Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0114
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
100

BESPRECHUNGEN.

reifte Verständnis des Akts auch in Bewegungsstellungen, z. B. in dessen zusam-
mengekrümmter Haltung vor Gottvater nach dem Sündenfall und bei dem Bruder-
moide Kains, geschult aber wohl an den Gestalten der Auferstehenden in den Särgen
französischer Portalplastik, die am vierten Pfeiler als solche in dichtem Gedränge
das linke unterste Relieffeld füllen. Französische Schulung verrät auch das Blatt-
werk sowie der aristokratische Christustypus des Logos. Für den besonders sorg-
sam gearbeiteten ersten Pfeiler werden wir daher mit Schmarsow Ramo selbst als
ausführenden Meister, für den vierten jedenfalls als Beaufsichtigenden und manch-
mal Eingreifenden annehmen dürfen. Während dort die alttestamentlichen Erfinder
der Wissenschaften und Künste die beiden Hälften des obersten Reliefstreifens füllen,
trägt das Gezweig der Ranke hier über den Schrecken der Hölle den Aufstieg der
Seligen, und zwar von unten beginnend mit der Begrüßung (oder Abweisung) durch
die Engel, links die Glaubenshelden und Ordensstifter, rechts die heiligen Frauen,
zuoberst den Chor der Apostel und großen Kirchenlehrer, aufblickend zur Mandorla
Christi, die von den Marterwerkzeugen als Trophäen und zwei posaunenblasenden
Engelpaaren umgeben ist. So spricht das Ganze mehr die Errichtung des Gottes-
reiches als das Gericht aus. Es geht uns hier eine Ahnung von dem Reichtum des
religiösen Vorstellungslebens der Zeit auf, das erst gut zwanzig Jahre später in
Dantes Paradiso seinen dichterischen Ausdruck gefunden hat. Das innere Pfeiler-
paar zeigt wieder in der dekorativen Flächengliederung durch die sich auf beiden
in kreisförmigen Verschlingungen ausbreitende Ranke, die hier wie dort gleich
mager beblättert ist, und durch die Hinzunahme der zurückspringenden Seiten-
absätze der Pfeiler für den überreichen Bildstoff weitgehende Übereinstimmung. Auf
dem linken ist im untersten Streifen der liegende Jesse als Träger des Wurzelblatts
in größerem Maßstäbe als die ihn und diese beiderseits zu dritt umgebenden
Propheten und alle rankenfüllenden Figuren dargestellt. In den lanzettförmigen
Mittelschlingen stehen David und andere Vorfahren, zuoberst die unter dem sitzen-
den Christus thronende Gottesmutter. Zu den Königen aus Davids Stamm treten
von beiden Seiten Propheten paarweise heran, hinter denen Szenen aus der Ge-
schichte Noahs, Abrahams, Ezechiels Vision, Judiths Tat, Heliodors Vertreibung
u. a. m. die Kreisschlingen füllen und von Apostelgestalten auf den abgesetzten
Nebenflächen begleitet sind. Man kann auch hier auf die Berührung mit Dante hin-
weisen, der manche dieser Bezeugungen der göttlichen Hilfe in seinem Purgatorio
vorbringt. Die Ausführung ist eine ungleichmäßige, besonders oben, am sorgfältig-
sten bei den Königen. Die Maria zeigt Verwandtschaft mit der Holzmadonna der
Domopera, die altertümlicher ist als diejenige Lorenzo Maitanis über dem Portal,
ebenso die Deborah. Schmarsow scheint daher geneigt, Ramos Hand in diesen
Gestalten u. a. m. anzunehmen, daneben aber noch zwei andere iii verschiedenen
Szenen und schreibt somit den zweiten Pfeiler der Paganellischule zu. Und dafür
spricht in der Tat die durchaus übereinstimmende Gestaltenbildung und fließende
Gewandbehandlung, wenngleich die Proportionen z. T. etwas schwerere sind und
der Bohrer die Falten tiefer gräbt und die Haare reichlicher gefurcht hat. Auch
am dritten Pfeiler werden wir die etwas abweichende Rankenführung kaum auf
Maitanis Rechnung setzen dürfen. Die Einrollungen auf den Seitenabsätzen sind
sichtlich durch die vereinfachte Füllung mit den Halbfiguren von Engeln der Him-
melsleiter, die hier dargestellt ist, verursacht. Die Propheten sind offenbar als
Lückenbüßer an die Stelle der Könige von drüben versetzt, die großen Kreisschlin-
gen beiderseits mit den mehrfigurigen Reliefbildern des Heilandslebens gefüllt. In
diesen, zumal in den vier unteren Jugendszenen, erkennt nun Schmarsow — zweifel-
los mit Recht! — die Art Andrea Pisanos. Doch glaubt er die schon in der Dar-
 
Annotationen