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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 14.1920

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Habicht, Victor Curt: Über Malerbildhauer und Bildhauermaler
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https://doi.org/10.11588/diglit.3620#0270
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266 V. CURT HABICHT.

hier und dort zu ganz verschiedenen Schwächen führen. Wir besitzen
alle, auch die Nichtkünstler, bei der mechanischen, nun einmal not-
wendigen Realisierung von geistigen Absichten, in der Emanation des
Geistigen, gewisse Tricks zur Bewältigung bestimmter Widerstände.
Sie können etwa in der Rede oder Schrift ähnliche oder gleiche sein,
brauchen es aber nicht. Genau so im künstlerischen Vortrage. Zeigen
Kunstwerke verschiedener Gebiete trotzdem übereinstimmende Sonder-
heiten in diesen Abkürzungen, Marotten, so darf der Nachweis als
Beweis für die Identität des Künstlers angesehen werden. Nur darf
man sie nicht von vornherein als die ausschlaggebenden Kriterien
verlangen oder erwarten. Sie können auch trotz der Identität des
Urhebers fehlen. Wiederholen müssen sie sich nur in Werken des
gleichen Kunstgebietes (Malerei oder Plastik). Aber diese Fragen be-
schäftigen uns hier nicht.

Mit Bestimmtheit wird sich hiernach feststellen lassen, ob Malereien
bildhauerische Begabung oder Bildhauerarbeiten malerische Veranlagung
verraten. Mit der Möglichkeit dieser allgemeinen Feststellung ist schon
viel gewonnen. Sie wird vorhandenen Nachrichten Stütze und Halt
geben, Nachprüfungsmöglichkeit und Bestätigung in bestimmten Fällen
schaffen können.

Die obigen Ausführungen sollen Hilfsmittel zur Entscheidung in
praktischen Fällen sein. Hilfsmittel nur, denn alle Geisteswissen-
schaften, auch die Kunstgeschichte, müssen mit Überraschungen rech-
nen. Gottlob, denn der menschliche Geist ist keine Maschine, und die
Grenzenlosigkeit seiner Betätigung ist das einzige, was uns noch Wun-
der erleben lassen kann. Hilfsmittel nur, denn vollkommene Sicherheit
geben einzig und allein eindeutige und sichere dokumentarische Nach-
richten. Ihr Nachweis muß — trotz aller zu erwartenden Enttäu-
schungen bei oft vergeblichem Suchen — stets Ziel und Antrieb bleiben,
wenn sich aus dem unbegrenzten Reich des Möglichen die nüchtern
greifbare Tatsächlichkeit erheben soll. Aber auch dann will das Factum
weniger gelesen als vielmehr verstanden sein. Auch hierzu wollen
die obigen Ausführungen einen Beitrag liefern.
 
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