
objektiven Erfahrung zu erfüllen. Die Anschaulichkeit erklärt sich dann als Einge-
schliffensein dieser Operationen durch die Anwendung; weil wir so oft Stellen-
setzungen vorgenommen haben, haben wir die Anschauung des Punktes, weil wir
so oft Richtungen festlegten, die Anschauung der Geraden; aber das durch zwei
Setzungen eindeutig festgelegte Richtungsbestimmen ist ein durch den System-
zusammenhang aller Voraussetzungen der Erfahrung logisch gefordertes Verfahren.
Die Voraussetzungen der Erfahrung stehen in Systemzusammenhang mit den Mög-
lichkeiten des Zwecksetzens und Handelns, denn der Sinn der Erfahrung ist, Anlaß
zum Handeln zu sein, Möglichkei en des Handelns sind notwendige Voraussetzungen
der Erfahrungsgewinnung usw. So schließt sich von jeder Erkenntnis aus der ganze
Ring. Man kann bildlich sagen: die Linien des Zurückfragens nach Voraussetzungen
führen nach Herrn Nelson zu Punkten, die je absolut festliegen, nach der unseren
zu solchen eines in sich stabilen Ringes.

Man kann logisch verschiedene solche Ringsysteme bauen — das des Idealis-
mus, des Realismus, der transzendenten Dogmatik; die Wahl des einen läßt sich
nicht durch eine dem Ringe angehörende Erkenntnis entscheiden, auch nicht durch
eine Erkenntnis außerhalb, weil diese ja einem übergeordneten Ringe angehören
müßte; sondern die Entscheidung für das System des Idealismus erfolgt durch den
Nachweis, daß wir uns bereits dafür entschieden haben durch unser Handeln nach
den Gesichtspunkten: es soll objektive Wissenschaft — es soll objektives Recht geben.

Für die Ethik liegt der Unterschied des Nelsonschen Ansatzes absoluter Einzel-
punkte und des unseren eines in sich stabilen Ringes darin, daß aus dem ersten
ein Einschränkungsprinzip unseres Willens herfließt, die Forderung der Rücksicht
auf die Interessen anderer, aus dem zweiten dagegen folgt aus der Forderung der
Ringgeschlossenheit ein Schöpfungsprinzip der Zielsetzungen, das Prinzip des Pro-
duktivseins für die ins Unendliche laufende Reihe des Menschheitsschaffens, ein
Prinzip, das höher ist, als alle Individualinteressen.

S. 45: »Die Aufgabe der Zurückführung der ethischen Erkenntnis auf logisch
höhere Prinzipien erscheint als unabweislich, solange man überhaupt für jede Er-
kenntnis eine Begründung fordert.* S. 48: »Nennen wir eine Erkenntnis, die an
und für sich gewiß ist, unmittelbar, jede andere dagegen mittelbar, so können
wir sagen, daß nur die mittelbaren Erkenntnisse einer Begründung bedürfen.«
S. 50: »Es zeigt sich . .., daß ein Beweis nur für solche Urteile möglich und not-
wendig ist, deren Gründe ihrerseits wieder Urteile sind, und daß daher die obersten,
zur Möglichkeit jedes Beweises schon vorausgesetzten Prämissen nicht durch Auf-
weisung einer ihnen zugrunde liegenden unmittelbaren Erkenntnis begründet werden

Zeitsclir. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XIV. 7
 
Annotationen