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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 14.1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.3620#0436
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432 BESPRECHUNGEN.

Die kurzlebige symbolistische Richtung, vertreten durch Fr. Stuck und geringere
Böcklin-Nachahmer, wie Hengeler, teilt mit ihr die malerische Behandlung der
Form, hat aber mit der zweiten, stärkeren Neberiströmung die koloristische Stili-
sierung der-Farberigebung gemein. Diese bedeutsamere Richtung nimmt die Wen-
dung der Deutschrömer zur plastischen Anschauungsweise auf, obgleich ihr Bahn-
brecher Klinger vom Impressionismus herkommt. Es ist bezeichnend, daß Waetzoldt
•dem Maler der blauen Stunde erst beim Wandbild gerecht wird. Und doch ist Klinger
nicht nur in der Quelle (Dresden) und in der Pietä (ebenda), in der sich die Form
bereits zu voller Schärfe verfestigt hat, sondern sogar in der Kreuzigung mit ihrem
gesteigerten Kolorismus noch ein echt impressionistischer Freilichtmaler. Mit dem
Christus im Olymp und in den allegorischen Wandgemälden für Leipzig und Ham-
burg kommt dann zur Plastik der Gestalten ihre-reliefmäßige Aufreihung in einem
Plan hinzu,i die landschaftlichen Hintergründe aber bewahren bis zuletzt die illusio-
nistische, wenngleich durch helle Luft und Wasserflächen gebundene Raumanschau-
ung. Neben Klinger hätten als Malerplastiker Greiner zum mindesten Erwähnung,
Schneider, Haider und Bohle mehr Berücksichtigung verdient. Es sind zugleich die
starken Zeichner dieser Zeit. Einen weiteren Schritt zum dekorativen Linienspiel
bedeuten die Weimarer Museumsfresken Hofmanns und Klimts Wiener Allegorie
und den ersten zur Wiederbelebung des Flächenstils. Eine Fortbildung des letzteren
dürfen wir vielleicht von den Expressionisten erhoffen, wenn sie auch erst ver-
einzelte Anläufe dazu genommen haben wie H. Nauen in den Wandmalereien auf
Burg Drove. An der farbigen Rhythmisierung der Wand halten hingegen die
Illusionisten fest wie A. Kampf in seinem Berliner Aulabilde,— nicht etwa im Gegen-
satze zu Marees' Neapler Fresken, wie der Verfasser meint, sondern in grundsätz-
licher Übereinstimmung mit ihm.

Um den angedeuteten stilgeschichtlichen Entwicklungsgang übersichtlich zu
machen, wäre die Betrachtung etwa in folgender Abwechslung gemäß der Bedeutung
des Gegenstandes für das jeweilige vorherrschende Kunstwollen der Bildgattung an-
zustellen. Ich möchte sie nur als Vorschlag einer leicht durchzuführenden Umteilung
des Stoffes dem Verfasser zur Erwägung unterbreiten. Im ersten, die siebziger und
achtziger Jahre umfassenden Teil sollte die Darstellung ihren Ausgang von dem
Handlungsbilde einschließlich des monumentalen nehmen. An dieses wäre das
Bildnis und dann wohl am besten das Stilleben anzuschließen, das als Vorwurf den
Gegenpol bezeichnet, mit ihm aber die nahräumige Anschauung gemein hat. Die
Landschaft, in der die rein optische Spiegelung der Erscheinungswelt sich dem
Weitraum zuwendet, wäre zuletzt abzuhandeln, — im zweiten Teil hingegen an
erster Stelle, so dass sie in geschlossenem Zusammenhange in den Mittelpunkt der
Gesamtbetrachtung rücken würde, wie es ihrer Rolle in der malerischen Stilbildung
der impressionistischen Richtung entspricht. Die Entfaltung der letzteren in den
anderen Bildgattungen müßte dann in rückläufiger Folge durchgeführt werden.
Auch die Abspaltung der expressionistischen Strömung und der gegenwärtige Stand
der Dinge würde dann wieder im Handlungsbilde am klarsten herausspringen. Die
Hoffnung, daß dem Expressionismus aus dem Völkerringen mächtige neue Antriebe
monumentaler Gestaltung erwachsen würden, kann sich nicht mehr erfüllen. Sie
werden ersterben, wie in unserer Kriegslyrik. Ist unsere Kunst im Niedergange be-
griffen oder im Aufstieg als Verkünderin einer Zeit strenger Selbstzucht und harter
Arbeit? Das ist die Schicksalsfrage, die wir an die Kunst wie an unsere gesamte
Kultur zu richten haben.

Berlin-Steglitz. O.Wulff.
 
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